9. Rosen sind rot, Veilchen sind blau und Falken sind... neuerdings violett?

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Meine Finger flogen nur so über die virtuelle Tastatur des Pads und trotz der Tatsache, dass ich eigentlich lieber echte Tasten unter den Fingern spürte, lief alles blendend. Bonnie Tylor sang aus vollem Halse: »I need a hero!», und ich beobachtete einen völlig aufgescheuchten Fury über die Überwachungskameras. Ich hatte mich schon vor Stunden in SHIELDs System gehackt, sogar ohne Probleme, da mein Pad direkt mit ihrem Intranet verbunden war, damit sie mich überwachen konnten. Es war nich sonderlich schwer gewesen, diesen Spiess umzudrehen und das Beste daran war, dass ich, sollte meine Aktivität auf dem Pad irgendwo aufgezeichnet oder überwacht werden, eine kleine Schleife eingerichtet hatte, auf der es für mögliche unerwünschte Beobachter so aussah, als ob ich weiterhin interessiert Star Trek schaute. Die Kameras, die sich ganz sicher irgendwo um mich herum befanden, hatte ich leider auch im Intranet ausfindig machen können, weswegen ich mich damit tröstete, dass man, so, wie ich mich gerade über das Pad beugte, sowieso nicht erkennen konnte, was ich da tat. Ausserdem hatten Agent Hill und Director Fury gerade anderes im Sinn, als zu überprüfen, was ich gerade tat. Ja, ich hatte mich entschlossen, meine Programmiertalente dafür zu benutzen, den Director und seine Agentencrew zu schikanieren, einerseits aus Rachsucht, weil er mich einfach nicht gehen lassen wollte, und andererseits aus der schrecklichen Langeweile heraus. Mir war klar, dass ich mich so ziemlich einfach verraten könnte, aber ich hielt es einfach nicht mehr aus.

Ich hatte die Lautsprecher gekapert und, da ich fand, dass «Holding out for a hero!» meine Situation ziemlich gut beschrieb, liess ich das Stück auf Dauerschleife laufen. Normalerweise war ich niemand, der gerne Musik aus den 80ern hörte, aber da das Mädchen aus dem Nachbarzimmer liebend gerne Bonnie Taylor mochte, konnte ich ziemlich viele ihrer Lieder auswendig, schliesslich waren die Wände im Waisenhaus papierdünn. Ich hatte mir nie gedacht, dass ich mich einmal danach zurücksehnen würde, jeden Schritt zu hören, den meine Nachbarn machten, jeden einzelnen Streit mitzubekommen, aber genau das tat ich. Ich konnte zwar nicht behaupten, dass ich meine dämlichen Klassenkameraden vermisste, Peter natürlich ausgeschlossen, aber der waren auch nicht in meiner Klasse, genauso wenig wie ich meinen Mitbewohnern im Waisenhaus auch nur eine Träne nachweinte. Aber irgendwie... Irgendwie wollte ich doch zurück, dorthin, wo ich mich nie wirklich wohl gefühlt hatte. Ich wollte mein altes, beschauliches, langweiliges Leben zurück, wenn das hier die Alternative war: Ein noch langweiligeres Leben, in dem jedes Blinzeln eine Konsequenz hatte.

Ich widmete mich wieder dem Fury auf meinem Pad, in der Hoffnung, mich dadurch ein wenig davon ablenken zu können, dass ich meine Situation dadurch verbesserte, die Chancen, dass sie sich zukünftig verschlechterte, zu erhöhen. Ohne Mitleid liess ich sämtliche Hochsicherheitstüren, durch die er gehen musste, direkt vor ihm zugehen, sogar die Brandalarmschotts, so dass der Director sie erst nach Passworteingabe wieder öffnen konnte. Ausserdem machte ich mir einen Spass daraus, den Lift, den er nehmen wollte, zu blockieren und, zu allem Überfluss, stellte "Holding out for a hero", weil es ihn so sehr nervte, noch ein wenig lauter. Ich hörte es sogar noch durch die Glaswand durch, und das hiess, dass es ganz schön laut war, so laut, dass man es unmöglich ignorieren konnte.

Ich schmunzelte vor mich hin, als Fury einige Flüche ausstiess und gegen eine Wand trat. Von wegen, Rache servierte man am besten kalt. Das hier war besser, als ich es mir je hätte vorstellen können. Allerdings tat mir der Agent an der Seite des Directors ein wenig leid, denn der bekam prompt seine schlechte Laune zu spüren. Ansonsten amüsierte ich mich aber könglich, jedenfalls bis ich, gerade noch rechtzeitig, Agent Hill auf meine Zelle zukommen sah. Für einen kurzen Moment war ich so überrascht, dass ich sie einfach nur anstarrte, schliesslich hatte ich keinesfalls erwartet, dass sie hier auftauchen würde, dann kam ich wieder zu mir und verliess so schnell verliess ich das System. Gerade im rechten Moment löschte ich die Padschleife wieder und schaltete auf Echtzeit. Da ich laut der Simulation gerade in der Mitte von Folge 4, Staffel zwei war, liess ich die Folge genau von dort aus weiterlaufen. Ich kam nur einige Sekunden weit, dann stand Agent Hill schon vor der Zelle.

Stark Chronicles: First TryWhere stories live. Discover now