Kapitel 1

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Die Sterne strahlten am Nachthimmel. Mika betrachtete die gespenstische menschenleere Umgebung. Nur ein kleiner Lichtschimmer des Mondes sorgte für etwas Licht. Neben ihm stand die zerstörte und völlig überwucherte Mauer. Bei Nacht sah sie ganz anders aus.

»Mika, komm schon!«, zischte Jamie. Er nickte ihm zu.

Mika hetzte über die Straße, in das Gebüsch auf der anderen Straßenseite. Er atmete schwer durch. Gerade noch geschafft.

Im nächsten Moment erhellte ein grelles weißes Licht die Straße und eine surrende Drohne flog über ihre Köpfe hinweg. Ein roter Punkt tanzte auf dem Asphalt hin und her. Er näherte sich dem Gebüsch.

Mika hielt die Luft an. Bloß nicht mehr bewegen.

Doch dann drehte der rote Punkt ab. Die Drohne flog weiter die Straße entlang.

Jamie atmete auf. »Mann, das war echt knapp. Pass nächstes Mal besser auf!«

Mika nickte nur. Er war immer noch außer Puste. Doch Jamie sprang schon auf und zog an ihm. »Los geht's. Die anderen warten bestimmt schon.«

Mika rappelte sich auf und folgte Jamie. Am liebsten wäre er gar nicht gegangen. Doch Jamie wollte es unbedingt so.

Ein Krachen. Verdammt. Er war gegen die Mülltonne gestoßen. Sofort drückte er sich gegen die nächste Hauswand und lauschte. Nichts. Glück gehabt.

»Mann, was ist denn heute los mit dir?« Jamie wartete seine Antwort nicht ab, sondern huschte weiter.

Mika seufzte. Das war ja eine tolle Aktion von ihm gewesen. Wenn das so weiterging, war er das Gespött der nächsten drei Wochen.

Er beschleunigte sein Tempo, um zu Jamie aufzuholen. Sie waren fast da.

Dort vorne war die verlassene Lagerhalle. Einige andere Jugendliche hatten sich darin versammelt. Jamie hatte recht gehabt. Sie waren zu spät.

»Hey Leute.« Jamie ging auf die anderen zu.

Tarik, der Größte und Kräftigste von ihnen löste sich aus der Gruppe. »Wo ist der Feigling Mika?«

Mika trat aus dem Schatten der Mauer. »Ich bin hier.«

Tarik verzog sein Gesicht zu einem hämischen Grinsen. »Na sieh mal einer an. Hätte nicht gedacht, dass du dich das traust. Schauen wir mal, wie schnell du dir in die Hose machst.« Er lachte und die anderen taten es ihm gleich.

Alle außer Jamie. Der stand nur da, mit versteinertem Gesicht, die Arme vor der Brust verschränkt.

»Können wir anfangen?«, fragte er. Alle Spur von Nettigkeit war aus seiner Stimme gewichen.

Sofort hörten die anderen auf, zu lachen. Auch Tarik. Tarik hielt sich für den Besten, für den Boss, aber wenn Jamie da war, hatte er nichts zu sagen.

Tariks Gesicht verdunkelte sich. Es war offensichtlich, dass er es nicht ausstehen konnte, wenn er nicht die Kontrolle hatte.

Doch dann spürte Mika den durchbohrenden Blick Tariks auf sich. Die Botschaft war klar: Ich kann Jamie nichts antun, aber dir. Tariks Augen blitzten. Seine Hand fuhr langsam quer über seinen Hals.

Mika blickte auf den Boden. Er war nicht so stark wie Jamie. Er hatte nicht diese Autorität, diese Ausstrahlung.

»Was war das gerade, Tarik?« Jamies Stimme ließ seinen Blick wieder nach oben gleiten.

Tarik hob seine Hände. »Nichts. Ich habe Mika nur gesagt, dass ich mich auf heute freue.«

Jamie musterte Tarik noch einige Sekunden lang, dann wandte er sich wieder an die Gruppe.

AußenseiterWhere stories live. Discover now