Kapitel 25

301 37 4
                                    

Mika war erschöpft. Mit einem Mal, jetzt da das Adrenalin in seinem Körper nachließ, spürte er all die Müdigkeit und Erschöpfung, die sich in den letzten Tagen zusammengetragen hatte. Doch er konnte, er durfte sich nicht ausruhen.

»Wer sind Sie?« Es war die erste Frage, die aus ihm herauskam. Der Fremde, der an einem Fenster stand und hinausblickte, drehte sich zu ihm um und kam einige Schritte auf ihn zu, langsam, wie ein Raubtier seine Beute umschlich. »Ich habe dich mir anders vorgestellt.« Er runzelte die Stirn, musterte Mika von oben bis unten. Der Blick des Fremden war unangenehm, er ließ Mika jedes Mal zusammenzucken, wenn er ihn traf.

»Das ist keine Antwort auf meine Frage. Warum haben Sie mir geholfen?« Der Fremde lächelte in sich hinein und kam noch näher auf Mika zu.

Er räusperte sich, bevor er mit dunkler Stimme sprach. »Dein Vater, Lucius, ist ein schlauer Mann.« Mikas Herz setzte einen Schlag aus, als der Name seines Vaters fiel.

»Was wissen Sie schon über meinen Vater?«, blaffte er. Eine Sekunde später tat es ihm leid. Der Fremde hatte ihm nichts getan. Im Gegenteil. Er hatte ihn gerettet. »Es tut mir leid«, murmelte er und senkte leicht den Kopf.

Der Fremde blickte ihn schräg an. »Ich bin Toms. Dein Vater hat mich kurz nach deiner Flucht kontaktiert. Er wusste, dass er nicht mehr lange für seine Familie da sein würde. Und er wusste auch, dass du zurückkommen würdest, wenn du von seiner Hinrichtung erfahren würdest. Ich sollte dich finden, wenn du wiederkommen würdest. Und du hast es mir äußerst leicht gemacht. So viel Chaos, wie du verbreitet hast. Damit hast du wahrscheinlich die ganze Stadt alarmiert. Das war unklug von dir.«

Mika schüttelte den Kopf. »Nein, das war bloß eine Ablenkung gewesen. Für einige Rebellen, die in die Stadt wollen.« Er klang, als hätte er nichts mit ihnen zu tun. Mika seufzte, bevor er fortfuhr. »Ich muss meine Familie finden und dann zu meinem Vater.«

Toms starrte ihm tief in die Augen. Erst jetzt fiel Mika auf, dass Toms Augen völlig grau waren. Als wäre alle Farbe aus ihnen verschwunden. Ein ungewöhnlicher Anblick.

»Du kannst deinen Vater nicht retten.« Er schwieg für eine kurze Zeit. »Deine Geschwister werden bald abgeholt. Du solltest sie mitnehmen und dann von hier verschwinden. Für dich ist es nicht sicher hier.«

»Aber ich kann meinen Vater doch nicht sterben lassen«, protestierte Mika.

Toms verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt und seine Stimme bebte leicht, als er sprach. »Dann Vater hat mir aufgetragen, dich zu schützen. Er will nicht, dass du ihn rettest und dich damit selber in Gefahr bringst. Respektiere seinen letzten Wunsch!«

»Was wollen Sie tun, um mich aufzuhalten? Wollen Sie mich niederschlagen?« Mika lachte.

»Wenn es nötig ist«, meinte Toms mit einem Seufzen. Mika hörte auf, zu lächeln, und blickte Toms in die Augen. »Ich werde meinen Vater nicht sterben lassen. Das kann ich einfach nicht. Ich werde ihn retten.« Er stieß die Luft aus. »Ich muss ihn retten.«

Toms legte den Kopf schief auf die andere Seite, während er Mikas Blick standhielt. »Ich werde dich nicht aufhalten können?«, fragte er, obwohl es hörbar war, dass er genau wusste, wie die Antwort lautete.

»Nein.« Mika versuchte, seine Stimme möglichst fest klingen zu lassen.

Toms seufzte und setzte sich in einen Sessel. Mika dagegen tigerte im Zimmer auf und ab. Bald würde man sie hier doch sicher finden. Wie konnte Toms nur so gelassen sein?

»Ich muss als Erstes zu meiner Mutter und zu Yuki und Gia«, nahm er den Faden wieder auf. »Wie soll ich da bloß hinkommen? Jetzt werden überall Soldaten auf den Straßen sein.« Er redete mehr mit sich selber als mit Toms.

AußenseiterWhere stories live. Discover now