Kapitel 5

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IM SELBEN Moment, in dem ich die Augen aufriss, legte sich eine klamme Hand über meinen Mund.
„Shhh. Wenn du jetzt rumschreist, geht doch der ganze Spaß verloren.", flüsterte es belustigt in mein Ohr. Aus meinen Kopfhörern drang die Musik unbeirrt weiter. 

„Instead of killing time, we'll have each other 'til the sun..."

Etwas Asche rieselte von der Zigarette auf mein Laken. Mein Herzschlag hallte mir immer noch wie ein dunkler Bass durch den Schädel, aber ich schaffte es langsam die Verkrampfung in meinen Gliedmaßen zu lösen. Zögernd blickten meine Augen jetzt in die Richtung meines unheimlichen Besuchers. Seine schwarzen Haare hingen wieder aus dem Schatten seiner weißen Kapuze wie die Äste einer Trauerweide. Sie streiften beinahe meine blutentleerten Wangen. Seltsamerweise war ich nicht überrascht darüber, dass er es war. Als er meinem ruhigen Blick begegnete, zog er seine Hand vorsichtig zurück. Ich richtete mich direkt auf, ohne ihn aus den Augen zu lassen.

Wir saßen uns eine Zeit lang schweigend gegenüber, angespannt, und beide darum bemüht die Gedankengänge des anderen zu erraten. Wie zwei Katzen, die in einem Revierkampf buckelten und fauchten.
„Warum bist du hier?", ich sparte mir die Frage, woher er wusste, wo ich wohnte - schon allein der Gedanke daran jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Der Junge blickte mir nur schweigend ins Gesicht und wieder durchbohrten mich seine blauen, kalten Augen. Diese Kälte wand sich wie ein nasser Aal um meine Wirbelsäule und mein Puls beschleunigte sich erneut. Die Stille, die folgte, gähnte mir aus einem blutroten, bodenlosen Schlund entgegen.
„Willst du etwas trinken?", entsann ich mich  der wenigen Manieren, die mir als Kind beigebracht wurden. Ein Notruf wäre momentan zwar wahrscheinlich wesentlich angebrachter, aber mein Handy lag ziemlich genau zwischen uns und mein Gegenüber lauerte unverändert nur auf eine falsche Bewegung meinerseits.
„Was habt ihr da?", fragte er zögerlich.
„Müsste ich nachsehen. Aber die Auswahl ist nicht besonders groß.", entgegnete ich entschuldigend. 

Die ganze Situation war schrecklich absurd und innerlich erlitt ich bestimmt schon den vierten Nervenzusammenbruch, trotzdem war meine Stimme ruhig. Es war, als hätte mein Gehirn alle Emotionen ausgeschlossen. Aber warum wunderte es mich - darin hatte es schließlich schon Routine. 

Bilder von weißen Blumenkränzen und stumpfen Gesichtern flackerten mit einem Mal vor mir auf und vermischten sich mit denen von rotem Blut auf den blassen Dielen der Küche, blauem Licht und dem hohlwangigen Gesicht meiner Mutter, die ihre letzte Karft dafür aufbrachte, mich mit einer Leidenschaft, die ich schon lange an ihr misste, vorwurfsvoll anzustarren.

Ohne Vorwarnung erhob sich der Junge jetzt und ich zuckte zusammen, fast schon dankbar darüber, mich wieder auf die Gegenwart konzentrieren zu müssen. 
„Dann auf.", knurrte er und trat mit seinem fordernden Ton mein Ego zielsicher mit Füßen. 

Ich musste vor ihm durch die Diele, zur Küche gehen, das Handy, und damit die rettende Verbindung zur Außenwelt, musste ich in meinem Zimmer zurücklassen. 

In der Küche brannte nach wie vor das Licht. Es verlieh den wenigen Sachen, die im Raum herumstanden einen gelblichen Schimmer. 

Es ließ alles irgendwie krank aussehen. 

Mir war nie aufgefallen wie nackt die Wände mittlerweile aussahen. Ich erinnerte mich nur noch undeutlich daran, wie meine Mutter damals alles in einem hysterischen Anfall heruntergerissen und weggeworfen hatte. Am nächsten Morgen hatte ich vor den Mülltonnen vor dem Haus gestanden und mit dem Gedanken gespielt den Abfall nach meinen Kindheitserinnerungen zu durchsuchen.

„Was ist los?", fragte mich der Fremde hinter mir ungehalten und riss mich erneut aus meinen Gedanken. Diesmal war ich es, die eine Antwort schuldig blieb.

Es erschien mir Jahre her, dass ich die fleckige Tür des Kühlschranks geöffnet hatte, obwohl in der Zwischenzeit wahrscheinlich nicht mal dreißig Minuten vergangen waren. Leere Fächer gähnten mir entgegen. Das Wasser füllte ich mir immer am Hahn auf – ansonsten lagen noch zwei der Energydosen im obersten Fach und an der Innenseite der Tür reihten sich die Hochprozentigen. 

Ich hatte Alkohol nicht mehr angerührt, seitdem ich mich auf einer Party mal in einen blondierten Haaransatz übergeben und daraufhin das Bewusstsein verloren hatte. Ich starrte auf die Flaschen. Mir war nie klar gewesen wie viel meine Mutter wohl trinken musste, und ich kämpfte gegen eine Mischung aus Wut und Sorge an, die in der Kehle genauso brannte, wie es der Inhalt dieser Flaschen musste. 

Der Junge langte kommentarlos über meine Schulter und griff sich eine Flasche Rum aus dem Sortiment heraus. Kurz studierte er das Etikett, bevor er den Verschluss aufdrehte. Ich wollte protestieren, als er im Begriff war direkt aus der Flasche zu trinken, bis ich mich wieder meiner momentanen Situation entsann.
Also presste ich nur meine Handflächen so gegeneinander, dass ich meinen eigenen Puls spürte und lauschte wie mein ungebetener Gast lautstark zu trinken begann. 

Je mehr er seinen Geist mit diesem Teufelszeug vernebeln würde, desto mehr stiegen meine Chancen lebend aus der Sache rauszukommen. Im Moment konnte ich nur an mein Handy denken und ich sortierte im Kopf schon mal die Worte, die ich an den Beamten, der meinen Anruf entgegennehmen würde, richten müsste. 

Wie ein Mantra wiederholte ich sie, während ich weiterhin in den Kühlschrank starrte, ohne wirklich etwas zusehen. 

„Wie heißt du?", fragte es plötzlich über meinem linken Ohr.
Ich sah auf.
Der Junge hatte die Kapuze abgenommen, das Licht der Küche schien spärlich in sein Gesicht, aber es reichte um zu sehen, wie entstellt es war. 

Die kalte Luft des Eisschranks schlug mir entgegen, sie brannte, und ich befeuchtete die Lippen, um zu einer Antwort anzusetzen.
Ich betete sie genauso ruhig aussprechen zu können, wie alle anderen Worte davor, doch sein schneeweißes Gesicht, und besonders diese stechenden Augen brachten meinen eigentlich so abgestumpften Charakter gefährlich ins Schwanken.
„Steph.", Brachte ich heiser hervor.
Und die aufgeschlitzten Lippen des Jungen verformten sich zu einem groteskem Grinsen. 

Die Lampe flackerte und der Kühlschrank surrte. 

„Süß. Ich heiße Jeff."

Another story about this killer called Jeff (Jeff the killer FF)Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz