Kapitel 13

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"WIR HABEN jetzt nicht viel Zeit um uns schon auszuruhen.", ließ Jeff mich wissen, während ich meinen Rucksack mit einem leisen Seufzer von meinen schmerzenden Schultern gleiten ließ.
„Was? Warum denn?", fragte ich und schämte mich gleich darauf entsetzlich für meinen jammernden Tonfall.
„Bevor die Bullen anfangen auch hier rum zu schnüffeln, sollten wir noch ein paar Sachen besorgen.", erwiderte er ungerührt und zog sich dabei den blutverschmierten Hoodie über den Kopf. 

Im dämmrigen Licht des Zimmers schien seine helle Haut wie die eines Geistes zu mir herüber. Sie war genauso weiß wie sein Gesicht und unter ihr zeichneten sich deutlich seine Rippen ab. Mit einem Mal wirkte er furchtbar verletzlich.
Und erneut begannen Fragen in meinem Kopf herumzuspuken. Und erneut wagte ich es nicht, sie auszusprechen. 

In dem Gebäude waren nur noch eine handvoll Zimmer bewohnbar. Der Rest war entweder stark einsturz gefährdet oder schon längst zusammengefallen.
Ansonsten trugen mehrere Rohrbrüche und klaffende Löcher, durch die es hinein regnete, ihren Teil zum Zerfall des klobigen Betonbaus bei.
Unsere Schritte hallten hohl von den maroden Wänden wider, als wir die Eingangshalle zum zweiten Mal in dieser Nacht durchschritten. 

Wie ich bereits bei unserer Ankunft festgestellt hatte, lag Jeffs Unterschlupf ziemlich weit abseits und nahe der Autobahn, die aussah wie eine gigantische Blindschleiche, die sich bis zum Herz der Stadt schlängelte. Mein Blick folgte dem glitzernden Asphalt. Ich glaubte plötzlich den Lärm, der zu dieser Zeit immer aus den Bars und Casinos drang, zu hören und den herben Geruch allerlei exotischer Küchen und den fremder Menschen in der Nase kribbeln zu spüren. Und wie ich so alleine vor dem Abrissbau am Rand der Hauptstraße stand, fühlte ich mich schrecklich einsam.
Denn mir wurde damit jetzt sehr deutlich, dass ich nicht mehr dorthin zurück konnte. Und so sehr ich diesen städtischen Sumpf verabscheut hatte – es war trotz allem der Ort an dem ich aufgewachsen war.
„Kommst du jetzt mal?", knurrte Jeff ungehalten.
Er war schon ein paar Schritte weiter in die andere Richtung gegangen und stierte durch die Dunkelheit finster zu mir hinüber. 

Ohne noch einmal zurückzublicken, schloss ich zu ihm auf. 

Der geschotterte Weg neben der Straße war gerade so breit, dass wir nebeneinander herlaufen konnten. Immer wieder streiften sich unsere Schultern beim Gehen, doch entweder bemerkte Jeff es nicht, oder es war ihm egal.
Er schien mit einem Mal selbst ziemlich in Gedanken versunken zu sein. Mit seinen schwarzen Turnschuhen kickte er kleine Steinchen vor sich her und zog die Kapuze noch tiefer in sein zerschnittenes Gesicht als ein Auto an uns vorbeizog.
Erinnerungen von unserer ersten Begegnung stiegen unvermittelt in mir auf.
„Wer hat dich damals eigentlich angerufen?" Erst nachdem Jeff mich mit gerunzelter Stirn ansah, wurde mir bewusst, dass ich diese Frage laut ausgesprochen haben musste.
„Wovon sprichst du?", fragte er mich mit einem irritierten Unterton, der ganz untypisch für ihn war.
„Als wir uns damals vor der Tankstelle getroffen haben.", schob ich hastig die Erklärung hinterher und hoffte inständig ihn mit dieser Frage nicht verärgert zu haben.
Es dauerte ein paar Sekunden bis er meinem Gedankensprung gefolgt war. Sein Gesicht wurde für einen Bruchteil von einer Emotion überschattet, die ich nicht recht benennen konnte.
„Glaub mir, es ist besser wenn du so wenig wie möglich darüber weißt.", gab er reserviert zurück und konzentrierte sich wieder darauf Kiesel zu treten. Ich versuchte meine Frustration zu verbergen, befürchtete aber, dass es mir nicht besonders gut gelang. 

Bis wir schließlich vor einer Tankstelle standen, sprachen wir nicht mehr miteinander. Der Mörder drückte mir jetzt einen karteikartengroßen Notizzettel in die Hand.
„Es ist leichter, wenn du die Sachen kaufst.", setzte er direkt nach, bevor ich ihn fragen konnte.
Klar. Ein Mensch, der sein Gesicht im Schatten einer Kapuze verbarg, war dann doch mehr als nur ein bisschen verdächtig.
Als ich meinen Einkauf auf den schmalen Theke der Kasse ablud, betete ich, Jeffs Gekritzel richtig entziffert zu haben. 

In der Grundschule hatte mir eine besonders garstige Lehrerin eine sechs in Schönschrift gegeben, und ich fragte mich, was diese Frau wohl mit Jeff gemacht hätte. Wahrscheinlich hätte sie ihn zur Abschreckung am Schultor aufgeknüpft und trotz meiner misslichen Lage musste ich bei dieser bizarren Vorstellung grinsen.
Der Kassierer blickte mich seltsam abschätzend an, als er die bunten Packungen nacheinander abscannte. Irgendwie wurde mir bei seinem Blick leicht übel.
„Das sind 34,96 Dollar.", schnarrte er, ohne dabei aufzuhören mich so komisch zu mustern. Meine Handflächen schwitzten, als ich in meiner Hosentasche das Geld hervorkramte, das Jeff mir zusammen mit seinem unleserlichen Einkaufszettel gegeben hatte. 

Es dauerte gefühlte Ewigkeiten, bis er mir das Wechselgeld in die Hand gezählt hatte. Die Wunde an meinem Arm schmerzte inzwischen so stark, dass mir schwindelig war und die Luft schien plötzlich auch immer dünner zu werden. 

Doch als ich mich schon erleichtert zum Gehen umwandte, wurde ich grob am Oberarm gepackt und zurück gerissen. 

Ich stieß heftig gegen die Auslagen vor dem Tresen und der Atem entwich mir stoßartig aus meinen zusammen gepressten Lippen.
„Wenn ich doch bitte Ihren Ausweis nochmal sehen dürfte, junge Dame." Sein saurer Atem schlug mir seitlich ins Gesicht, sein fester Griff quetschte mir langsam immer mehr das Blut ab. Ich hatte das Gefühl nur die Hälfte von dem was er da sagte, begreifen zu können.
„Denn Sie weisen sehr große Ähnlichkeiten mit einer gewissen gesuchten Person auf."
Das Licht über meinem Kopf surrte. 

Und meine Welt wurde weiß, als ich mich in blinder Panik auf die diesen unbedachten Mann stürzte.

Another story about this killer called Jeff (Jeff the killer FF)Where stories live. Discover now