Kapitel 8

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ALS MIR meine Gastgeberin am Freitagabend die Tür öffnete, war es, als hätte sich mir das Tor zur Hölle aufgestoßen: stickige Schwaden quollen an ihrer schmalen Figur vorbei und schlugen mir ins Gesicht. Sie rochen nach schwitzigen und verbrauchten Körpern, nach Alkohol und nach Sex. Ich konnte mich gerade noch fragen, ob es wirklich schlau gewesen war hierher zukommen, als ich schon von ihr in den flackernden Flur gezogen wurde. Ihr Gesicht strahlte. Die Bässe, die mir schon vier Meter vor der Haustür aus dem Inneren entgegen gedröhnt hatten, hämmerten jetzt direkt gegen meine Schläfen. 

Schon nach wenigen Sekunden fühlte ich mich merkwürdig betäubt.

Ich stolperte hinter ihr her. Im Wohnzimmer, bewegten sich erschreckend viele Körper zu der Musik. Mir wurde schlecht.

„Ah wie süß, du hast mir ja doch was mitgebracht!", Schrie mir das Geburtstagkind ins Ohr, um die Lautstärke der Musik zu übertönen. Mein Trommelfell klingelte und ich brachte als Antwort gerade so ein Nicken zustande. „Stell es am Besten in die Küche zu den anderen Sachen... warte ich bringe dich hin!" Sie wollte mich gerade weiterziehen, als es wieder an der Haustür klingelte. „Ah, verdammt. Da muss ich fix öffnen gehen.Du findest aber auch alleine hin. Einfach jetzt gerade aus.", mit diesen Worten ließ sie mich im Gedränge zurück.
Ein Mädchen, deren rotes Top so tief ausgeschnitten war, dass ihre Brüste mir förmlich entgegen fielen, stieß mit mir zusammen. Ich stolperte unsanft gegen ein Regal.
Ihre Bewegungen waren undefiniert, ihr glasiger Blick irrte suchend umher, aber ich bezweifelte, dass ich in ihrem Zustand mit einer Entschuldigung rechnen könnte. Meine Hüfte schmerzte – ich war direkt gegen die Kante des Möbels gestoßen.

Ich biss die Zähne zusammen und begann mich durch die Masse in Richtung Küche zu kämpfen. Ich hatte schon beschlossen danach nur noch ein paar Minuten zu bleiben, vielleicht ein Glas Wasser zu trinken und mich dann zu verdrücken und diesen menschengemachten Ofen hinter mir zu lassen. 

Meine Gedanken drehten sich.
Überall berührte mich nackte, feuchte Haut und ich begann selbst zu schwitzen.
Meine Sicht begann zu kippen, in meinen Ohren rauschte es. 

Und plötzlich stand ich schwer atmend auf der Terrasse. Auch hier drängten sich einige Leute, aber die Luft war weniger benutzt und ich konnte spüren wie sich meine Lungenflügel gierig aufblähten. Ich ließ mich auf einen der Gartenstühle fallen. Das Herz hämmerte mir gegen die Rippen.
Wie konnte es Menschen geben, die sich sowas jede Woche gaben?
Mein Kopf sank gegen die weiße Plastiklehne und ich starrte in den dunklen Himmel. Auch in dieser Nacht konnte man die Sterne nicht sehen. Ich kramte geistesabwesend nach meiner Zigarettenpackung. Meine Finger zitterten dabei und natürlich fiel sie mir aus der Hand, als ich versuchte mir eine Kippe heraus zu ziehen. Als ich mich nach ihr bücken wollte, kam mir eine blasse Hand zuvor. Mein Blick kletterte alarmiert an der Person nach oben und mein Herz machte vor Erleichterung einen Hüpfer, als ich in ein Gesicht mit dunkelbraunen Augen blickte.

„Danke.", murmelte ich und nahm die Packung entgegen. Ich musste lächerlich verschrocken ausgesehen haben und ich vermied es den anderen erneut anzusehen. „Keine Ursache." In seiner Stimme lag ein Lächeln. Mit abgewandtem Gesicht steckte ich mir jetzt eine Zigarette an und begann zu rauchen.

Lästigerweise blieb der Junge neben mir stehen. „Ich habe dich noch nie auf Alishas Partys gesehen.",stellte er fest, als ich zum dritten Mal am Filter zog. Ich sah verstohlen zu ihm auf. Er lächelte freundlich. „Nein... ich bin normalerweise nicht so der Typ für sowas.", antwortete ich verhalten und nickte über meine Schulter; Hinter den Fenstern drängten sich immer noch die Gäste auf beängstigend wenig Raum. Die Masse sah aus wie ein seltsames, pulsierendes Organ. Ich wandte mich wieder dem Jungen zu. „Kann ich verstehen. Ist halt nicht für jeden was.", lächelte er. Ich zuckte mit den Schultern und rauchte weiter. Mein Körper kühlte langsam ab. „Ich heiße Micha.", stellte er sich vor. Ich blinzelte überrascht „Steph.", erwiderte ich automatisch. Mein Blick klebte dabei an meinen Schuhen. Ich hatte vor Monaten einige Zitate auf die weißen Gummispitzen geschrieben, aber durch den vielen Regen waren sie jetzt schon ganz verblasst.

Das Ende der Zigarette glühte bis zum Filter herunter. Es war die letzte aus der Packung gewesen und natürlich hatte ich vergessen noch eine einzustecken. Ich musterte den glimmenden Stängel frustriert – das Leuchten tanzte als kleiner Punkt in der anbrechenden Nacht.

Ich erhob mich und trat die Droge unter meiner Schuhspitze aus. Micha schaute mir dabei schweigend zu.
„Weißt du, ob in der Nähe ein Automat ist?", fragte ich ihn.
„Klar. Ich bring dich hin." Seine Augen glitzerten bei der Antwort seltsam, aber meine Vorsicht hatte ich irgendwo zwischen den tanzenden Körpern im Wohnzimmer zurück gelassen und ich bemerkte es nicht. Er griff nach meiner Hand, bevor ich sein Angebot ablehnen konnte. Es klingt bescheuert, aber ich hatte seit Jahren nicht mehr die Hand eines Jungen gehalten und mein Herz zog sich zusammen.

Die Straßenlaternen beleuchteten schwach den dunklen Asphalt und die parkenden Autos. Sie säumten den Bürgersteig wie geduckte, schlafende Tiere. Je mehr Abstand wir zwischen uns und die durchdringende Musik brachten, desto mehr klarte meine Gedankenwelt auf. 

 „Du kannst meine Hand jetzt los lassen.", ließ ich Micha wissen. Sein Griff wurde daraufhin jedoch nur energischer.
„Magst du das nicht?" Seine Worte fielen in die kühle Luft hinein.
„Nein."
Was hatte er erwartet? Ich kannte ihn nicht und ich war grundsätzlich kein Mensch, der sich für Körperkontakt jemals sonderlich hatte begeistern lassen. Er lachte.
„Du bist direkt. Gefällt mir." Aber er ließ mich trotzdem nicht los. 

Langsam begann es in mir zu brodeln. „Micha. Lass mich los.", wies ich ihn jetzt bestimmter an, während wir in eine Seitenstraße einbogen.
„Na schön."
Und seine Stimme war plötzlich klirrend kalt.
Als er mich grob gegen eine graue Hauswand schubste, schossen glühend weiße Blitze durch meinen Kopf. Mir blieb kaum Zeit zum Blinzeln, als sein Körper sich wie ein Käfig um mich schloss - seine Hände stützten sich links und rechts neben meinem Gesicht ab.
„Besser so?" Die Bosheit in seiner Stimme tropfte von jedem einzelnen Wort.
Tropfte, wie zäher Sirup oder wie rotes Blut es tat.
Tropfte langsam in mein Herz und ließ es wissen,dass es einen schrecklich dummen Fehler begangen hatte.

Another story about this killer called Jeff (Jeff the killer FF)Where stories live. Discover now