Kapitel 19

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INZWISCHEN WURDE Jeff immer ungeduldiger. Er hatte alles andere als ein akkurates Zeitgefühl, weswegen er sein Unbehagen die ersten zehn Minuten noch unterdrücken konnte, doch schon ein paar Sekunden später tigerte er fluchend auf dem matschigen Schotterweg auf und ab. 

Dabei war es gar nicht die Tatsache, dass Steph noch immer nicht zurück war, die ihn so irritierte. Es war die Angst davor, dass sie gar nicht mehr zurück kommen würde. 

Es war ihm bisher nie besonders schwer gefallen alleine zu sein. In seiner Kindheit war seine Familie oft umgezogen und enge Freundschaften hatte man so nicht schließen können.
Und dann, nach all den schlimmen Dingen, die passiert waren, war sowieso alles egal.
Seitdem war es ein komisches Gefühl jemanden um sich zu haben. Ein Gefühl, das Jeff eigentlich verlernt hatte zu ertragen. 

Die Gesellschaft anderer machte ihn jedes Mal schrecklich aggressiv. Es schien, als würde es in seinem Leben nur für ihn allein genug Platz und Sauerstoff zum Atmen geben. 

Steph hingegen war wie ein Schatten. Die Wut, die ihn jedes Mal ergriffen hatte, wenn ein anderer Mensch auch nur den Mund aufgemacht hatte, spürte er in ihrer Gegenwart nicht. Und das war merkwürdig und irgendwie beängstigend.
Es fühlte sich an, als würde er abrupt seiner Sinne beraubt werden und gleichzeitig tat es einfach nur gut nicht mehr so einsam zu sein. 

Wenn es nicht Jeff wäre, von dem wir hier sprechen, könnte man schon fast meinen, er würde Steph gegenüber Dankbarkeit empfinden. 

Doch jetzt kochte die Wut in ihm mit jeder verstrichenen Sekunde heißer und sein gestörtes Hirn formte mittlerweile schon einen düsteren Plan nach dem anderen, als Steph plötzlich hinter ihm stand. Fast wäre er in sie hineingelaufen. 

"Jeff?", sie blickte ihm vorsichtig in das schockierte Gesicht. 

Er reagierte nicht sofort. Stattdessen tastete er mit seinen Augen ihre unscheinbare Erscheinung ab - die helle Haut, die dunklen, ernsten Augen und ihre schmalen Lippen. 

"Du bist spät.", knurrte er. 

Sie wich seinem stechenden Blick aus. Ihr Schweigen reizte ihn und es begann erneut in ihm zu brodeln. Der Mörder dachte nicht nach, als er jetzt einen großen Schritt auf sie zumachte, und damit den leeren Raum zwischen ihnen nahezu vollständig schloss. So hätte vielleicht gerade noch ein Blatt Papier zwischen ihre Körper gepasst. 

Er spürte ihren nervösen Atem auf seinen Wangen - ihr so nahe zu sein, fühlte sich seltsam an. 

Aber er hatte gerade kein Interesse daran, sich mit dieser Empfindung näher auseinander zu setzen. Stattdessen tackerte er sie mit seinen kalten Augen unbarmherzig unter sich fest.
"Was hast du getan?", die Worte kamen so tief aus seinem Inneren, dass sie ihm in der Kehle brannten.
Steph war mittlerweile leichenblass. Ihr Mund öffnete und schloss sich mehrfach, ohne das auch nur ein Ton aus ihr hervor kommen wollte. 

Nicht weit entfernt jaulte eine Sirene auf. 

Jeff erstarrte und keine Sekunde später riss er das Mädchen rabiat an sein entstelltes Gesicht heran. Vor Schreck ließ sie die Papiertüte fallen, sie schlug dumpf auf dem schlammigen Boden auf. Steph zitterte jetzt am ganzen Körper. Der Mörder spürte ihren Puls unter seinen Händen rasen.
"Warst du wirklich so dumm...?", er ließ die Frage unausgesprochen, seine Stimme dabei nicht mehr als ein hasserfülltes Flüstern.
Doch sie schüttelte bestimmt den Kopf. Vielleicht war es der Schock, der ihre innere Barriere brach, denn plötzlich sprudelten die Worte fast gewaltsam aus ihr heraus. 

"Es war ein Unfall. Dieses Auto hat den Jungen einfach überfahren.... denn er war zu schnell.. mit einem Skateboard...", Sie hielt inne. Ihr stand der Schweiß auf der Stirn, ihre Augen glänzten. 

Jeff blinzelte perplex, er hatte Mühe gehabt, ihrer mehr als lückenhaften Erzählung zu folgen. Und doch sickerte immer mehr die Gewissheit zu ihm durch, dass Steph ihn nicht verraten hatte. Erleichterung spülte durch seinen Körper und mit einem Schnauben ließ er von ihr ab. Geistesgegenwärtig bückte er sich nach der Tüte. Mit einem Mal wollte er nur noch weg von hier. Beim Gehen spürte er, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug.

Und ihm wurde klar: Er hatte Angst gehabt. 

Angst davor, dass Steph ihn ans Messer geliefert und zurückgelassen hatte.
Angst davor, wieder alleine zu sein.
Angst davor, der falschen Person vertraut zu haben. 

Zusammen mit dieser Erkenntnis begann eine pechschwarze Wut in ihm zu brodeln. 

Die Zeiten, in denen er sich auf andere verlassen, sie sogar geliebt hatte, waren schon lange vorbei und er hatte nie auch nur das geringste Interesse daran gehabt, an diesem Umstand je wieder etwas zu ändern.
Unabhängig davon, dass es ihm immer nur geschadet hatte, glaubte ein kleiner gemeiner Teil von ihm auch nicht daran, solche Gefühle nicht verdient zu haben.
Wie viele Menschen hatte er schon getötet? Wie viele hatte er schon ihrer Zukunft beraubt? Ihnen die Chance sich Wünsche und Träume zu erfüllen genommen? Durfte er mit dieser furchtbar schweren Schuld überhaupt noch selber welche haben? 

Mit jedem weiteren Gedanken färbte sich Jeffs Seele schwärzer. Und während diese destruktive Dunkelheit sein Inneres immer mehr Stück für Stück verschluckte, fasste er einen finsteren Entschluss: Steph würde in dieser Nacht sterben müssen.

Another story about this killer called Jeff (Jeff the killer FF)Where stories live. Discover now