Kapitel 17

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NACH ZWEI Tagen sank Stephs Fieber schließlich. Die Wunde an ihrem Arm hatte sich entzündet und zusammen mit den drastischen Schmerzen musste das ihren Körper in die Knie gezwungen haben.
In diesen zwei Tagen war Steph nicht ansprechbar gewesen. Die wenigen Male, die sie aus ihrem Delirium aufgeschreckt war, hatte sie nur unverständliches Zeug gebrabbelt, mit klammen Fingern nach Jeffs Ärmel gegriffen und dann in völliger Erschöpfung zurück in die Bewusstlosigkeit gefunden. 

Jetzt krächzten vor dem Fenster zwei Krähen, die sich um den Inhalt einer Pommestüte stritten, die jemand am Straßenrand hatte fallen lassen und der Himmel starrte blass und grau auf das verfallene Gebäude hinab. 

Jeff hatte sich in einen der Fensterrahmen gesetzt und beobachtete mit zusammengezogenen Augenbrauen wie Steph sich langsam aufrichtete.
Sie fühlte sich merkwürdig, als würde ihr Kopf nicht zu dem Rest ihres Körpers gehören. Eine Zeit lang irrte ihr Blick durch die Gegend, bis er schließlich an Jeff hängen blieb. 

Wie immer konnte der Mörder sich keinen Reim aus dem Ausdruck in ihren Augen machen. Sie waren dunkel, fast schwarz, und wiesen ihn jedes Mal aufs Neue ab, wenn sie seinen eisblauen Iriden begegneten.
„Wie geht es dir?" Er wandte bei der Frage das Gesicht ab und starrte grimmig nach draußen, während er auf ihre Antwort wartete.
Aus irgendeinem Grund lauerte er jedes Mal darauf was sie erwidern würde. Vielleicht weil er nie wusste, was genau in ihr vorging und wie dementsprechend ihre Reaktion ausfallen würde. 

Oder vielleicht gab es für diese Faszination keinen bestimmten Grund. Vielleicht war sie auch einfach nur da, genauso wie der Himmel oder die Ozeane es waren. 

„Mir ist schlecht und schwindelig.", presste Steph hervor. Sie klang furchtbar erschöpft. Jeff rutschte von dem Sims und stand nach zwei Schritten direkt vor dem Mädchen, das sich nach wie vor zu sammeln versuchte. Er ließ sich neben sie nieder und beäugte misstrauisch ihr bleiches Gesicht, in das noch mehr blaue Haarsträhnen als normalerweise fielen.
„Das ist normal. Du warst zwei Tage lang bewusstlos und hattest hohes Fieber.", Jeff stützte sein Gesicht in den Händen ab. Aufmerksam verfolgte er dabei Stephs Reaktion. Ungläubig wandte sie sich ihm zu, musterte sein weißes Gesicht und lehnte sich dann mit einem tiefen Seufzer gegen die Wand.
„Das ist lange.", flüsterte sie und schloss die Augen.
Eine merkwürdige Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Gerade als Jeff dachte, sie sei schon wieder eingeschlafen, drehte sie sich zu ihm. 

Und ihm fiel auf wie nah ihr Gesicht jetzt plötzlich seinem war. Es war so nah, dass er ihre schwarzen Wimpern zählen konnte. 

„Und? Wirst du mich bald umbringen?" 

Die Frage überrumpelte Jeff. Er hatte nicht mit ihr gerechnet und es frustrierte ihn darauf nicht direkt antworten zu können. Er wich ihrem Blick aus.
Aber als er hörte, wie sie daraufhin scharf die Luft einsaugte, suchte er schnell erneuten Blickkontakt.
„Auf jeden Fall nicht jetzt!" Er wusste nicht warum, aber er wollte sie nicht beunruhigen. Zu müde, um dieser ungewohnten Empfindung näher auf den Grund zu gehen, lehnte er seinen Kopf jetzt ebenfalls nach hinten und stierte erbost ins Leere. Sie schluckte. „Ok." 

Jeff erhob sich. „Wir gehen raus.", meinte er, während er sich etwas Staub von seiner schwarzen Jeans klopfte. In seinem Inneren hatte die altbekannte Wut angefangen zu brodeln und es gab nur zwei Dinge, die ihm dann Erleichterung verschaffen konnten: Ein blutiger Mord oder hochprozentiger Alkohol.
Seit Steph zusammengebrochen war, hatte er sie nicht allein gelassen und jetzt war er rastlos. Sie sah zu ihm nach oben. Die Tortur der letzten Tage war ihr nach wie vor deutlich in das blasse Gesicht geschrieben. 

Kurz überlegte er, ihr die Hand zu reichen. Aber er war immer noch er, und er hatte schon lange aufgehört auf die sanfte Seite seines Herzens zu hören. Schweigend schritt er an ihr vorbei. Die blauen Augen stur nach vorn gerichtet. 

--

Ich musste viermal tief Luft holen, bevor ich mich schließlich ganz aufrichten konnte. Dabei hörte ich meinen Puls in den Ohren galoppieren. Stück für Stück schleppte ich mich Jeff hinterher, aus dem kahlen Zimmer hinaus in den zugigen Hausflur. 

Auf dem Boden lagen überall Bauschutt und Scherben, die unter meinen unsicheren Schritten splitterten und knirschten. Am Ausgang wartete Jeff mit finsterer Miene auf mich. Als ich vor ihm stand, unterzog er mich einer kurzen Musterung, dann stieß er kommentarlos die Eingangstür auf. 

Das lange Gras, das um das Gebäude herum wucherte, bog sich unter stärkeren Windböen, die Jeff und mir das Haar aus dem Gesicht bliesen. Der Mörder blickte die Straße hinunter, wodurch ich kaum mehr als das tiefschwarze Haar und seine markante Kieferlinie erkennen konnte. So sah er fast schon normal aus. Nur die schneeweißen Hände, die er jetzt in seinen Hosentaschen vergrub, ließen auf seine schaurige Gesamterscheinung schließen. 

Eine Zeit lang standen wir einfach nur an der Straße, ich zählte die vorbeifahrenden Autos und Jeff schob mit seinen schwarzen Turnschuhe kleine Kiesel zusammen. Ich spürte wie langsam immer mehr eine tiefe Ruhe in mich hinein gluckerte.
Das hier fühlte sich irgendwie richtig an.
Genauso wie es war.
Am Straßenrand neben Jeff zu stehen und die Welt einfach mal mit ihren Ansprüchen und Erwartungen hinter sich fallen lassen zu können. 

Kurz nachdem das neunte Auto an uns vorbeigebraust war, zog sich mein Magen plötzlich knurrend zusammen. Und erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich in den vergangenen Tagen wohl schlecht etwas gegessen haben konnte.
„Lass uns was zu Essen auftreiben." Jeff sah mich nicht an, als er das sagte. Ich konnte seinen Tonfall nicht deuten. 

Der Kies knackte unter unseren Schuhsohlen, als wir neben der Straße Richtung Stadt liefen.
Wir gingen nebeneinander.

Another story about this killer called Jeff (Jeff the killer FF)Where stories live. Discover now