Kapitel 15

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SIE WAR blass. Eingerahmt von blauen Strähnen sah ihr Gesicht aus wie ein verlorener, einsamer Stern. Jeff wusste nicht, wie lange er es jetzt schon betrachtete.
Nachdem Steph ihr Bewusstsein verloren hatte, hatte er sie zurück zum Wohnblock getragen.

Viele hätten sich in der Dunkelheit verlaufen, oder wären gestürzt, aber Jeff konnte die Wege, die er beschritt, schon lange sogar im Schlaf in die Luft zeichnen. Deswegen hatte es auch nicht lange gedauert, bis er mit Steph auf dem Rücken vor seinem Unterschlupf gestanden hatte, der in der Schwärze der Nacht aus dem Boden ragte, wie eine Pestbeule.
Die Treppen hatten da schon eine größere Herausforderung dargestellt. In Jeffs Bewegungen lag zwar viel zielgerichtetes Geschick, aber besonders stark war er nicht.
Und so musste er oben angekommen einige Male tief Luft holen, bis er Steph in einem der Zimmer hatte ablegen können. 

Der Himmel war von tiefblauen Wolken bedeckt, und mit der glühenden Zigarette in Jeffs Fingern waren eine handvoll Teelichter, die schwach in einigen leeren Marmeladengläsern flackerten, die einzigen Lichtquellen im Raum.
Jeff schlief nicht.
Er schlief selten, und wenn er es doch tat, wachte er immer wieder auf, schwitzend und mit klopfendem Herzen, ohne sich daran erinnern zu können, was seine verborgenen Gedanken ihm angetan haben mussten.
Die Zigarette knisterte, als er einen tiefen Zug nahm. Und beim Ausatmen tanzte der Rauch bleich in der Luft, während seine blassen Augen ihr Gesicht und ihren Körper abtasteten. 

Bisher hatte er sich noch nicht die Frage gestellt, warum er sie mit zurück genommen hatte. Warum er ihr überhaupt immer und immer wieder half. Warum das Verlangen zu töten bei ihr immer so schnell verblasste wie Tinte auf Löschpapier.
Jetzt, in der Stille des düsteren Zimmers, sah er sich plötzlich mit diesen Fragen konfrontiert, als hätte sie jemand mit rotem Ruß an die kahlen Wände geschrieben. 

Mürrisch zog der Mörder die Augenbrauen zusammen. 

Er war es nicht gewohnt, sich in Frage zu stellen, denn er versuchte die Dinge immer so simpel wie möglich zu halten.
Die Haut spannte nahezu durchsichtig über seinen Knöcheln, als sich seine Finger jetzt fester um den schwarzen Griff seines Messers schlossen.
Plötzlich konnte sein gestörtes Hirn nur noch daran denken, dass er sich mit diesem ungemütlichen Thema nicht mehr weiter auseinander setzen müsste, wenn er das Mädchen einfach nur umbrachte.
Er hatte schon dutzende Menschen auf dem Gewissen, wo war dann das Problem sie dieser schwarzen Liste hinzuzufügen? 

Er realisierte gar nicht, dass er sich während dieser finsteren Gedanken immer mehr über sie gebeugt hatte. Jetzt schwebte sein fahles Gesicht nur noch wenige Zentimeter über ihrem.
Er konnte ihren schwachen Atem auf seinen weißen Wangen spüren. Die indirekte Berührung war beinahe tröstlich und sein Herz zog sich mit einem Mal in schmerzender Melancholie zusammen. Wahnsinn glomm in seinen Augen auf.
Der ungewohnte Schmerz machte ihn schrecklich wütend. So wütend, dass sein ganzer Körper unter dem Bedürfnis seine blitzende Waffe in wehrloses Fleisch zu rammen, innerlich ächzte. 

Und dann tropfte eine erste salzige Träne auf Stephs bleiches Gesicht. 

Glitzernd zitterte sie auf ihrer glatten Haut und Jeffs Gesichtszüge zerflossen in Zerrissenheit. Normalerweise kannte seine Wut nur eine Richtung und nur eine Farbe, aber jetzt tobte in seinem Innern ein Konflikt, der ihn mehr als hilflos machte, und ihn verstörte.
Er spürte ihren warmen Körper unter seinem. Und bei der Vorstellung davon, er könne im nächsten Moment kalt und starr werden, stieg bittere Panik in ihm auf.
Er hatte in seinem Leben bisher nur einmal so gezögert. Und zusammen mit den Tränen flackerten farblose Erinnerungen in ihm auf. Sie waren ein hohles Echo seines zerstörten Verstandes.
Das Klirren riss durch die Lautlosigkeit des dämmrigen Raumes, als sein Messer aus seiner Hand, zu Boden, fiel. Immer mehr Tränen tropften jetzt auf Stephs Gesicht hinab. Mit einem leeren Schluchzen wich Jeff zurück, das zerschnittene Gesicht hinter zitternden, leichenblassen Händen verborgen.

Sein ganzer Körper bebte.
Draußen hatte es erneut begonnen zu regnen und der Wind flüsterte durch das kahle Gestrüpp, welches den Betonbau umwucherte. Das Rauschen vermischte sich nahezu übergangslos mit dem Wimmern des Mörders. 

Als die Dochte der Teelichter schon fast im schwimmenden Wachs ertranken, begann Steph leise zu stöhnen. Unruhig wand sich ihr Körper auf der durchgelegten Matratze hin und her. Jeff saß schon seit einiger Zeit schweigend neben ihr.
Er hatte sich erst vor ein paar Minuten wieder richtig gefangen und dachte seitdem darüber nach, was ihn so aus der Fassung gebracht haben musste, und ob er Steph nicht doch einfach töten sollte. Als ihr Ächzen auch nach einigen Momenten nicht aufhören wollte, neigte er sich zu ihr. 

Das Licht im Raum war mittlerweile so schwach, dass Jeff ihre Mimik nicht mehr als nur erahnen konnte. Mit langen Fingern strich er ihr das verschwitzte Haar aus der Stirn.
Ihre Haut brannte unter seinen Fingerspitzen wie Feuer.
Bestürzt tastete der Mörder nach ihrem Puls. Ihr Herz raste. Leise fluchend entzündete Jeff ein neues Teelicht. Im schwachen Schein der kleinen Flamme schälte er Steph aus ihren feuchten Klamotten. 

Der Morgen graute, als Jeff durch die zersplitterte Eingangstür des Abrissbaus trat.
Er war allein.
Zielsicher schritt er die Straße hinunter. 

In seinem schwarzen Haar hatte sich Stephanies Geruch verfangen. Und wie sich seine Gestalt immer weiter entfernte, vermischte er sich mit der kühlen Morgenluft und dem Nebel, der über dem glänzenden Asphalt schwebte.

Another story about this killer called Jeff (Jeff the killer FF)Where stories live. Discover now