Acht

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Unglaublich langweilige Jazzmusic, zu der sowieso niemand tanzte. Champagner im Übermaß. Gekünsteltes Lachen, gestellte Gespräche. Über Firmen, Geld, Autos, die neuesten Kollektionen. Schwarze Anzüge und viel zu teure Kleider, für die irgendein reicher Mann seine Seele verkauft haben musste. Appetithäppchen, die pro Stück vermutlich mehr kosteten als ein Ferrari. Glitzernder Schmuck und hohe Schuhe, die vermutlich als Mordwaffe dienen könnten.

Ich passte hier so unglaublich schlecht rein. Das hatte ich schon immer. Eigentlich hatte ich damit kein Problem, ich hätte es um Meilen besser gefunden, kein Teil dieser Welt zu sein. Ich wollte einfach zurück in Marcs kleine Wohnung in Ohio, weit weg von dem Geld, den Menschen, weit weg von Seattle. Wollte einfach zurück in ein einfacheres Leben, in dem mir alles so perfekt vorgekommen war. In dem wir noch gut füreinander waren. Medizin, nicht Gift.

„Elizabeth!", flötete eine Stimme hinter mir und ich drehte mich um. Blond. Groß. Schlank. Perfekt geschminkt. Ich hatte das Gefühl, die Definition eines Supermodels vor mir stehen zu haben.

„Hi, du! Lang nicht mehr gesehen." Ich hatte keine Ahnung, wer diese Frau war.

„Kein Sekt für dich heute, was?", fragte sie und gestikulierte zu meinem Bauch. „Ist seit dem letzten Mal ganz schön gewachsen."

„Ja, so funktionieren Schwangerschaften eben", sagte ich trocken, während mein Gehirn versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern. Sie kicherte. Hielt es für einen Witz, auch wenn das gar nicht lustig hatte sein sollen.

„Du leuchtest richtig. Freust du dich schon? Ohhh, ich wäre auch so gerne nochmal schwanger. Meine beiden sind ja schon fast neun." Sie strahlte verzückt. Ich hatte auch keine Ahnung, wer ihre Kinder waren. „Oh, ich liebe deine Kette!", führte sie ihren Redeschwall fort. Ich hatte vergessen, dass ich sie noch trug. Eigentlich hatte ich sie abnehmen wollen. Um Marc nicht die Genugtuung lassen, sie um meinen Hals zu sehen. Ich spielte an dem Ring herum, den Lucie mal aus einem Kaugummiautomaten gewonnen hatte, als wir im Kaufhaus gewesen waren. Seitdem trug ich ihn fast ununterbrochen, sogar konsequenter als meinen Ehering. Beim Schlafen, beim Kochen, höchstens zum Duschen legte ich ihn ab. Er war klein, zart, und wurde von einem winzigen – falschen – Rubin geschmückt. Ich hielt ihn für das schönste Ding, das ich je besessen hatte. Sie hatte so getan, als würde sie mir einen Antrag machen, und ich hatte meine Schauspielkunst zum Besten gegeben, um ein paar Tränen rauszudrücken, und wir hatten gelacht, und ich hatte mir selbst eingestehen müssen, dass das die Welt war, in der ich so gerne leben würde. Eine Welt, in der ich lachte. Liebte. Lebte. Eine Welt, in der Lucie und ich zusammengehörten.

„Hab' ich von Marc", sagte ich knapp. Ich ging davon aus, dass sie ihn kannte. Alle kannten ihn.

„Wenn wir schon von Marc sprechen, wo ist er?" War sie eine Kollegin von ihm? Eine Kundin? Ein bekanntes Model? Ich kam nicht drauf.

„Uhm, Marc ist-"

„Marc ist genau hier", hörte ich ihn nun neben mir. „Lästert ihr über mich?" Marc legte den Arm um mich und grinste die Giraffe vor mir an. „Hey, Cassie", begrüßte er sie und endlich erinnerte ich mich an sie. Namen waren für mich einfacher zu merken als Gesichter. Garantiert war sie schon bei jeder dieser Cocktailpartys gewesen und garantiert hatten wir jedes Mal miteinander geredet, aber an diese Male erinnerte ich mich nicht. Die einzige Erinnerung, die ich mit ihr verband, war der Anblick von ihr in einem Jeansrock, den ihr Begleiter schon fast ausgezogen hatte, bevor sie Marcs Zimmer überhaupt verlassen hatten.

Wie gerne ich diese Nacht vergessen würde. Auslöschen. Die Zeit zurückdrehen und mein Vergangenheits-Ich davon abhalten, mit Sarah mitzugehen. Vielleicht hätte ich mein Leben genießen können.

Definiere LiebeWhere stories live. Discover now