Zwanzig

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Am nächsten Morgen wurde ich vom Klingeln des Telefons geweckt. Ich warf einen Blick zu Marc, der noch zu schlafen schien, und stand auf. Mit leisen Schritten ging ich in Richtung Wohnzimmer und lehnte mich gegen die kühle Wand, weil gerade stehen einfach zu ermüdend gewesen wäre.

„Hallo?", murmelte ich und rieb mir die Augen.

„Hey, Betty", ertönte ihre Stimme und mich überkam der Drang, meine Haare zu richten, obwohl sie mich eigentlich gar nicht sehen konnte. Sei' nicht so peinlich.

Ich hatte Lucie lange nicht gesehen oder überhaupt mit ihr gesprochen. Nicht, seit ich bei ihr gewesen war, nur um Tara dort zu treffen, um genau zu sein. Alles andere als selten hatte ich an sie gedacht, ich war so oft davor gewesen, sie anzurufen, aber ich war jedes Mal zu feig gewesen. Ich hatte sie vermisst, aber mir war nicht bewusst gewesen, wie sehr. Bis jetzt.

„Morgen. Hab' ich dich geweckt? Tut mir leid."

Ich stellte mir vor, wie sie mit einer ihrer schrägen Tassen auf dem Sofa saß und sich darüber freute, wie sonnig es heute war. Ich stellte mir die Kerzen vor, die auf dem kleinen Tisch standen und vor sich herbrannten. Das Bild brachte mich zum Lächeln, bis ich mir vorstellte, dass Tara neben ihr saß und aus einer noch schrägeren Tasse trank. Mir wurde schlecht und dann wurde mir noch schlechter, weil ich nicht wollte, dass der Gedanke an Tara mir Bauchschmerzen bereitete. Sie konnte nichts dafür, dass ich ein Feigling war. „Betty?", hakte Lu nach. „Schläfst du gleich wieder ein?"

„Nein, alles gut. Ich bin eh schon länger wach", sagte ich und hielt ein Gähnen zurück.

„Gut. Ich wollt' fragen, ob du heute zu tun hast." Ich warf einen Blick auf den Kalender. Nicht, um zu sehen, ob ich Pläne hatte, denn die hatte ich so gut wie nie, sondern um herauszufinden, ob Marc heute Zuhause sein würde.

13:00 Jefferson. Das klang nach einem Meeting, daher wog ich mich in Sicherheit. Und wenn Marc mitbekommen sollte, dass ich weg war, würde ich einfach sagen, dass ich neue Schwämme brauchte oder etwas in die Richtung. Gegen Sauberkeit hatte er nie etwas. „Kannst du um halb zwei?", fragte ich also.

„Klar. Am See? Das ist irgendwie...das ist halt unser Ding." Ich mochte es, dass ich ein unser Ding mit Lucie hatte. Das hörte sich besonders an, fand ich. Es fühlte sich an, als wäre ich besonders, wenn sie es sagte.

„Der See klingt gut", stimmte ich zu.

„Ich freu' mich", sagte sie. „Wir sehen uns bald, Betty."

„Ich mich auch." Solange wir nicht wieder ins Wasser gehen zumindest. „Bis dann", verabschiedete ich mich. Sie legte auf, was die Wärme, die sich in mir ausgebreitet hatte, etwas dämmte.

Ich sah vom hellen Teppich auf, als ich hörte, wie sich die Schlafzimmertür öffnete. Marc sah mich kurz an und sprach erst nach einigen Sekunden. „Hast du telefoniert?", fragte er, statt mir einen guten Morgen zu wünschen.

„Hat sich nur verwählt", tat ich es ab, weil es mehr als nur dumm gewesen wäre, Lucie zu erwähnen, im Anbetracht dessen, was alles schon geschehen war.

„Ah ja." Er setzte sich auf die Couch. „Gibt's bald Frühstück? Ich verhungere."

„Bin noch nicht dazu gekommen", erklärte ich. „Worauf hast du Lust?"

„Irgendwas mit Speck."

„Gib' mir ein paar Minuten. Du kannst derweil ja...Zeitung lesen", schlug ich vor.

„Klar. Die People finde ich total spannend." Er betonte die einzelnen Silben in ‚total', weshalb ich davon ausging, dass er sich damit über ein Teenagermädchen lustig machen wollte. Ich konnte sein Augenrollen fast vor meinem inneren Auge sehen und versuchte zu ignorieren, wie sehr ich ihm eine runterhauen wollte. Das würde weder ihm noch mir irgendetwas bringen.

Definiere LiebeWhere stories live. Discover now