Vierunddreißig

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Vereinzelt fielen dicke Schneeflocken vom Himmel, was Marc grinsen ließ wie ein Baby. Schnee hatte er immer schon gemocht. Fast genauso sehr wie die karamellisierten Äpfel, die an unzähligen Ständen überall im Park verkauft wurden. Aber nur fast. Gerade kaute er auf seinem letzten Bissen rum und sah sich nach einer freien Bank um. Zu lang stehen machte ihn müde, sagte er.

Judy passte heute auf Michael auf, damit wir zwei alleine sein konnten, aber sie hatte mir versprochen, mir stündliche Updates zu schicken. Wenn ich ehrlich war, war ich nicht sicher, wie gut er bei ihr aufgehoben war, so mental instabil, wie sie im Moment war. Aber das sagte ich nicht laut, nicht zu Marc, nicht zu irgendwem. Sie war immerhin selbst Mutter, die einen Sohn großgezogen hatte, und sie liebte Michael. Ich erinnerte mich immer wieder daran, dass meine Sorge grundlos war. Judy konnte das. Alles war okay. Michael war bei ihr mehr als gut aufgehoben.

„El." Marc winkte vor meinem Gesicht herum. „Hast du mir zugehört?"

„Was...? Ähm, nein. Sorry."

Er seufzte leise. „Ich hab' gefragt ob wir uns da hinten was zu essen holen wollen." Er nickte zu einem kleinen Restaurant, dessen Namensschild in einem hellem rot leuchtete.

Donatello's.

„Die haben hier letztes Jahr ne neue Filiale aufgemacht. Die Alte musste wegen Ratten oder geschlossen werden", erklärte Marc und hielt mir die Hand hin. „Also? Hast du Lust? Hab' grad voll Hunger."

„Wenn du willst." Ich nickte, woraufhin er mich zur Türe zog. Als er sie aufmachte, schlug mir der Geruch von Pizza und Knoblauch ins Gesicht. Mein Kopf schmerzte, wenn ich an die Abende mit Mom dachte, die ich im alten Gebäude verbracht hatte.

Ist jetzt egal. Denk' einfach nicht dran. Sie kommt eh nie wieder.

Marc suchte uns einen Platz am Fenster aus, von dem man die Hälfte des Parks sehen konnte, und bestellte zwei Gläser Wasser.

„Ich bin echt froh, dass du gekommen bist. Hab' ich das schon gesagt?"

„Ja, hast du."

„Ist egal. Du kannst es nicht oft genug hören." Er griff lächelnd nach meiner Hand und streichelte mit dem Daumen über meinen Handrücken.

„Das ist lieb", nuschelte ich.

„Ja, findest du?" Er fuhr sich durchs Haar und sah auf, als sich eine Frau unserem Tisch näherte.

„Zweimal Wasser. Wissen Sie schon, was Sie zu- Betty?"

Ich hob den Kopf. „Annabelle. Hey."

Nachdem wir fertig gegessen hatten, beendete Annabelle ihre Schicht, um sich mit uns nach draußen zu setzen. Es war mittlerweile dunkel und somit viel dunkler als vorhin.

„Also...Betty. Man hat sich richtig lang nicht mehr gesehen, hm?" Seit unserem Abschluss.

„Ja. Ist ne Weile her", stimmte ich ihr zu.

„Du bist Marc, richtig?" Er nickte leicht. Die beiden hatten sich ein einziges Mal gesehen, als ich ihn zu einer von Annabelles Partys mitgenommen hatte. „Nett dich mal wieder zu sehen."

„Wie geht's Alex?", fragte ich. Zum Zeitpunkt unseres Abschlussballs waren die beiden noch zusammen gewesen und irgendwann hatte sie auf Facebook was über ihre Verlobung gepostet. „Tut mir leid, dass ich nicht bei der Hochzeit war", fügte ich hinzu.

„Ist irrelevant."

„Also habt ihr euch getrennt", funkte Marc dazwischen.

Annabelle seufzte leise und spielte mit einer Strähne ihres hellen Haars. „Wir waren ewig verlobt, vier Jahre oder so. Und zwei Wochen vor der Hochzeit ist er ausgezogen. Meinte, dass er in seinem Leben mehr erreichen will als nur seine Highschool-Freundin zu heiraten..." Ihr Blick wanderte über die Menschenmenge, bevor sie wieder mich ansah und weitersprach: „Ich glaub', er wohnt irgendwo in Kalifornien oder so. Hat sich ewig nicht gemeldet und eigentlich will ich auch nichts von ihm hören."

Definiere LiebeWhere stories live. Discover now