Dreiunddreißig

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Marc war immer noch still. Aber es war mittlerweile keine wütende, kalte Art von Stille mehr. Es war eine Leere. Er kam nach Hause und ging sofort ins Bett. An den Wochenenden verließ er das Schlafzimmer nicht einmal, ich brachte ihm seine Mahlzeiten und die Tageszeitung. Er brauchte einfach Zeit. Zeit, bis er wusste, was mit seinem Dad passieren würde.

Sein Chef gab ihm aus welchem Grund auch immer keinen Urlaub, um nach Columbus zu fliegen, und so war er hier gefangen und auf die Anrufe seiner Mutter angewiesen. Ich konnte sehen, wie sehr es ihm zusetzte, und eigentlich wollte ich auch mehr tun. Einfach irgendwas. Ich wusste bloß nicht mehr, wie. Marc war mittlerweile fast wie ein Fremder für mich, oder höchstens ein flüchtiger Bekannter, mit dem jede Interaktion irgendwie unangenehm und steif war.

Ich war allein Zuhause, zumindest fühlte es sich so an. Marc lag stumm auf der Couch und ließ im Hintergrund eine Aufnahme des ersten Seahawks-Spiels laufen. Michael war bei seiner Nanny.

Das Telefon riss mich aus meinen Gedanken.

„Gehst du ran?", murmelte Marc. Ich hob den Hörer ab, am anderen Ende war es stumm.

„Hallo?"

„Elizabeth." Ihre Stimme brach schon, als sie meinen Namen sagte.

„Judy?"

Marcs Stimme ertönte aus dem Eck, leise und stumpf: „Richt' schöne Grüße aus oder so."
„Schöne Grüße von Ma..." Sie schluchzte laut. „Shhh. Einmal tief durchatmen", versuchte ich, sie zu beruhigen. „Sieben Sekunden lang einatmen, okay?" Sie atmete ein. „Atem anhalten. Acht Sekunden lang." Die Stille wurde durch ein leises Piepsen an ihrem Ende unterbrochen. „Wo bist du, Judy?", fragte ich. Hätte ich vermutlich als allererstes tun sollen.

„Mount Carmel."

„Bei Tom?"

„Ja." Es war nicht mehr als ein Flüstern.

„Wie geht es ihm?"

„Sie- er- sie glauben nicht, dass er wieder aufwacht." Ich musste schlucken. „Sie haben mich gebeten, über Organspende nachzudenken."

Ich suchte nach Worten und fand keine. Schweigen war ganz sicherlich nicht das, was Judy gerade brauchte. Aber etwas Besseres hatte ich gerade nicht anzubieten, so leid mir das auch tat.

„Möchtest du mit Marc reden?", schlug ich schließlich vor. Ein Blick zur Couch verriet mir, dass der mittlerweile schlief.

„Nein. Ich...ich glaube, das kann ich ihm nicht sagen."

„Ich kann versuchen, es ihm beizubringen. Wenn das für dich besser ist." Der Gedanke daran verursachte einen kalten Schauer über meinen Rücken. Marc schlechte Nachrichten zu überbringen war nie eine gute Sache. Denn obwohl ich ja absolut nichts dafür konnte, was gerade mit seinem Vater passierte, war ich mir sicher, er würde einen Weg finden, mich zur Schuldigen zu machen.

„Das würdest du machen?", murmelte Judy. Ich hatte fast vergessen, dass sie noch dran war.

„Natürlich."

„Danke."

„Ich sag' ihm, er soll dich dann anrufen, okay?"

„Okay."

„Okay."

Ich wollte mich schon verabschieden und auflegen, da sagte sie: „Letztes Jahr, da-" Sie verstummte und seufzte leise. „Nein, ist egal. Auf Wiederhören."

Ich war versucht, nachzufragen, aber ich tat es nicht. Stattdessen bat ich sie: „Versuch' ein bisschen zu schlafen." Ein Blick auf die Uhr ließ mich wissen, dass es bei ihr schon fast elf Uhr war.

Definiere LiebeTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang