Dreizehn

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Ich war allein. Alles war gut, er war nicht da, er konnte mir nichts tun, ich war allein. Ganz allein. Ich war all- nein, jetzt war ich es nicht mehr. Marc war da. Die Schlafzimmertür ging auf, ich hörte seine leisen Schritte auf dem Parkett.

Nein, nein, nein, geh wieder nach Bellevue. Dann sind wir beide glücklicher. Wir Drei – nein, Vier.

„Schläfst du schon?", flüsterte er mir durch die Dunkelheit zu.

„Nein." Ich wünschte mir im selben Moment, einfach nicht geantwortet zu haben. Denn sobald sein Geruch in meiner Nase brannte, fing ich an, ihn mir wegzuwünschen.

Marc setzte sich auf seine Betthälfte, die Linke, und legte die Hand auf meinen Oberschenkel. Auch durch den dicken Stoff der Decke brachte seine Berührung mich zum Schaudern.

„Ich hab' dir was mitgebracht", flüsterte er. Ich sah ihn nicht an, konnte sein Grinsen aber trotzdem hören. Dass er so glücklich klang, machte mich misstrauisch. Ich setzte mich auf und schob Marcs Hand vorsichtig weg, woraufhin er das Gesicht verzog. „Willst du's gar nicht sehen?"

„Marc, ich..."

„Shhhhh." Er legte seinen Finger auf meine Lippen. „Sei' kurz leise. Lass' mich ausreden, sonst wird das doch nie was."

„Okay." Ich war klüger, als jetzt schon wieder einen Streit anzufangen. Er hatte mir heute schon genug blaue Flecken verpasst, er hatte mich genug zum Weinen gebracht.

„Okay." Er lächelte, viel zu warm und viel zu süß, und dass er sich so nett gab, tat weh. In mir zog sich alles zusammen, als würde Karamell meine Organe verkleben. „Hier", raunte er mir ins Ohr und legte mir eine Box in die Hand. „Ich hoffe, du magst es."

Mich glitzerte ein Armband an, das ich am liebsten zerreißen wollte. Natürlich tat ich das nicht. Stattdessen legte ich es an und murmelte ein ‚Danke' in Marcs Richtung. Er wirkte zufrieden und küsste meine Wange.

„Schlaf' jetzt", forderte er mich auf, streifte sich das Oberteil über seinen Kopf und entledigte sich seiner Hose. Als er sich neben mir einrollte und den Arm um meine Hüfte legte, wurde mir warm und gleichzeitig so unglaublich kalt.

Marc überhäufte mich fast schon mit Geschenken.

Ein Kettchen hier, ein Ring da, ein Strauß Rosen da. Ich mochte keine Rosen, vor allem keine roten. Aber ich bedankte mich. Ich nahm jedes Armband, jedes Paar Schuhe, jeden Lippenstift an.

Ich wusste, welches Spiel er spielte und ich wusste, was er sich erhoffte, und ich spielte mit und ich tat so, als würde sein Plan aufgehen. Weil es einfacher war als ich zu widersprechen, weil es mir leichter fiel als stark sein. Weil ich der Meinung war, dass ich sowieso keinen Ausweg hatte, und weil ich Angst davor hatte, was passieren würde, wenn ich nicht mitspielte. Also zog ich mein Kostüm mit und ich machte mit bei seinem Theaterstück.

Er saß auf der Couch und sah ohne Ausdruck im Gesicht auf den Fernseher. Nebenbei trank er aus einem kleinen Glas Kakaomilch.

Kakaomilch?

Er trank Kakaomilch?

„Uhm, hey", sagte ich leise und Marc sah zu mir auf.

„Hi. Setz' dich doch", forderte er mich auf. Ich nickte leicht und nahm neben ihm Platz. Ich roch keine Fahne, und nicht mal beim Auftragen seines Parfüms hatte er übertrieben.

Da war sie wieder. Diese Stimme, die mir sagte, dass er sich ändern könnte. Und dann war da mein Herz, das ihr glauben wollte und es nicht tat, und dann war da mein Kopf, der wusste, dass er ihr nicht glauben sollte.

Definiere LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt