Fünfzehn

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„Guten Abend, Elizabeth", begrüßte Marc mich am anderen Ende der Leitung. Es klang steril, als wäre ich seine Assistentin oder ein Businesspartner, nicht seine Frau. Zwischen uns war alles irgendwie kühl, steif, irgendwie unecht. Alles war so schwierig, dabei war es einmal so leicht gewesen.

„Hey. Wie ist New Jersey?" Ich klemmte mir das Telefon unters Kinn und wusch mir die Hände, nachdem ich den letzten Teller in den Schrank stellte. Kurz herrschte Stille, dann erklang wieder Marcs Stimme.

„Echt super", antwortete er kurz angebunden.

„Das freut mich. Du kommst übermorgen, oder?" Ich freute mich nicht auf übermorgen, nicht im Geringsten. Ohne ihn war es schön, es war ruhig, es war fast schon friedlich. Ohne ihn war ich glücklich, ich war zufrieden.

„Eigentlich brauchen sie mich gar nicht mehr so lange." Dabei bist du doch so unglaublich wichtig, meldete sich die aufmüpfige Stimme in meinem Kopf zu Wort, aber ich befahl ihr, die Klappe zu halten.

„Oh. Und das heißt...?", wartete ich auf mehr Details.

„Ich komme wohl früher heim. Toll, hm?" Nein, nicht wirklich.

„Also sehen wir uns schon morgen?", hakte ich nach und sah mich im Wohnzimmer um. Ob es sauber genug war? Oder würde er etwas auszusetzen haben?

Auf meine Frage ging Marc nicht ein. „Machst du mir die Tür auf, Schatz?", fragte er stattdessen und mein Herz setzte aus.

Nein.

Bitte nicht.

„Was? Bist du-" Er legte auf, ohne mich überhaupt ausreden zu lassen. Mir wurde schlecht, so schlecht, dass ich mich übergeben wollte. War er wirklich...? Bitte nicht. Es klingelte an der Tür und ich atmete leise aus, befahl mir selbst, mich zu beruhigen. Er war doch gut, in letzter Zeit. Er war gut. Wir waren gut. Alles war gut, ich brauchte keine Angst zu haben. Zwar war es ohne ihn besser gewesen, aber mit ihm war es doch auch gut, redete ich mir ein. Und doch wurde mein Brustkorb mit jedem Schritt, den ich zur Tür machte, enger.

Marc stand vor mir, mit einem viel zu breiten Lächeln auf den Lippen und einem viel zu pompösen Blumenstrauß in der Hand. Diesen drückte er mir in die Arme und ich murmelte einen Dank.

„Na? Ich störe doch bei nichts, oder?" Er musterte mich knapp und bedeutete mir, einen Schritt zur Seite zu gehen.

„Wobei solltest du schon stören?", fragte ich und biss mir auf die Lippe. Er ließ seine Reisetasche auf dem Boden liegen und sah sich um. Ich erwartete einen abfälligen Kommentar, aber der blieb aus.

„Ach. Keine Ahnung, hätte ja sein können, dass du...Besuch hast.", sagte er mit einem Schulterzucken, setzte sich auf die Couch und blickte mich stumm an. „Whiskey", forderte er und ohne einen Laut zu machen ging ich in die Küche. Die Blumen stellte ich in Wasser, sein Glas füllte ich bis zur Hälfte und stellte es ihm hin.

Er trank es in einem Zug aus, wischte sich einige Tropfen von den Lippen und sah mich stumm an. „Bring' mir einfach gleich die Flasche. Ist praktischer."

Ich stand auf, weil ich es nicht für sinnvoll hielt, ihm zu widersprechen, und beobachtete ihn dabei, wie er noch ein Glas leerte.

„Ich dachte, du trinkst nicht mehr", sagte ich leise. Gleichzeitig wusste ich, dass es dumm gewesen war, daran tatsächlich zu glauben. Er hatte es noch nie wirklich eingehalten, kein einziges Mal, dabei hatte er es schon so oft versprochen.

„Und ich dachte, du bist keine verfickte Lesbe." Mein Herzschlag blieb aus. Er hatte doch wohl nicht...? Wusste er-

Atmen. Einfach atmen.

Definiere LiebeWhere stories live. Discover now