Forelsket

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„Wie geht es dir heute, Max?"
Wortlos gebe ich Dr. Cooke mein rauchblaues und mein ultramarinblaues Novemberbuch. Er schaut etwas verwirrt, nimmt sie jedoch beide entgegen. Ich sitze auf seinem braunen Chesterfieldsofa und lächele vor mich hin.
„Mir geht es sehr gut, Dr. Cooke", sage ich. Ich bin später noch mit Henry verabredet und die Kolibris in meinem Magen überschlagen sich bereits bei dem Gedanken an ihn.

Dr. Cooke liest still für sich, zunächst in dem rauchblauen Buch und dann in dem Ultramarinblauen. Glücklicherweise ist jetzt schon Dezember, doch in meinem weinroten Notizbuch steht noch nicht besonders viel. Ich habe Henry seit zwei Tagen nicht gesehen. Er hatte einiges zu tun in Galerien, die seine Kunstwerke verkaufen und ich bin meinem üblichen Tagesablauf nachgegangen.

Jennifer ist noch immer misstrauisch gegenüber Henry, freut sich jedoch jeden Nachmittag, wenn ich bei meinem Besuch bei ihr von ihm erzähle. Denn auch, wenn wir uns nicht sehen konnten, so denke ich doch ständig an ihn und er offenbar auch an mich. Morgens bekomme ich eine liebe Nachricht von ihm, ob ich gut geschlafen habe und abends wünscht er mir eine gute Nacht.

„Du strahlst richtig, dafür gibt es auch ein Wort, Max", erklärt Dr. Cooke und reißt mich aus meinen Gedanken. Fragend sehe ich ihn an. Sonst lerne ich immer nur neue Worte von Henry.
„Forelsket. Das ist norwegisch für die Euphorie, die man empfindet, wenn man sich verliebt."
Verblüfft sehe ich meinen Therapeuten an. Ich bin verliebt?

„Dieser Henry scheint dir sehr gut zu tun, Max", erklärt Dr. Cooke. Ich nicke, denn das denke ich auch. Immer wenn Henry in meiner Nähe ist, bin ich sehr entspannt.
„Meinst du, du könntest ihn mir einmal vorstellen?"
Ich sehe ihn verwundert an.
„Ich frage ihn gern", schlage ich vor und Dr. Cooke nickt.

Nach unserer Sitzung mache ich mich auf den Weg zu Henrys Atelier. Er hat mir nach meinem letzten Besuch die Treppe gezeigt und ich benutze diese nun weitaus lieber als den klapprigen Fahrstuhl.
Schon zwei Etagen bevor ich oben ankomme, dröhnt mir laute Weihnachtsmusik entgegen und im Atelier muss ich mir fast die Ohren zuhalten.

Henry steht mit zwei Pinseln vor einer Leinwand, nur in einer schwarzen Boxershorts bekleidet und singt aus vollem Halse zu ‚Wonderful Christmastime' von Paul McCartney mit. Ich bleibe an den Türrahmen gelehnt stehen und beobachte ihn lächelnd. Vollkommen unbeschwert singt und tanzt er vor sich hin, während er ab und zu einen Pinselstrich auf die Leinwand macht.

Als er mich erblickt, grinst er breit und verlegen und winkt mir zu. Mit einem Druck auf die Fernbedienung, die zwischen seinen Farben auf einem kleinen weißen Beistelltisch neben ihm liegt, wird die Musik zu einem Hintergrundgeräusch.
„Du bist schon da", sagt er strahlend und hängt ein großes Tuch über die Staffelei, an der er eben noch gearbeitet hat.
„Ja, ich hatte nicht viel zu sagen", erkläre ich.

Henry kommt mit langen Schritten auf mich zu und legt seine Hände in meinen Nacken.
„Ist dir etwa nicht genug passiert seit deiner letzten Sitzung bei ihm?", kichert er und gibt mir einen zärtlichen Schmatzer.
„Oh, doch", murmele ich und halte meine Hände zögerlich hinter meinem Rücken. Henry trägt nur seine schwarze Boxershorts und ich bin nicht sicher, ob er es mag, wenn ich ihn so umarme.
„Ist alles okay, Maxwell?", fragt er mich und blickt mir tief in die Augen. Ich lächele verlegen und nicke.
„Aber?"
„Du hast nicht viel an."
„Soll ich mir was anziehen?", fragt Henry besorgt und macht einen Schritt zurück.
„Nein!", sage ich schnell. „Nur.. ich wusste nicht, ob es dir recht ist, wenn ich dich so berühre."

Henry seufzt und kommt langsam wieder näher. Er zieht eine meiner Hände hinter meinem Rücken hervor und legt sie vorsichtig auf seine Hüfte.
„Du darfst mich jederzeit berühren, Maxwell",
murmelt er und legt seine Hand wieder in meinen Nacken.
Die Kolibris in mir fliegen wieder allesamt nach oben und lösen wieder diese warme Welle aus, die sofort in meinen Schritt wandert.

Seit meinem letzten Besuch habe ich das, was Henry mir gezeigt hat, jeden Abend in meinem Bett wiederholt. Immer waren meine Gedanken dabei bei ihm und immer war es unglaublich. Doch das ändert nichts daran, dass ich auch jetzt sofort wieder hart werde. Henry drückt sich an mich und saugt meine Unterlippe in seinen Mund. Das Gefühl in meinem Schritt intensiviert sich und ich seufze leise, während meine Hand sich in seine Hüfte krallt.

Henrys Zunge gleitet heiß und feucht in meinen Mund und ich lege meine andere Hand an seine Wange. Mein Herzschlag beschleunigt sich und ich bekomme kaum noch Luft. Atemlos lehnt Henry seine Stirn an meine und flüstert: „Oh Gott, vielleicht ziehe ich mir doch etwas an."
Verwundert blicke ich an ihm nach unten und sehe die Beule in seiner Boxershorts. Oh! War ich das?
Verlegen beiße ich mir auf die Unterlippe.

Ich weiß, ich muss keine Scheu vor ihm haben und ich weiß auch, dass Henry Ehrlichkeit schätzt, aber ich bin so unerfahren darin, meine Gefühle offen zu äußern, so dass ich nicht weiß, ob ich alles richtig mache.
„Henry, ich..", stammele ich und er sieht mich fragend an.
„Was, Maxwell?"
Ich ringe nach Worten, doch ich weiß nicht, wie ich das, was ich gern tun würde, richtig formulieren soll.
„Ich würde gern.."
Henry hebt eine Augenbraue und schaut mich mit seinen dunklen Augen an.
„Ja?"
„Ich weiß nicht wie.. und.." Ich bin nur ein stammelndes Etwas und mein Kopf ist ganz heiß.

Henry legt seine Hand liebevoll an meine Wange und fragt: „Hast du das vom letzten Mal zu Hause auch gemacht?"
Ich kneife meine Augen zusammen und nicke stumm.
„Und? War es gut?"
„N-nicht so gut wie hier."
„Warum nicht?"
„Du warst nicht da", antworte ich ehrlich. Henry schnappt hörbar nach Luft und seine Hand streicht sanft über meinen Hals.
„Hast du dabei an mich gedacht?", fragt er mich heiser. Ich nicke, meine Augen sind immer noch geschlossen und ich schwelge in dem Gefühl seiner Hand an meinem Hals.
„Und was hast du gedacht?"

Entsetzt reiße ich die Augen auf, doch Henrys Gesicht ist ganz dicht vor meinem, sein Mund fast auf meinen Lippen.
„Ich habe daran gedacht, dich anzufassen", wispere ich. Er schließt langsam seine Augen und stöhnt leise. Seine Unterlippe verschwindet zwischen seinen Zähnen und ich starre gebannt darauf.
„Darf ich?", flüstere ich und die Kolibris schlagen Salti in meinem Bauch, als Henry nickt.
„Zeigst du mir wie?", frage ich schüchtern.
Als seine Augen sich öffnen, sind sie fast schwarz, weil seine Pupillen so stark geweitet sind.
„Oh Gott, Maxwell", keucht er und reibt seine Hüfte an meinem Oberschenkel. Seine Lippen streifen sanft über meine, als er flüstert: „Davon habe ich die ganze Zeit geträumt."

Wortliebe | ✓Where stories live. Discover now