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Juli ist sonnengelb. Fast alles ist sonnengelb. Sogar das Badehandtuch, auf dem ich gerade liege, ist sonnengelb. Meine Badehose, die ich trage, ist dunkelblau. Der Sand, auf dem mein Handtuch ausgebreitet habe, ist fast weiß. Der Himmel über mir ist blau. Himmelblau eben. Ohne eine einzige weiße, wattige Wolke.

Henry, mein hübscher Freund mit seiner honiggoldenen, gebräunten Haut, in seiner weinroten Badehose, beugt sich über mich und klare, kühle Tropfen fallen aus seinem dunklen Haar auf meinen Oberkörper und mein Gesicht.
„Hey, willst du nur hier herumliegen?" fragt er mich lächelnd und lässt sich neben mir in den Sand fallen.
„Ich habe Muskelkater," erkläre ich, wohlwissend, dass ich mit dieser Aussage eventuell etwas übertreibe.
„Es waren acht Kilometer, Maxwell," lacht Henry.
„Mit Bergen," füge ich hinzu. „Und es war heiß."
„Dafür hat es dir gefallen durch die kleinen Gassen zu gehen."

Henry und ich sind seit etwas mehr als einer Woche in Andalusien. Das liegt in Spanien. Man fliegt sehr lange von New York nach Spanien. Es hat einige weitere Kurztrips mit dem Flugzeug und viele Gespräche mit Dr. Cooke gebraucht, bis ich dazu bereit war, so eine Höllenmaschine auch für so eine lange Zeit zu besteigen.
Dafür habe ich in den vergangenen Tagen auf unseren Ausflügen in die Umgebung einige pueblos blancos - weiße Dörfer - mit Henry besichtigen können und allein dafür hat sich unsere Reise gelohnt. Die winzigen Gassen zwischen den weißen Häusern. Unzählige Orangenbäume, bunt und üppig bepflanzte Innenhöfe. Hinter jeder Ecke wartete ein neuer Eindruck.

Gestern wurde unser Ausflug unfreiwillig zu einer Wanderung auf einen Berg, da wir das Castillo del Castellar, eine alte Burg in deren Innenhof sich ebenfalls eine Art weißes Dorf befindet, besuchen wollten. Leider gibt es oben auf dem Berg genau zwei Parkplätze und beide waren belegt, sodass wir den Berg mit seinen schmalen Serpentinenstraßen wieder hinunterfahren und unten parken mussten.

„Vielleicht gehen wir dann heute früher ins Bett," haucht Henry an meinem Ohr und sofort überkommt mich eine Gänsehaut. Seine Hand streicht über meinen Arm und ich blicke ihn direkt an.
„Wir können auch jetzt ins Bett gehen," flüstere ich und beobachte amüsiert, wie Henry nach Luft schnappt und die goldenen Flecken in seinen hübschen braunen Augen dunkler werden.

Vieles hat sich für mich verändert, seit ich Henry kenne. Am meisten habe ich selbst mich verändert. Ich mag noch immer Ordnung und Kontrolle. Ich mag es noch immer nicht, wenn fremde Menschen mich berühren oder gar ansprechen. Ich trinke meinen Kaffee noch immer mit einer Tüte Zucker, keine Zuckerstücke.

Wenn Henry in meiner Nähe ist, bin ich entspannter. Er schafft es, mich auch ohne Worte zu beruhigen. Eine Berührung von ihm reicht aus, mich aus meinem Gedankenkarussell und zurück in die Gegenwart zu holen.
Genauso kann aber eine Berührung von ihm mich in den süßesten Zustand der Unruhe versetzen. So sehr mich diese innere Unruhe anfangs auch erschreckt und verunsichert hat, umso mehr genieße ich sie nun in vollen Zügen.
Ich verlasse mich instinktiv auf Henry und auf mein Gefühl und habe es bislang sogar schon das ein oder andere Mal geschafft, auch Henry zu überraschen. So wie jetzt.

„Wir sind doch erst vor drei Stunden aufgestanden," antwortet Henry heiser, seine Augen fixieren meine Lippen.
„Ich finde, drei Stunden sind eine sehr lange Zeit," erwidere ich verführerisch und male mit meiner Fingerspitze eine Linie zwischen den einzelnen Wassertropfen auf seinem Oberkörper. Die Tropfen sind kühl, doch Henrys Haut darunter ist weich und warm.

„Du hast Recht," murmelt er und steht langsam auf. Der weiße Sand klebt an seiner weinroten Badehose und ich erkenne in seinem Schritt, dass meine Worte ihn ebenfalls in diese süße Unruhe versetzt haben.

Glücklicherweise befindet sich unser Hotel in unmittelbarer Nähe zum Strand und so sind wir schon innerhalb von zehn Minuten zurück in unserem kleinen Doppelzimmer. Kaum, dass sich die Tür hinter uns schließt, presse ich Henry mit dem Rücken dagegen und küsse ihn leidenschaftlich.

Wortliebe | ✓Where stories live. Discover now