Fellatio

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Die Fliesen des Hotelbadezimmerfußbodens sind glatt und warm. Ich liege, nur in meiner dunkelblauen Boxershorts da und denke wieder daran, dass ich zu Hause auch eine Fußbodenheizung brauche.
Henry liegt mir gegenüber. Ich habe ihm seine schwarze Boxershorts angezogen, auch, wenn sich das als äußerst schwierig erwies, weil er sich nicht bewegen wollte.

Nun liegt er da, seine braunen Augen starren ins Leere, die goldenen Flecken sind nicht zu erkennen. Er hat kein Wort mit mir gesprochen, seit ich ihn unter der Dusche vorgefunden habe und ich bin zutiefst beunruhigt.

Zunächst wollte er gar nicht aufstehen. Er hat ununterbrochen geschluchzt und ich hatte schon Angst, dass ich ihn überhaupt nicht beruhigen kann. Immer wieder habe ich ihn gefragt, ob etwas passiert ist, was ich getan habe, wie ich ihm helfen kann. Doch er hat mir nicht geantwortet. Er hat mich nicht mal angesehen und ich bin nicht sicher, ob er mich überhaupt wahrgenommen hat.

Auf einmal wurde mir klar, wie es Jennifer wohl immer mit mir ging, wenn sie mich so vorgefunden hat und ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Ich wollte nie, dass sie wegen mir leidet, aber wenn es ihr so ging, wie es mir gerade mit Henry geht - vollkommen hilflos und nicht im Stande irgendetwas zu tun - schulde ich ihr mehr als nur ein einfaches ‚Es tut mir leid'.

Schließlich habe ich ihn einfach gepackt und aus der Dusche gezogen und das Einzige getan, was mir selbst in so einer Situation immer hilft. Ich habe ihn auf die warmen Fliesen gelegt, nachdem ich ihm seine schwarze Boxershorts angezogen hatte. Irgendwann ließ sein Schluchzen nach und seitdem liegt er nur da und starrt katatonisch vor sich hin.

Ich halte seine Hand und überlege verzweifelt, wie ich zu ihm durchdringen könnte.
„Heute früh, als du noch geschlafen hast, fiel mir ein schönes Wort ein", plappere ich los. Ich plappere sonst nicht. Ich habe noch nie geplappert, aber ich hoffe, dass er mich so vielleicht wahrnimmt. Sein Plappern hilft mir immer.
„Die Sonnenstrahlen fielen so durch die Wolken und ich dachte an Komorebi. Kennst du das? Das ist das japanische Wort für Sonnenlicht, das durch das Blätterdach der Bäume gefiltert wird. Ich weiß, es waren Wolken und keine Bäume, aber es kam mir sofort in den Sinn und ich dachte gleich an dich und deine Liebe für schöne Worte. Kennst du das Wort schon?"

Nur Starren. Keine Antwort.
„Henry, bitte", flüstere ich mit erstickter Stimme und eine kleine Träne tropft auf die Fliese unter meinem Kopf. „Bitte rede mit mir."
Doch Henrys Augen starren nur durch mich hindurch und ein kleines Schluchzen entkommt mir.

Ich stehe auf, gehe ins Zimmer zurück und nehme mein Handy. Ich wähle die Nummer der einzigen Person, die helfen könnte.
„Max, ist alles in Ordnung?", höre ich nach dem zweiten Klingeln.
„Nein, es ist Henry", schluchze ich nun hemmungslos. „Können Sie kommen? Bitte."

Nach dem Telefonat gehe ich zurück ins Badezimmer und lege mich wieder neben den schönen Mann, der mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat. Ich greife seine schlaffe Hand und flüstere: „Es wird alles gut, Henry. Ich bleibe bei dir."

•••

Draußen dämmert es bereits, als es endlich an der Zimmertür klopft.
„Max?", höre ich. „Ich bin es, Dr. Cooke."
Ich springe auf und reiße die Tür auf. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so froh, meinen Therapeuten zu sehen. Ich führe ihn ins Badezimmer und weine leise, während Dr. Cooke ruhig mit Henry redet. Dieser reagiert noch immer nicht und ich beobachte, wie Dr. Cooke ein kleines schwarzes Päckchen aus seinem Rucksack holt und aus dem Päckchen eine Spritze. Die Nadel schiebt er in Henrys Arm. Henry zuckt nicht einmal. Ich frage mich, ob er ihm dieses Wattezeug gibt.

„Hilfst du mir, ihn ins Bett zu legen?", fragt Dr. Cooke nun an mich gewandt. Ich nicke heftig mit dem Kopf und wische mir die Tränen mit dem Handrücken ab. Gemeinsam heben wir den wehrlosen Henry hoch und tragen ihn zum Bett. Ich setze mich neben ihn und streiche unablässig über seinen Kopf und seine Hand.
„Seit wann ist er so, Max?", fragt mich Dr. Cooke, der am grauen Schreibtisch Platz nimmt, auf dem noch immer der kalte Latte Macchiato und der kalte schwarze Kaffee stehen.

„Ich.. ich weiß nicht", stammele ich, ohne den Blick von Henry abzuwenden, dessen Augen nun geschlossen sind. Er scheint eingeschlafen zu sein.
„Gestern Abend war noch alles in Ordnung und heute früh wollte er plötzlich seine Ruhe haben. Ich war allein im Park und als ich zurückkam, war er total aufgelöst."
„Hmm", macht mein Therapeut. „Er wird jetzt sicherlich die Nacht durchschlafen. Ich habe hier ebenfalls ein Zimmer, rufst du mich an, wenn er wach ist? Egal, welche Uhrzeit."
„Natürlich. Danke, Dr. Cooke", beeile ich mich zu antworten. „Wird er wieder okay?"

Dr. Cooke antwortet nur: „Es war gut, dass du mich gerufen hast, Max. Wir sprechen morgen. Du meldest dich bitte sofort."
Ich nicke und begleite ihn zur Tür.
Als er gegangen ist, putze ich mir die Zähne und lege mich neben den schlafenden Henry. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust, lausche seinem
Herzschlag und hoffe, dass es ihm bald wieder besser geht.

•••

Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn ich werde von Händen geweckt, die unablässig über meinen Körper streichen.
„Maxwell", säuselt Henry und ich schrecke hoch. Seine Finger liebkosen meine Brustwarzen und seine Lippen küssen winzige Küsse auf mein Schlüsselbein.
„Henry", sage ich, meine Stimme noch ganz belegt.
„Ich habe ein neues Wort für dich", murmelt er und seine Finger fahren unruhig über meine Erektion.
Oh Gott, das fühlt sich gut an. Aber was ist los mit ihm?

„Henry, wie geht es dir?", presse ich hervor und versuche, meinen Penis mit meinen Gedanken zu beruhigen. Leider scheint der nicht zu hören, denn Henrys weiche Hand ist nun in meiner Boxershorts und massiert ihn fest.
„Hmmm", schnurrt er. „Mir geht es gut, aber ich glaube, dir geht es gleich fantastisch."
„Ich muss Dr. Cooke anrufen", stöhne ich und meine Hüfte stößt sich ihm unwillkürlich entgegen.
„Aber erst nachdem ich dir Fellatio gezeigt habe", haucht Henry und fährt mit seiner feuchten Zunge über meine Brustwarze.

Ich habe keine Ahnung, was dieses Fel- irgendwas ist, aber ich bin überaus besorgt. Mit größter Überwindung greife ich Henrys Handgelenk und ziehe es aus meiner Boxershorts. Ich sehe ihm tief in die Augen, die goldenen Flecken funkeln mich verschmitzt an, und ich sage: „Erst müssen wir reden."

Henry schiebt schmollend die Unterlippe vor und ich starre unbändig darauf. Dann grinst er verschmitzt und flüstert: „Soll ich es dir erklären? Du stehst drauf, wenn ich rede, oder?" Seine Stimme klingt rau und verdammt heiß und ich schlucke schwer. Er hat recht, aber gerade ist mir eher danach, herauszubekommen, was mit ihm los ist oder war.

„Gleich, okay?", biete ich an und krieche umständlich aus dem Bett. Ich nehme mein Telefon und rufe meinen Therapeuten an.
„Er ist wach", sage ich und lege wieder auf. Als ich mich umdrehe, liegt Henry auf dem Bett, betrachtet mich durch hungrige Augen und streichelt sich selbst.

Wortliebe | ✓Where stories live. Discover now