Kapitel 11

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Sie war ganz überrascht. Sie würden nach all dem Schlamassel eben noch heiraten?
Das war eindeutig das Letzte, was sie erwartet hätte.
Ihr Gesicht zeigte dies wohl auch, denn er sagte: "Natürlich nicht in diesem Raum!"

Sie schaute sich um. Überall lagen Leichen, alles war rot: voller Blut, so auch er.
Eigentlich wollte sie das alles echt nicht sehen.
Auf einmal kam ihr alles einfach surreal vor. Sie wurde von einem fremden Mann ohne Grund entführt, hatte sich nicht wirklich gewehrt und sollte ihn nun heiraten?
War sie irgendwie in einen schlechten Film geraten? Jemand musste sie eindeutig mal kneifen.
Natürlich empfand sie langsam was für diesen Typen, aber auch nur, weil sie seit langer Zeit keine anderen anständigen Typen mehr gesehen hatte. 

Sie blickte auf und sah ihm direkt in die Augen. In ihnen spiegelte sich eindeutig Sorge um sie.
Und noch etwas anderes, aber er schaute so schnell wieder weg, dass sie es wieder einmal nicht identifizieren konnte.
War das Gefühl gerade Liebe gewesen? Sie war sich unsicher.
Wie könnte das bitte sein, wenn er sie erst so kurz kennt?

Als sie nicht mal versuchte zu lächeln, runzelte er die Stirn. Ohne dass sie es wollte, fand sie genau das erotisch.
Sonst kümmerte sich nie jemand um sie.
Die Striemen auf seiner Stirn verschwanden nicht.
Langsam fing sie an Gefallen an ihm zu finden. Leider. Denn sie wehrte sich immer noch gegen die Gefühle für ihn. Ob sie es jemand schaffen würde zu anderen, aber besser noch zu sich selbst aufrichtig zu sein?

Durch das viele Nachdenken starrte sie ihn aus Versehen viel zu lange an.
Dabei fiel ihr auf, wie hübsch er eigentlich war. Seine Haare, seine Haut, wenn er sich mal dazu durchrang, auch sein Lächeln. Alles an ihm war schön.
Als hätte er sie erwischt, guckte sie schnell weg, als sich ihre Blicke kreuzten.

Die Türen gingen auf und mehrere Leute kamen herein. Unter der Masse war auch wieder die russische Frau, welche nun auf sie zukam.
"Komm mit mein Mädchen, wir machen dich wieder schick.", war das Einzige was sie zu ihr sagte, bevor sie den Raum verließen.
Sie versuchte noch schnell ihren Verlobten einen hilfesuchenden Blick zuzuwerfen, doch dieser lachte sie nur aus und sagte: "Olga würde ich mein Leben anvertrauen!"
Es wunderte sie, dass keiner etwas zu dem Schlammassel gesagt hatte. War das hier etwa normal?

Sie gingen durch viele Gänge hindurch und kamen am Ende wieder in 'ihrem' Zimmer an.
Olga platzierte sie vor ihrem Schminktisch.
Als sie nun einen Blick in den Spiegel warf, blieb ihr erstmal die Luft weg.
Sie war nicht nur total blass, sondern hatte auch noch Blut auf dem Kleid, den Armen und ihrem Gesicht. Quasi überall.

"Na wollen wir mal gucken, wie wir dich wieder hübsch machen.", sagte Olga noch, bevor sie sich an die Arbeit machte.
Sie musste für ihre Hochzeit ja schließlich hübsch aussehen.

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