Kapitel 17 Das Festbankett

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Als Daenerys den stattlichen Festsaal des Roten Bergfrieds betrat, erhoben sich alle von ihren Plätzen und neigten ehrerbietig die Köpfe. Sie hatte vorab von ihren Dienern und Mägden den Gästen die Plätze zuteilen lassen. Die Tischordnung hatte sich als ein recht schwieriges Unterfangen dargestellt, da man keinem der Hochgeborenen vor den Kopf stoßen wollte und peinlichst darauf zu achten war, die Oberhäupter verfeindeter Häuser nicht nebeneinander zu setzen. Außerdem hatte sich Dany Stunden lang den Kopf zerbrochen, wer in ihrer unmittelbaren Nähe Platz nehmen sollte. Sie wollte diesmal nicht Jon und Tyrion als Tischnachbar, da sie die Gelegenheit einer zwanglosen Atmosphäre, die automatisch bei einem guten Essen bei dem viel Wein und Bier floß aufkam, nutzen wollte, um Beziehungen zu wichtigen politischen Partnern aufzubauen oder zu festigen. Letztendlich entschied sie sich, Lady Asha Graufreud als enge Verbündete an ihre Seite zu holen, sowie den neuen Prinzen von Dorne, Astax Martell, der jüngere Bruder des ermordeten Prinz Doran.

Nach der Eroberung von Königsmund und der Übernahme des Roten Bergfrieds, hatte Grauer Wurm unten in den Verließen des Gefängnisturms eine grausame Entdeckung gemacht. In einer Zelle fand er Ellaria Sand, die zuvor Prinz Doran hinterhältig gemeuchelt hatte, mit einer schweren Eisenkette an einer Mauer fixiert, sodass sie gezwungen war an die gegenüberliegende Wand zu starren. Was Grauer Wurm an dieser Wand entdeckte, ließ sogar den sonst so abgehärteten Unbefleckten vor Grauen auf keuchen. Ein halb verwester, weiblicher Leichnam, der dem Amulett nach, das von dem von Fliegen und Maden bedeckten Hals baumelte, eine der berüchtigten Sandvipern sein musste, eine Tochter Ellaria Sands. Grauer Wurm befreite Ellaria von ihren Fesseln, ihre Augenlider waren oben festgenäht sodass sie diese nicht schließen konnte, aber das bemitleidenswerte Geschöpf fiel sofort in sich zusammen und stieß ihren Kopf immer wieder auf den harten, steinigen Boden. Sie hatte vollkommen den Verstand verloren. Als Daenerys später die Exekution Ellaria Sands durch das Schwert aussprach, sie konnte die Ermordung eines ihrer engsten Verbündeten nicht ungestraft lassen, war ihr bewusst, dass der Tod eine Erlösung für die Frau sein würde. Noch immer erfasste Dany Wut und Ekel, wenn sie daran dachte was diese Frau hatte erleiden müssen und dies fachte ihre Abscheu Cersei gegenüber immer wieder an.

Nun musste sie wieder an diese üble Geschichte denken, als sie neben dem freundlich lächelndem Prinz Astax Platz nahm. Sie sah hoch, klatschte in die Hände, das Zeichen für die Dienerschaft mit dem Auftragen des Festmahls zu beginnen und dabei streifte ihr Blick kurz Tyrion, der nicht aufsah, sondern vor sich hinzubrüten schien. Neben ihm thronte, mit kerzengeradem Rücken und einem undurchdringlichen Gesicht: Lady Sansa. Daenerys hatte Tyrion neben Asha Graufreud gesetzt, da er als neuer Lord von Winterfell ein wichtiger Verbündeter der Krone war und die alten Zwistigkeiten zwischen den Eiseninseln und dem Norden endlich begraben werden sollten. Tyrions Miene hellte sich auf und er richtete das Wort an Lady Asha. Kurz darauf begann er die Herrscherin der Eiseninseln in ein Gespräch zu verwickeln, bei dem er meistens der Wortführer war und Asha Graufreud eher einsilbige Antworten gab. Daenerys hatte richtig vermutet, dass Tyrions Leidenschaft für politisches Taktieren und eloquente Gespräche ihn bald wieder zur Hochform auflaufen lassen würden.

Jon Schnee war einige Stühle von ihr entfernt platziert worden. Dany beobachtete, wie er von dem aufgetragenen Fasan ein großes Stück abschnitt und versuchte dieses unauffällig unter den Tisch zu werfen. Aber die weiße Wolfsschnauze, die sich plötzlich unter der Tischplatte zeigte, war schneller und schnappte nach dem saftigen Stück wobei eine lange Zunge über Jons Hand leckte. Er lachte auf und Dany musste an sich halten, es ihm nicht gleich zu tun. Jons Tischnachbarin, eine junge Frau mit flammend rotem Haar, stieß einen spitzen Schrei aus, legte erschrocken ihre rechte Hand auf die linke Brust und deutete mit der Linken nach dem Wolfskopf. Jon befahl Ghost sich hinzulegen und die Frau lachte erleichtert auf. Mit vor Belustigung blitzenden Augen sprach sie auf Jon ein, der eifrig nickte und zu lachen begann. Seine Nachbarin fiel in sein Lachen mit ein. Ein heißer Stich durchzuckte Danys Brust, während sie mit ansah, wie die Beiden die Köpfe zusammensteckten und sich sehr gut amüsierten. Was würde sie dafür geben, zu hören was die beiden da tuschelten.

"Eure Hoheit?", hörte sie Prinz Astax fragen, "stimmt Ihr mir in dieser Hinsicht zu?"

Dany zwang sich, sich auf ihren Tischnachbarn zu konzentrieren, er hatte wohl schon etwas länger auf sie eingeredet.

"Prinz Astax, verzeiht mir, ich war in Gedanken. Der heutige Tag hielt eine Menge Aufgaben für mich bereit und ich bin schon lange vor dem Morgengrauen aufgestanden. Was habt Ihr eben gesagt?"

Der junge Prinz lächelte und ließ seine weißen Zähne aufblitzen. "Nicht so wichtig, Eure Majestät. Es stand nicht in meiner Absicht, Euch zu langweilen. Ihr seid noch so jung und müsst eine so schwere Verantwortung auf Euren hübschen Schultern tragen. Wir werden noch genug Zeit haben, uns über Politik zu unterhalten. Der heutige Tag sollte nur dazu da sein, Euren Sieg und Eure Regentschaft zu feiern. Ihr sollt Euch amüsieren und Euch nicht mit irgendwelchen Problemen belasten. Dafür seid Ihr viel zu schön", fügte er leise hinzu.

'Er flirtet mit mir', ging es Daenerys durch den Kopf und sie betrachtete ihn genauer. Er war ein attraktiver Mann, jung, hochgewachsen, mit schwarzen dichten Locken und dunklen Augen, die Leidenschaft aber auch eine gewisse Gefährlichkeit widerspiegelten.

"Danke für Euer Kompliment. Die Martells waren immer die treuesten Verbündeten der Targaryen gewesen", meinte Dany, "und ich weiß es zu schätzen, dass Ihr meiner Einladung prompt gefolgt seid, obwohl man von Unruhen in Eurem Land hört."

"Wenn meine Königin ruft, bin ich zur Stelle", antwortete er lachend, "und mein Haus empfindet mehr als blanke Loyalität für das Drachengeschlecht, es wollte und will stets ein guter Freund sein. Vielleicht", sprach er weiter und senkte seine Stimme zu einem Flüsterton, "in der Zukunft noch mehr als das."

Dany spürte wie sie rot wurde und sah zur Seite. Natürlich, die junge Königin saß kaum auf dem Eisernen Thron und schon meldeten sich die ersten Brautwerber. Sie fing einen Blick von Jon auf, er war kalt und voller Wut. Kaum hatte er bemerkt, dass sie ihn ansah, widmete er sich ganz seiner rothaarigen Tischnachbarin und plauderte munter drauf los. Dany beförderte unauffällig die Gabel, die sie in der Hand hielt, unter die Tischplatte und stach sich damit in die Handinnenfläche. Der Schmerz, der sofort folgte, hielt sie davon ab, aufzuspringen und dieser rothaarigen Hure das hübsche Gesicht zu zerkratzen. Prinz Astax bemerkte nichts von diesem Zwischenfall und redete weiter auf Daenerys ein. Immer wieder ließ er in seinen Redeschwall durchscheinen, wie attraktiv er die junge Königin fand und wie sehr er sie bewunderte. Auf der einen Seite fühlte Dany sich geschmeichelt, auf der anderen war ihr das Gespräch unangenehm und sie hätte am liebsten den Platz verlassen. Dann bemerkte sie, wie einer der Unbefleckten den Festsaal betrat und auf sie zu eilte. In seinem Gesicht war eindeutig Bestürzung zu sehen.

Kurz bevor er sie erreicht hatte, blieb er stehen und senkte den Kopf. Daenerys befahl ihm näher zu treten und fragte: "Was gibt es? Möchtet Ihr mir etwas mitteilen?"

"Ja, Eure verehrte Hoheit. Ich habe so eben die Botschaft erhalten, dass ein Giftanschlag auf Rhaegal verübt wurde."

Daenerys sprang von ihrem Stuhl auf, dabei fiel das Rotweinglas um und die rote Flüssigkeit ergoss sich über ihr strahlend weißes Kleid. Sofort erstarb jegliches Gespräch im Saal und alle Augen ruhten auf ihr.

"Lebt er noch?", fragte sie so leise, dass es nur der Unbefleckte verstehen konnte.

"Ja!"

"Gut", flüsterte sie und ihr wilder Herzschlag beruhigte sich wieder. Über ihr Gesicht glitt wieder die Maske kalter Unnahbarkeit, aber es war bereits zu spät. Viele der Anwesenden mussten ihren innerlichen Aufruhr bemerkt haben, dass erkannte sie nur zu gut an den bohrenden und leicht schadenfrohen Blicken.

"Liebe Gäste", rief sie mit betont lässiger Stimme, "wichtige politische Geschäfte erfordern meine Anwesenheit. Es tut mir leid, aber Ihr werdet ohne mich speisen müssen. Erfreut euch an den Gaumenfreuden, die die königliche Küche zubereitet hat und nun entschuldigt mich."

Sie verließ mit dem Soldaten den Saal und überlegte kurz, ob sie Jon nicht bitten sollte ihr zu folgen, als sie in sein fragendes und besorgtes Gesicht sah, entschied sich aber dagegen, als sie den unverhohlenen spöttischen Blick in den Augen der Rothaarigen bemerkte.

Der Winter des DrachensWhere stories live. Discover now