Kapitel 19 Drachenherrscher

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Die Tage nach dem Festbankett verstrichen wie im Flug. Die ersten geladenen Gäste hatten den Roten Bergfried bereits am nächsten Tag verlassen, allerdings hatte der Prinz aus Dorne in einem Palast, der vor der Eroberung im Besitz eines reichen Kaufmanns gewesen war, in Königsmund Quartier bezogen. Prinz Astax hatte Daenerys einen immens hohen Kaufbetrag für das Anwesen angeboten, um einiges höher was der ehemalige Besitzer, dieser war beim Feuerangriff Drogons in seinen Gemächern verbrannt, bei einem Verkauf hätte erwarten können. Dany hatte Prinz Astax angelächelt und wusste nicht, ob sie sich von der horrenden Geldsumme beleidigt oder geschmeichelt fühlen sollte. Nichts desto trotz war die Staatskasse nahezu leer und sie benötigte jedes Goldstück, um die Wunden Westeros, die der Krieg geschlagen hatte, zu verschließen. Seitdem war kein Tag vergangen, an dem der junge Martell nicht im Königspalast erschien und Dany den Hof machte. Teils fühlte sie sich geehrt aber auf der anderen Seite spürte sie Widerwillen in sich aufsteigen, wenn der junge Prinz ihr Komplimente machte oder sie mit kleinen Geschenken überraschte. Er war ihr einfach zu glatt, zu höfisch. Nie konnte sie sich sicher sein, ob er es ehrlich meinte oder nur auswendig gelernte Phrasen drosch. War er an ihr als Frau oder als Königin interessiert? Wie sehr sehnte sie sich nach den Gesprächen in trauter Zweisamkeit mit Jon zurück. Mit ihm hatte sie über alles reden können, hatte sich getraut ihr Innerstes zu offenbaren und jedes seiner Worte war von Ehrlichkeit getränkt gewesen. Doch es war Tage her, seitdem sie beide das letzte Mal unter vier Augen gesprochen hatten. Nur in den Ratssitzungen redeten sie miteinander, dann aber auch nur über Politik und immer in Anwesenheit der anderen Ratsmitglieder. Auch wenn Jon es zu überspielen versuchte, bemerkte sie eine immer stärkere Gereiztheit und Betrübnis bei ihm. Einmal, als einer ihrer Diener während einer Sitzung verkündete, Prinz Astax hätte die Burg betreten und wünsche sie zu sehen, hatte Jon sich nicht länger zurückhalten können und gemeint, warum der dornische Prinz nicht gleich auf dem Roten Bergfried einziehen würde. Dany warf ihm einen überraschten Blick zu, doch Jon schaute zur Seite.

Manchmal vermisste Dany auch Tyrion, seine Weitsichtigkeit, seine scharfe Zunge, aber sie hatte ihn bereits zwei Tage nach den Feierlichkeiten auf seine Reise in den Norden geschickt. Tyrion hatte versucht seine Abreise hinaus zu zögern, doch letztendlich sich mit den Nordmännern und Sansa auf den langen Weg in die Kälte gemacht. Zuerst war Dany nur froh gewesen, Sansa und dieses rothaarige Flittchen, die eindeutig aus dem Norden kommen musste, loszuwerden, doch nach einer Weile bedauerte sie Tyrions Weggang. Sie wollte vertraute Gesichter um sich haben, Menschen, auf die sie zählen konnte. Diese Rothaarige hatte sie seitdem nie mehr wiedergesehen, allerdings war es nicht sicher, ob sie mit ihren Landsleuten Königsmund tatsächlich verlassen hatte. Nach der Ergreifung des Nordmannes, der den Giftanschlag auf Rhaegal verübt hatte, waren die Unbefleckten auf ihren Befehl hin durch die Gassen von Königsmund gestreift und hatten Ausschau nach Menschen mit nordischem Einschlag gehalten. Aber diese bestimmte Rothaarige war nicht unter ihnen gewesen.

An einem trüben Morgen, die Sonne schaffte es nicht die dichte Wolkendecke zu durchdringen, schritt Dany wie gewohnt zum Ratssaal. Ihre beiden Leibwächter folgten ihr auf dem Fuß und sie war vollkommen in ihre Gedanken versunken, als Jon plötzlich vor ihr stand.

"Eure Hoheit, ich muss Euch dringend in einer wichtigen Angelegenheit sprechen", sprach er sie ohne Umschweife an.

Erstaunt blickte sie ihm in die Augen. "Hat das nicht Zeit bis zu unserer Ratssitzung?"

"Nein!", antworte Jon, "und diese Sache möchte ich mit euch nur unter vier Augen besprechen."

"Nun gut. Die anderen Herren scheinen sich noch nicht eingefunden zu haben, so können wir Euer Anliegen vor deren Ankunft klären."

Jon nickte sichtlich erleichtert, warf aber einen hastigen Blick auf die zwei Blutreiter. "Nur wir beide", meinte er mit gesenktem Tonfall, "ohne eure beiden Schatten."

Daenerys straffte die Schultern. "Ich habe keine Geheimnisse vor Wrachon und Xorox und ich sehe es nicht ein, sie wegzuschicken."

Danach warf Jon ihr einen eindringlichen Blick zu und sie glaubte ihn in Gedanken sagen zu hören: Dany, bitte. Es geht nur uns beide an.

"Also gut, dann soll es so sein." Daenerys gab Wrachon ein Zeichen. Der Dothraki eilte daraufhin zu dem Ratszimmer, ging hinein und inspizierte es aufs gründlichste. Ein Ritual, dass er nach dem Tötungsversuch auf Rhaegal, vor jeder Zusammenkunft des kleinen Rats ausführte. Nachdem er das Zimmer wieder verlassen hatte und Dany zunickte, betrat sie gemeinsam mit Jon den Raum.

"Hier sind wir ganz ungestört. Nun sagt mir Jon, was liegt Euch auf dem Herzen?"

"Warum gehst du mir ständig aus dem Weg, Dany?", brach es aus ihm hervor.

Sie war von der Frage so überrascht, dass sie zuerst nicht wusste was sie antworten sollte, doch sie fing sich sofort wieder. "Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um private Dinge zu klären. Du hast mir unmissverständlich klar gemacht, wie du in Zukunft zu mir stehen wirst. Vielleicht hat ja eine andere Frau schon dein Herz erobert."

Jon erwiderte die letzte Bemerkung mit einem irritierten Blick. "Vertraust du mir nicht?", fragte er sie und schaute ihr forschend in die Augen.

"Wieso sollte ich dir nicht trauen. Ich habe dich doch zu meiner Rechten Hand erwählt."

"Und warum hast Du mir nichts von der Vergiftung Rhaegals berichtet?"

"Ich habe diesen schrecklichen Vorfall in der folgenden Ratssitzung in allen widerlichen Details erörtert und soweit ich mich erinnere, warst du dort auch anwesend."

"Ja", Jon lachte bitter auf, "vor der versammelten Mannschaft. Ich dachte, du weißt wie sehr mir dieser Drache am Herzen liegt und nicht nur er. Kannst du dir mein Entsetzen vorstellen als ich erfuhr, dass ein erneuter Giftanschlag stattgefunden hat? Warum hast du mir nicht sofort davon erzählt? Vielleicht weil, der Attentäter ein Nordmann war?"

Für einen kurzen Moment herrschte Grabesstille im Raum.

"Nein, auf keinen Fall.", gab Dany schroff zurück und dachte: 'Eher weil du mit diesem nordischen Flittchen rumgemacht hast und ich mir deiner Gefühle nicht mehr sicher bin.'

Sie fuhr fort: "Meiner Meinung nach wurdest du als Hand der Königin in der Ratssitzung ausreichend und zum richtigen Zeitpunkt informiert." Sogar in ihren Ohren hörte sich diese Erklärung fadenscheinig an.

"Vertraust du mir noch?", fragte Jon.

"Natürlich, sonst würde ich kaum mit dir hier reden." Aber sie sah seinem Blick an, dass er ihr nicht glaubte und um ehrlich zu sein, sie wusste es selbst nicht mehr. Wie gerne hätte sie sich jetzt in seine Arme geworfen, sich an ihn gedrückt und all ihre Ängste und Zweifel gebeichtet. Jedoch sie stand nur wie versteinert da und schaute ihn an.

Jon seufzte, zog einen Brief aus der Hosentasche und überreichte ihn Dany.

"Von wem ist er?", fragte sie und nahm das Schreiben mit hochgezogenen Brauen entgegen.

"Ich weiß es nicht, er lag heute Morgen unter meiner Tür."

"Und wer hat ihn verfasst?"

"Auch dazu kann ich dir nichts sagen, er ist nicht unterschrieben."

Daenerys nahm das Stück Papier aus dem Umschlag, las die paar Zeilen und erstarrte. Die Welt um sie herum schien zu versinken. Erneut ging sie die einzelnen Worte des Briefes durch, nur um sich zu überzeugen, dass sie dort wirklich standen: "Tod der Thronräuberin. Es lebe der wahre Herrscher und Drachenkönig Aegon Targaryen."

Allmählich löste sich die Betäubung, die ihren Körper und ihren Geist gefangen hielten und wichen einer aufkeimenden Wut. Dieser Zorn sammelte sich in ihrem Bauch, kroch langsam die Kehle hinauf und explodierte in ihrem Kopf. Sie starrte Jon an und verspürte plötzlich den Wunsch ihn zu töten. Dieser schien ihre Gefühlswandlung wahrzunehmen, wich einen Schritt zurück und sah sie mit einem flehenden Blick an. "Dany, bitte, ich weiß nicht wer mir das geschrieben hat. Wir müssen denjenigen finden. Glaub mir, ich bin auf deiner Seite."

Daenerys Verlangen Jon ins Gesicht zu schlagen und ihm "Mieser Verräter" entgegen zu brüllen, verschwand so schnell wieder, wie es gekommen war. Plötzlich fühlte sie sich nur noch einsam und verzweifelt. "Die Ratssitzung wird verschoben", brachte sie mühsam hervor während sie versuchte das Beben in ihrer Stimme zu unterdrücken. Dann ließ sie Jon einfach stehen und eilte nach draußen.

Der Winter des DrachensWhere stories live. Discover now