Kapitel 20 Drachenfeuer

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Der Thronsaal war vollgedrängt mit Menschen. Die Unbefleckten hatten einen schützenden Wall am Treppenende gebildet, ihre Speere und Schwerter wurden von ihren vorgehaltenen Schildern verdeckt. Daenerys saß auf dem Eisernen Thron und ließ ihren Blick über die Menge streifen. Kurz nach dem Gespräch mit Jon und der erschreckenden Erkenntnis, dass seine wahre Herkunft noch weiteren Personen bekannt sein musste, hatte sie sich entschlossen, erneut die Vorsitzenden der Häuser und weitere Würdenträger zu einer Zusammenkunft zu rufen. Sie musste den werten Lords und Ladies unmissverständlich klar machen, dass sie die wahre Herrscherin über Westeros war und dass sie jede Rebellion im Keim ersticken würde. Die ihr überlassenen Mündel saßen entweder zu ihren Füßen oder standen auf den unteren Treppenstufen. Die Kinder suchten in der Menschenansammlung nach vertrauten Gesichtern und Dany bemerkte die erfreuten und gleichzeitig besorgten Mienen ihrer Väter und Mütter, wenn sich ihre Blicke trafen. Jetzt lobte sie sich den klugen Schachzug Tyrions, Sprösslinge wichtiger Königshäuser in ihre Obhut zu nehmen. Ihre Familien würden es nicht wagen sich gegen sie aufzulehnen. Daenerys gab Grauer Wurm ein Zeichen und dieser rief: "Verehrte Lords und Ladies, Königin Daenerys aus dem Hause Targaryen, die Erste ihres Namens, Königin der Andalen, der Ersten Menschen und der Rhoynar, Regentin der sieben Königslande, Beschützerin des Reiches, Khaleesi des großen Grasmeeres, Khaleesi des Dothrakischen Meeres und Mutter der Drachen wird nun zu euch sprechen."

Abrupt endete das leise Getuschel, das Scharren von Füßen und wissbegierige Stille legte sich über den Thronsaal.

"Lords und Ladies, Hochwohlgeborene der Sieben Königslande und verehrte Bürger aus Westeros, ich, Eure Königin, gedenke in den nächsten Tagen die Länder meines Reiches zu besuchen. Diese Reise unternehme ich, um die Sieben Königsländer sowie ihre Bewohner besser kennenzulernen und mein Volk soll die Möglichkeit erhalten, seine Königin zu sehen."

Verhaltenes Gemurmel, das aber schnell verstummte.

"Wie Ihr euch vorstellen könnt", fuhr Dany mit fester Stimme fort, "werde ich diese Reise nicht allein bewerkstelligen. Meine treuen Dothraki werden die Vorhut bilden und meine loyalen Unbefleckten werden ebenso für meine Sicherheit sorgen. Dabei gedenke ich diese Expedition nicht zu Pferde durchzuführen, sondern auf dem Rücken eines meiner Kinder."

Bei diesem Stichwort traten die Unbefleckten einen Schritt vor und begannen die Menschenmenge vorsichtig mit Hilfe ihrer Schilder zurück zu drängen. Danys Leibdienerinnen sammelten die Kinder von der Treppe auf und hoben die Kleinsten auf ihre Arme. Dann brachten sie die Mündel nach draußen und Daenerys gab Grauer Wurm erneut ein Zeichen. Dieser ließ das schwere Fallgitter eines Seitentors nach oben ziehen und Sekunden später konnte man das rhythmische Dröhnen schwerer Schritte hören. Drogon schob seinen gewaltigen Kopf durch die Toröffnung, schnaubte kurz und zwängte sich hindurch.

Die Angst, die dieser Anblick bei der Menschenmenge hervorrief, war regelrecht greifbar. Ebenso wie beim ersten Mal, als sie den Drachen erblickt hatten, stießen die Frauen kurze spitze Schreie aus und einige der Männer unterdrückten ein furchtsames Stöhnen. Drogon ließ sich von der Aufregung, die er verursachte, nicht im Geringsten stören, er war voll und ganz auf Daenerys fixiert. Langsam und darauf bedacht, nichts mit seinem riesigen Schwanz umzuwerfen positionierte er sich neben ihre linke Seite. Stolz durchflutete Dany sowie ein Gefühl der Unbesiegbarkeit. Mit diesem herrlichen Tier an ihrer Seite konnte niemand sie besiegen. Kurz darauf erklangen ähnliche Stampfgeräusche aus dem Seitentor und Drogons etwas kleinerer Bruder Rhaegal betrat den Saal. Sein geschuppter Kopf schwenkte nervös hin und her, er war schon lange nicht mehr mit solch einer Menschenansammlung konfrontiert gewesen.

Unterdrückte Äußerungen der Verwunderung waren zu hören. Dany ließ ihre Blicke prüfend über die Menge schweifen. Allgemein wurde angenommen, dass Rhaegal beim Kampf gefallen war, wer war nun alles andere als überrascht über seine Anwesenheit oder wer zeigte Enttäuschung, dass der Drache doch nicht an dem Gift gestorben war?

Der Winter des DrachensWhere stories live. Discover now