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Der Tag am Fluss war wirklich schön. Und auch den nächsten Tag verbrachte ich gemeinsam mit Yoongi. Wir aßen zusammen. Gingen spazieren und wir redeten gar nicht über meine Ängste und meine Traurigkeit. Yoongi versuchte mich auf andere Gedanken zu bringen und das war eigentlich doch gar nicht der Grund, warum ich mich mit ihm getroffen hatte.

Er hatte auch erneut die Schlaftabletten vergessen, die er mir eigentlich mitbringen wollte. Er sagte nur, dass er wieder nicht daran gedacht hätte und wechselte das Thema. Einige Male blieb ich an Apotheken stehen, an denen wir vorbeiliefen, doch Yoongi fand immer wieder einen Grund mich von dort wegzuholen und mich in ein Gespräch zu verwickeln.

Und nun saß ich in meiner Wohnung. Ich hatte ihn gestern das letzte Mal gesehen. Es wurde bereits dunkel und er war den ganzen Tag nicht da gewesen. Dadurch hatte ich Zeit mich wieder meinen negativen Gedanken hinzugeben. Zu weinen und mich zu fragen, welchen Sinn das alles machte, bis es an der Tür klingelte.

Diesmal ließ ich es nicht weiterklingeln, sondern lief geradewegs hin und öffnete. Ich sah nicht nach, wer dort vor der Tür stand, ich sagte nicht Hallo. Ich lief einfach wieder zurück in meine Küche und setzte mich in der Dunkelheit auf einen Stuhl.

Wortlos betrat Yoongi meine Wohnung. Er schloss die Tür hinter sich und sah flüchtig zu mir rüber. Ich zog immer wieder meine Nase hoch und wischte mir über mein Gesicht, als er ebenso schweigend auf meinem Sofa Platz nahm und mich beobachtete.

"Lass mich raten", sagte ich nach einer Weile, "du hast die Schlaftabletten wieder nicht dabei." Ich hörte Yoongi tief einatmen und er richtete sich ein wenig auf. "Ich habe sie vergessen", antwortete er und ich schnaufte verächtlich und schüttelte den Kopf.

Eine lange Stille trat ein. Ich weinte vor mich hin und Yoongi saß nur da und sah mich an.

"Du hattest es nie vor, oder?", sagte ich irgendwann vollkommen verbittert und ohne ihn eines Blickes zu würdigen. 

"Was meinst du?", wollte er wissen und ich lachte heiser. 

"Du hattest nie vor... mir zu helfen", entgegnete ich ihm und sah ein wenig zu ihm auf. Ich konnte ihm im dunklen Zimmer kaum sehen und ihm war es sicher ebenfalls nicht möglich zu erkennen wie böse ich ihn anfunkelte.

"Es war von Anfang an mein Vorhaben... dir zu helfen, Jaden", meinte Yoongi und meine Augen verformten sich zu Schlitzen, aus denen ich versuchte ihn hasserfüllt anzusehen. 

"Du wolltest nie, dass ich sterbe!", rief ich ihm vorwurfsvoll entgegen und eigentlich war diese Aussage absolut absurd. Es war absurd jemandem vorzuwerfen, dass man nicht den Tod des anderen wollte.

"Dir deinen Schmerz nehmen... ist alles was ich will", entgegnete Yoongi. 

"Du weißt doch überhaupt nicht, was Schmerz bedeutet", zischte ich und Yoongi ließ seine Schultern komplett sinken. 

"Meinst du?", wollte Yoongi wissen und ich schloss meine Augen.

Ich wandte mein Gesicht von ihm ab. "Du hast nicht die geringste Ahnung von meinem Schmerz", sagte ich und ich spürte, dass diese verdammten Tränen meine Stimme gebrochen klingen ließen. Ich wollte eigentlich stark sein in diesem Moment, aber fuck it, wir beide wussten, dass ich depressiv und selbstmordgefährdet war, also wem wollte ich hier was vormachen?

"Sag' mir eins, Jaden", sagte Yoongi, stand plötzlich auf und kam ein Stück auf mich zu, "warum willst du dir dein Leben nehmen?" 

"Weil ich endlich will... dass dieser Schmerz aufhört..", brachte ich hervor und kämpfte dagegen an, komplett in Tränen auszubrechen.

"Aber warum ist er da? Was ist passiert, dass du nicht mehr leben willst?", wollte Yoongi wissen und meine Augen fuhren hektisch hin und her. Ich vermied es krampfhaft ihm in die Augen zu sehen, denn das wäre mein Untergang gewesen. Ihn in diesem Moment ansehen zu müssen, hätte mich komplett zu Boden geschmettert.

Can you hold me? ---YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt