15

437 78 38
                                    

Seit einer halben Stunde saß ich nun schon allein im Darkroom. Ich wurde nicht versetzt. Auch hatte meine Verabredung sich nicht verspätet. Ich war freiwillig schon eher hierher gekommen, weil ich nicht mehr länger allein zu Hause darauf warten wollte, dass die Zeit verging.

Vielleicht wollte ich mir auch schon einmal etwas Mut antrinken, um bei diesem Treffen schlagfertiger zu sein, sollte mir erneut ein Psychopath gegenüber sitzen. Kurz schaute ich auf die Uhr. Eigentlich müsste dieser Yoongi jeden Moment hier auftauchen.

Wie aus dem Nichts setzte sich auf einmal ein junger Mann zu mir an den Tisch. Vollkommen perplex sah ich ihn an. Mit einer schnellen Kopfbewegung warf er sich sein dunkelbraunes Haar aus der Stirn.

"Hallo Jaden", sagte er, stützte sich mit seinen Unterarmen auf dem Tisch ab und sah mit seinen dunklen Rehaugen zu mir auf. Ich öffnete meinen Mund, doch es kam zunächst kein Ton über meine Lippen. Es bestand kein Zweifel daran, dass der junge Mann Yoongi war.

"Woher weißt du, dass ich Jaden bin?", fragte ich skeptisch nach. Er grinste schief, bevor er antwortete: "Du siehst einfach aus wie ein Jaden."

Ich hob leicht spöttisch meine Augenbrauen. "Und wie sieht ein Jaden aus!?"

Er saugte kurz seine roséfarbene Unterlippe in den Mund. "Nun, Jaden hat kupferrotes Haar, die Tönung ist allerdings dabei zu verblassen und so kommen seine blondierten Haare ein wenig zum Vorschein, er hat eine kleine Stupsnase, eine markante Kieferpartie, sehr volle Lippen und die traurigsten dunkelbraunen Augen, die ich jemals gesehen habe", antwortete Yoongi und er lächelte nicht mehr.

Wortlos sah ich ihn an. Irgendwie kam es mir vor, als seien wir ganz allein hier im Darkroom. Nur er und ich. Für einen Moment blendete ich auch die Geräusche um mich herum vollkommen aus. Ich musterte ihn. Ließ meine Augen über sein Gesicht fahren, als würde ich mir jedes einzelne Merkmal für immer einprägen wollen.

Er hatte eine sehr helle absolut makellose Haut, die einen gesunden Glanz trug. Seine Wimpern waren lang und seine Augen hatten eine ganz besondere hübsche Form, die ihm so einen leichten Welpenblick verlieh. Seine Lippen waren zwar nicht ganz so voll wie meine, aber sie hatten eine süße geschwungene Form, die ihm, auch wenn er es nicht beabsichtigte, ein ganz feines Lächeln zauberte. 

Erst als ich ihn tief einatmen hörte, sah ich ihm wieder in die Augen und blinzelte, als sei ich soeben aus einer Trance erwacht. Ich wollte gerade der Kellnerin winken, damit Yoongi sich etwas bestellen konnte, doch er winkte ab.

"Also... du bist gern hier in dieser Bar?", fragte er, während er seine Handflächen aneinanderrieb und sich etwas umsah.

"Nein", sagte ich wie aus der Pistole geschossen und Yoongi sah mich an.

"Wieso wolltest du dich dann hier mit mir treffen?", wollte der Mann wissen. Ich presste meine Lippen aufeinander und blickte auf mein Glas, das ich mit beiden Händen fest umschlossen hielt. 

"Ich treffe mich hier nur mit Leuten aus dem Darknet", entgegnete ich und merkte, kaum das ich diesen Satz gesagt hatte, wie unheimlich komisch sich das anhörte. 

"Du machst so etwas öfters?", meinte Yoongi und das Ganze war mir mehr als peinlich.

"Nein, also, ich meine... ich habe mich schon mit einigen Leuten von Euthanasia getroffen aber... es war niemand dabei.. der... ehm..", stammelte ich und konnte dann sehen, dass Yoongi langsam grinste.

"Was waren das denn für Typen, hm?", wollte er wissen und biss einige Male leicht in seine Unterlippe, während er mich ansah.

"Na ja", fing ich an und trank einen Schluck von meinem Gin Tonic, "der Erste gehörte einer Sekte an und wollte mein Geld, den Zweiten geilte der Gedanke auf, mich beim Sex zu töten, der Dritte wollte mich verbrennen, der nächste wollte meine Leiche schänden und ein anderer wollte mich einfach verspeisen."

Gerade, als ich mich fragte, ob das jetzt zu heftig war, ließ Yoongi den Kopf sinken und lachte. Entgeistert sah ich ihn an. Was brachte ihn dazu, diese nahezu traumatischen Erlebnisse als lustig zu empfinden.

"Entschuldige...", brachte er hervor ehe er erneut lachen musste. Mit erhobenen Augenbrauen sah ich ihn an. "Aber, das erinnert mich an etwas..", fuhr er immer noch lachend fort, wobei er nun seinen Kopf ein wenig erhoben hatte und sich grinsend und mit geschlossenen Augen sein Nasenbein hielt, als müsse er all seine Konzentration aufbringen, um sich zu beruhigen.

"Meine Erlebnisse bereiten dir also ein Déjà-vu, oder wie?", fragte ich ihn spöttisch und er schaute mich grinsend an. 

"Nein, das erinnert mich an einen Witz", erwiderte Yoongi und ich schürzte die Lippen, doch Yoongi fuhr schon fort, "pass auf, ein Zoologe, ein Sadist, ein Killer, ein Nekrophiler, ein Pyromane, ein Kannibale und ein Masochist langweilen sich.

Sagt der Zoologe: 'Holen wir uns doch einen Hund.'

'Okay', sagt der Sadist, 'holen wir uns einen Hund und quälen ihn!'

Der Killer sagt: 'Super Idee! Holen wir uns einen Hund, quälen ihn und dann killen wir ihn!'

'Geil', freut sich der Nekrophile, 'holen wir uns einen Hund, quälen ihn, killen ihn und dann ficken wir ihn!'

'Oh ja', sagt der Pyromane, 'holen wir uns einen Hund, quälen ihn, killen ihn, ficken ihn und zünden ihn an!'

'Gute Idee', sagt der Kannibale, 'kaufen wir einen Hund, quälen ihn, killen ihn, ficken ihn, zünden ihn an und zum Schluss essen wir ihn auf.'

Der Masochist schaut in die Runde und sagt: 'Wuff!'"

Dann brach Yoongi wieder in Gelächter aus. Ich sah ihm ausdruckslos dabei zu und wartete darauf, dass er aufhörte über seinen eigenen Witz zu lachen. Das geschah auch irgendwann und er wischte sich über seine Augen.

"Du denkst ich bin Masochist!?", fragte ich ihn dann und sah ihn todernst an. 

"Das würde ja bedeuten, dass du der Hund bist", entgegnete Yoongi und funkelte mich an.

"Wer sollte ich bei dieser Konstellation sonst sein?", hakte ich nach.

"Der Killer", sagte er und sah mich eindringlich an. 

"Ich dachte der Killer seist du", entgegnete ich und hob eine Augenbraue hoch, vollkommen überzeugt davon, schlagfertig geantwortet zu haben. 

Yoongi verschränkte seine Arme vor sich auf der Tischplatte und beugte sich ein wenig näher zu mir vor. "Aber du bist doch derjenige, der sich umbringen will", meinte er dann und blickte mich seelenruhig an.

"Schön", sagte ich und lehnte mich zurück, "also bist du der Hund." Yoongi lächelte mich schwach an und befeuchtete seine Lippen. 

"Das Einzige was ich vielleicht mit einem Hund gemeinsam habe ist die Tatsache, dass ich gerne lecke aber... sagen wir einfach..", sagte Yoongi und sah mir tief in die Augen, "dass ich ein komplett neuer Charakter bin, der soeben ins Spiel gekommen ist."

Can you hold me? ---YoonminWhere stories live. Discover now