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Als ich an diesem Abend den Darkroom betrat, sah ich sofort diesen Mann. 

Ich war mir absolut sicher, dass es meine Verabredung war, denn er war in der Tat ein World_Wide_Handsome. Sein Username machte ihm wie er schon selbst erwähnt hatte alle Ehre. Vielleicht einfallslos aber absolut zutreffend.

Der Mann hatte schwarzes Haar und dunkle Augen. Er trug ein weißes Hemd, dass sich kaum von seiner hellen Haut abhob. Doch seine vollen roten Lippen dafür umso mehr. Als er mein Starren bemerkte, fuhren seine Augen zunächst etwas hektisch hin und her und ich setzte mich grinsend in Bewegung.

"Hallo, bist du Seokjin?", fragte ich, als ich ihm gegenüber Platz genommen hatte. Ich sah ihn dabei so an, als würde ich kein Nein bei dieser Frage zulassen. Der Mann spitzte ein wenig seine Lippen. "Ehm, ja..", sagte er dann. Ich entspannte mich gleich darauf und nahm ordentlich Platz.

Als ich dann allerdings seinen erstaunten Blick bemerkte, hielt ich kurz inne. "Oh, ich bin Jaden", sagte ich dann und lächelte. Immer noch sah er mich mit großen Augen an. Mein Lächeln verschwand langsam aus meinem Gesicht und ich hob meine Augenbrauen in die Stirn. 

Gerade wollte ich ihn fragen, ob irgendetwas nicht stimmte, als er auch schon das Wort ergriff: "Du bist ein Mann."

Mein Mund klappte auf. Ich hatte noch nicht die Zeit und zugegeben auch nicht die Lust gefunden, mein Profil irgendwie auszuarbeiten. Alles was es hergab waren mein Alter, mein Wohnort und mein Name, wenn man davon ausging, dass mein Username auch mein echter Name war.

"Ja...", sagte ich und es hörte sich fast nach einer Frage an. Unsicher blickte ich ihn an und mir wurde klar, dass er als Helfer wohl auch Vorlieben hatte in Bezug auf das Geschlecht. Genauso wie ich.

"Oh... d-das tut mir leid... ich hab gar nicht daran gedacht.. ehm...", stammelte ich, bemerkte allerdings wie sich ein feines Lächeln auf seinen Lippen abzeichnete. 

"Ist schon gut. Ich bevorzuge zwar Frauen aber ich bin bisexuell. Das dürfte also kein Problem darstellen", sagte er. Fragend sah ich ihn an, doch bevor ich etwas darauf erwidern konnte, stand die Kellnerin neben uns und wir bestellten unsere Drinks. Er musste also kurz vor mir gekommen sein, sonst hätte er sicherlich schon ein Glas vor sich stehen.

Wir schwiegen, bis die Kellnerin unsere Getränke brachte. Immer wieder sah ich verstohlen zu ihm auf. Er richtete den Kragen seines Hemdes. Sah kurz auf seine Uhr und checkte ein kleines Gerät, dass er aus seiner Tasche gezogen hatte.

Mein Blick war auf das Gerät gerichtet und so bemerkte ich nicht, dass er mich in dem Moment ebenfalls ansah. "Das ist mein Pager. Sollte es im Krankenhaus einen Notfall geben, kann ich direkt kontaktiert werden", erklärte er und ich lächelte ihn schwach an.

Schnell nahm ich einen Schluck von meinem Wasser, bis mir auffiel, dass er sich Alkohol bestellt hatte, obwohl er doch eigentlich im Dienst war. Ansprechen wollte ich ihn darauf allerdings nicht. 

"Bist du schwul, Jaden?", fragte Seokjin auf einmal und ich sah ihn entgeistert an. Hatte etwa nicht nur mein Geschlecht, sondern auch meine Sexualität Einfluss auf seine Hilfe? Ich nickte, als er mich ansah und fragte mich gleich darauf, ob es richtig gewesen war, ihm so etwas von mir zu offenbaren. Und ich fragte mich, was wohl gerade in seinem Kopf vorging.  

Seokjin nickte lächelnd und nahm einen Schluck von seinem Drink. "Ist das denn... wichtig?", wollte ich zaghaft wissen und er sah zu mir auf. "Nein. Für dich dürfte das sicher nicht von Bedeutung sein", antwortete er und langsam aber sicher machte mich diese Situation nervös. Der Mann hatte eine merkwürdig beklemmende Ausstrahlung. Eigentlich wollte ich gehen, doch meine Neugier war größer.

"Dass ich ein Mann bin, ist also kein Problem", tastete ich mich heran, um herauszufinden, was seine Hintergedanken bei der Sache waren. Seokjin sah mich lange an und sagte dann: "Dein Aussehen macht es für mich nicht zu einem Problem."

Mit großen Augen sah ich ihn an. Warum empfand ich seine Aussage einfach nicht wie ein Kompliment, sondern wie etwas sehr Bedrohliches? Seokjin trank sein Glas leer und bedeutete der Kellnerin mit einem Wink, dass er noch einen Drink wollte, der ihm auch sogleich gebracht wurde.

"Du bist Arzt?", fragte ich, nachdem er das nächste Glas Alkohol serviert bekam. Seine Augen bohrten sich in meine und er sah mich prüfend an, bevor er einen Schluck nahm. "Ja, das bin ich", sagte er monoton und meine Augen wanderten zur Tischplatte, da ich seinem Blick nicht mehr standhalten konnte.

Ich war mir sicher, dass er wusste worauf ich hinauswollte. Es war nicht nur die Tatsache, dass er im Dienst Alkohol trank. Ich hatte mir vorher keine Gedanken darüber gemacht, doch hatte nicht jeder Arzt einen Eid geleistet, alles Leben zu erhalten und galt Sterbehilfe gemäß diesem Eid nicht als unethisch? 

Ich war so angetan gewesen von seinem Beruf, dass ich darüber gar nicht nachgedacht hatte, doch mit ihm nun eine Diskussion über den hippokratischen Eid der Ärzte führen, wollte ich auch nicht. Es würden dann Fragen auf Fragen folgen und ich selbst war nicht dazu bereit Fragen, die in meine Richtung gingen, zu beantworten.

Seokjin holte tief Luft und ich hob meinen Blick ein wenig. "Hast du dir Gedanken darüber gemacht, wie du sterben willst?", fragte Seokjin. Hektisch leckte ich mir über die Lippen und sah ihn an. 

"Mir ist das eigentlich egal. Es soll nur nicht weh tun, also...", fing ich an, doch wurde barsch unterbrochen: "Das ist ganz und gar nicht egal. Dein Äußeres sollte in keinster Weise Schaden nehmen!" Er hatte mich regelrecht angeschrien und erschrocken sah ich ihn an. 

Plötzlich lächelte er mich an. "Du bist ausgesprochen hübsch und sehr attraktiv, Jaden. Es wäre doch schade, wenn deine... Leiche verunstaltet wäre, oder?", meinte Seokjin und ich runzelte die Stirn. "Und an was für eine Tötungsmethode hast du da gedacht?", fragte ich, obwohl mir immer unwohler wurde.

"Ich verabreiche dir ein Narkotikum. Die Dosis wird so hoch sein, dass du nie wieder aufwachst. Es wird nicht weh tun und dein Äußeres bleibt erhalten", sagte der Doktor und trank aus seinem Glas. Ich musterte ihn dabei. Eigentlich hörte sich das sehr human an. Und es war das, was ich immer gewollt hatte. Einschlafen und nicht mehr aufwachen. Doch etwas störte mich immer noch bei seinen Ausführungen.

"Warum ist es so wichtig, dass mein Körper nach meinem Tod erhalten bleibt?", wollte ich wissen und ich konnte sehen, dass Seokjins Hände ein wenig zitterten. "Weil ich es so viel schöner finde", entgegnete er mir und sah mich eindringlich an. Meine Kinnlade fiel nach unten. Vielleicht dachte ich mittlerweile zu krank aber konnte es wirklich sein? 

"Du willst meine Leiche schänden..", rutschte mir mein Gedanke heraus und ich biss mir auf die Zunge. "Schänden... das ist nun wirklich nicht das richtige Wort. Es ist einfach meine Leidenschaft. Du hast doch sicher auch eine Leidenschaft, oder? Erzähl mir ruhig davon, Jaden. Ich würde es ausgesprochen gerne hören, was deinen Schwanz hart werden lässt", entgegnete er mir. 

Mein Unterkiefer konnte gar nicht mehr weiter herunterklappen, weil er nahezu schon auf der Tischplatte lag und wenn ich meine Augen noch weiter aufreißen würde, würden sie mir vermutlich aus den Augenhöhlen fallen. Und mir wurde in dem Moment klar, dass dieser Arzt einen Scheiß auf den hippokratischen Eid gab und sich diesen Beruf womöglich aufgrund seiner psychischen Störung ausgesucht hatte.

Seokjin lachte leise. "Hab' ich dich jetzt erschreckt?", wollte er wissen und das war noch harmlos ausgedrückt. Ich sah mich in Gedanken schon wieder kopfüber aus dem Fenster der Toilette fallen, als sein Pager piepste und mich heftig zusammenzucken ließ.

Er schnalzte mit der Zunge und schaltete ihn aus. "Ich muss leider los. Ein Notfall", sagte er, trank sein Glas leer und stand auf und lief an mir vorbei.

Als er allerdings noch einmal stehenblieb und seine Hand auf meine Schulter legte, überkam mich ein Schauer. 

Er beugte sich zu mir herunter und sagte: "Ich hoffe wir sehen uns wieder. Melde dich bei mir, Jaden."

Can you hold me? ---YoonminWhere stories live. Discover now