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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich wirklich gut und ich hoffte, dass sich dieser Gemütszustand den Tag über halten würde. Meistens wachte ich auf und dachte an schlechte Dinge. Ich konnte tatsächlich stundenlang, meistens den kompletten Tag, im Bett liegen und in meinem Kopf alles durchgehen, was an meinem Leben schlecht war. Und ich schaffte es sogar mit der Zeit alles Gute ebenfalls ins Negative zu ziehen. Darin war ich mittlerweile wirklich geübt.

Aber seit einigen Tagen war es so, dass dieses schlechte Gefühl langsam verflog. Und um ehrlich zu sein gefiel es mir, so unbeschwert zu sein. Yoongi hatte mich komplett auf andere Gedanken gebracht und ich vergaß sogar in den Momenten in denen er bei mir war, dass ich eigentlich traurig war.

Doch Yoongi zauberte mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht und seine Aufmerksamkeit, seine Nähe und sein aufrichtiges Interesse an mir, ließen mich so unglaublich gut fühlen. Ich konnte mich kaum daran erinnern, wann ich mich das letzte Mal so gefühlt hatte.

Ich stellte gerade meine leere Kaffeetasse in die Spülmaschine, als es an der Tür klingelte. Eilig lief ich hin und als ich durch den Spion sah und Yoongi erblickte, strahlte ich über das ganze Gesicht und öffnete ihm.

Er trug einen Weidenkorb über den Arm und erinnerte mich unfreiwillig an Rotkäppchen, das die kranke Großmutter besucht. Ich musste kurz lachen und auch er grinste mich an. "Hast du heute schon etwas vor?", fragte er mich und ich schmunzelte. "Ich habe jetzt eine Therapiestunde aber danach bin ich frei", entgegnete ich ihm und mir wurde bei dem Gedanken daran direkt doch wieder ein klein wenig mulmig.

"Ich kann dich begleiten, wenn du möchtest", sagte er, da er meine Unsicherheit sicher bemerkt hatte. "Das wäre schön", sagte ich und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu Dr. Lees Praxis. 

Yoongi wartete auf mich im Wartezimmer, während ich die Stunde hinter mich brachte. Etwas aufgewühlt trat ich ihm danach wieder entgegen und sogleich kam er auf mich zu. "Ich habe eine Überraschung für dich. Komm mit, Jaden", sagte er und nahm meine Hand.

Er führte mich an den Fluss, wo wir den gestrigen Tag verbracht hatten und liefen ans Ufer. Dort angekommen legte Yoongi seinen Korb ab und kramte eine große Decke hervor, die er auf dem Boden ausbreitete. Er zeigte lächelnd mit der Hand darauf und ich nahm Platz. Sodann holte er etwas zu Essen und zu Trinken hervor und ich beobachtete ihn schweigend dabei.

"Ich fand gestern schon, dass diese Stelle hier perfekt ist für ein Picknick", sagte er. Als er alles auf der Decke ausgebreitet hatte, lugte ich vorsichtig in den Korb hinein. "Fehlt noch was?", wollte Yoongi wissen und lächelte mich an.

"Ich dachte du hast die Schlaftabletten dabei", sagte ich und das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Er befeuchtete seine Lippen und presste sie dann kurz aufeinander. Dann schnalzte er mit der Zunge. "Ach so, das habe ich vollkommen vergessen. Ich bringe sie dir Morgen mit", sagte er wie beiläufig und schenkte mir eine dunkelrote Flüssigkeit ein, "probier mal, das ist Traubensaft." 

Er hielt mir das Glas entgegen und sah mich erwartungsvoll an. Der Saft schmeckte tatsächlich sehr gut, so wie alles andere was er für uns eingepackt hatte und wir verbrachten den ganzen restlichen Tag dort am Fluss.

Um ehrlich zu sein, blieben wir dort, bis es Nacht war und irgendwann legten wir uns einfach auf die Decke, lagen schweigend da und betrachteten den Sternenhimmel, der immer mehr zum Vorschein kam, je später es wurde. 

Als wir auf meinem Dach den Wein getrunken hatten, hatte ich die Sterne aufgrund der Lichter der Stadt gar nicht sehen können, doch hier am Fluss erstrahlte der Himmel, als sei er mit Abermillionen glitzernden Diamanten bedeckt.

"Als ich klein war", durchbrach ich sanft die Stille ohne meinen Blick vom Himmel zu nehmen, "wollte ich immer Astronom werden. Das Weltall ist doch das Faszinierendste was es gibt."

Yoongi wandte seinen Kopf in meine Richtung. "Ich würde mich dazu entscheiden Astronaut zu werden. Der Astronom betrachtet die Sterne nur vom Boden aus aber der Astronaut ist wirklich da", sagte Yoongi und ich sah ihn ebenfalls an.

"Aber es ist viel sicherer, wenn man es aus der Entfernung beobachtet und nicht dort ist", entgegnete ich leise und Yoongi drehte sich auf die Seite, wobei er seinen Kopf auf seiner Handfläche abstützte. 

"Er wird aber niemals wissen wie es sich anfühlt", sagte Yoongi und ich überlegte kurz ehe ich sagte: "Vielleicht hat er Angst." 

"Aber es fasziniert ihn trotzdem, oder? Weißt du Jaden, das Leben ist dein Weltall und du bist der Astronom, der vollkommen fasziniert aus sicherer Entfernung dasteht und sich nicht traut mitten drin zu sein, weil er Angst davor hat. Du könntest aber der Astronaut werden. Manchmal muss man einfach etwas riskieren, um weiterzukommen. Manchmal muss man... ins kalte Wasser springen", sagte er den letzten Satz mit einem leichten Schmunzeln.

"Ich bin nicht aus freien Stücken gesprungen. Ich wurde unfreiwillig geschubst", entgegnete ich ihm und grinste ebenfalls etwas. 

"Ja, manchmal ist auch das nötig", sagte Yoongi.

Can you hold me? ---YoonminWhere stories live. Discover now