5

465 81 64
                                    

Es war dunkel, als ich mich auf den Weg zum Darkroom machte, doch immer noch angenehm warm. Die Straßen waren nass, da es geregnet hatte und die Luft wurde langsam schwül, als das Wasser dabei war auf dem heißen Pflaster zu verdampfen.

Auf dem Weg zur Bar sah ich mich immer wieder misstrauisch um, weil ich meinte, jeden Moment würde mich jemand in eine Seitengasse ziehen, um mir dort meine Kehle aufzuschlitzen. Ich hatte mich noch nie in meinem Leben so verfolgt und beobachtet gefühlt wie auf diesem kurzen Weg zur Bar.

Es passierte allerdings nichts dergleichen und als ich beim Darkroom ankam beantworteten die düsteren Gestalten, die sich davor herumtrieben meine Frage, ob ich draußen warten wollte und ich betrat die Spelunke.

Es roch nach Alkohol, Pisse und Erbrochenem und ich konnte gerade noch einen Würgereiz unterdrücken. Als ich an der Bar vorbeilief wurde ich von ein paar Männern mit ekelhaften Blicken bedacht, die meinen Körper von oben bis unten abscannten und ich fühlte mich komplett vergewaltigt ohne, dass sie mich überhaupt berührt hatten.

Langsam wagte ich mich weiter in dieses stinkende Loch hinein und ich erkannte an den Seiten aufgereiht einige Sitzbänke, die durch niedrige Trennwände, auf denen vertrocknete Pflanzen standen, getrennt waren.

Und als ich einen Mann erblickte, der mit dem Rücken zu mir saß und auf dem Tisch vor ihm eine weiße Lilie lag, blieb ich wie angewurzelt stehen. Mein Magen zog sich so unangenehm zusammen, als befände ich mich gerade auf dem Weg ins Behandlungszimmer meines Zahnarztes.

Ich verharrte eine Weile und ging in meinem Kopf durch, was ich hier eigentlich nochmal machte. Was das wohl für ein Mensch war, der dort unmittelbar vor mir saß und was ich selbst für einer war.

Trotzdem setzte ich mich langsam wieder in Bewegung und nahm mit einer schwungvollen Bewegung vor I'm_Your_Hope Platz.

Der Mann sah mich ein wenig überrascht an, lächelte aber dann und ich fand, dass er wirklich sehr freundlich aussah. Er sah tatsächlich wie jemand aus, mit dem ich befreundet sein könnte. Gar nicht wie jemand, der sich im Darknet auf dubiosen Seiten herumtrieb. Aber, wie sah schon so jemand aus?

Er hatte ein Glas Wasser vor sich stehen und blickte mich aus seinen dunklen Augen an. Sein Haar war hellbraun und ganz offensichtlich gefärbt, da man ganz leicht die herausgewachsenen Ansätze seines schwarzen Haares erkennen konnte.

"Hallo Jaden", sagte er und seine Stimme klang genauso nett wie sein Äußeres. 

"Hallo Hope", sagte ich und betonte seinen Namen extra, in der Hoffnung, er würde mir nun seinen wirklichen Namen verraten.

"Ich heiße nicht Hope", sagte der Mann dann und ich wollte gerade wissend lächeln, als er auch schon weitersprach, "J-Hope."

"Wie bitte?", sagte ich vollkommen sachlich und blinzelte einige Male. Der Mann grinste mich an und fuhr fort: "Ich heiße nun J-Hope."

Als sei ich zu einem Standbild geworden schaute ich ihn mit großen Augen an. "Du heißt Jaden. Ich bin von nun an Jaden's Hope. J-Hope. Verstehst du?"

Erklärte er ruhig und ich war in der Versuchung nein zu sagen, doch ich konnte mich gerade noch davon abhalten und schluckte trocken. Ich zwang mich zu einem Nicken, da ich mittlerweile davon ausging einem Psychopathen gegenüber zu sitzen, der mir, wenn ich nicht tat was er sagte, ins Gesicht springen würde.

"Guuuut", sagte er merkwürdig langgezogen und eine Kellnerin trat an unseren Tisch, bei der ich einen Gin Tonic bestellte. Antidepressiva vertrug sich zwar nicht mit Alkohol aber scheiße, ich brauchte das jetzt.

J-Hope sah mich die ganze Zeit an, als die Kellnerin mir meinen Drink brachte und ich einen ersten Schluck davon nahm. Plötzlich hing mir die weiße Lilie im Gesicht und mir kam der Gin fast aus der Nase wieder heraus. 

"Die ist für dich", sagte J-Hope und hielt mir die Blume unter die Nase. "D-danke...", stammelte ich und versuchte immer wieder sachte der Blume auszuweichen. 

"A-also.. d-du hast schon vielen geholfen?", fragte ich nach, um endlich zum Wesentlichen zu kommen. "Oh ja. Ich habe geholfen. Jedem einzelnen. Und sie sind nun glücklich", sagte J-Hope und sein Blick durchbohrte mich förmlich.

"Das ist aber schön", erwiderte ich unbeholfen und nahm noch einen Schluck. "Auch du kannst dieses Glück erfahren. Du musst es nur zulassen", meinte J-Hope und scheiße Mann ich war mehr als bereit es zuzulassen, bis er auf einmal wie aus dem Nichts eine Dokumentenmappe auf den Tisch legte. 

Wie ein Vertreter saß er nun vor mir, kramte eine Brille aus seiner Tasche und begann die Unterlagen in der Mappe durchzublättern, als würde er etwas suchen. Dann sah er zu mir auf und schmunzelte. Er zog mehrere zusammengetackerte Blätter aus der Mappe und schob mir diese über den schmierigen Tisch entgegen.

Ich warf einen kurzen irritierten Blick darauf und schaute dann wieder zu ihm auf. "Was ist das?", wollte ich wissen und er legte einen Kugelschreiber auf den Tisch. "Dein Weg zur Erleuchtung", antwortete er mir und mein Mund klappte auf. 

Erneut besah ich mir die erste Seite des Schriftstückes und konnte sehen, dass mein Vorname darin schon abgedruckt war. Es fehlten nur noch mein Nachname, meine Adresse, E-Mail, Telefonnummer, Handynummer, Geburtsdatum, Augen- und Haarfarbe, Größe, Gewicht, meine Konfession, Geburtsort, mein Beruf, Jahreseinkommen und meine Bankverbindung. Ich überflog den Rest.

"Du willst von mir Geld haben?", fragte ich ungläubig nach und J-Hope holte tief Luft. "Wir bezeichnen es eher als eine Art Schenkung, für unsere Dienste, dir Trost und Halt zu geben", antwortete J-Hope. "Wir!?", hakte ich nach und J-Hope lächelte nur. 

Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. "Das hier ist eine Sekte", sagte ich geradeheraus und J-Hopes Mund klappte ein wenig auf. "Wir bevorzugen den Begriff Glaubensgemeinschaft", entgegnete er.

"Scheiße...", sagte ich leise und stürzte meinen Gin Tonic in einem Zug hinunter. Dann wollte ich aufstehen, doch J-Hope hielt mich am Arm fest. "Jaden, wir sind dazu fähig dir den richtigen Weg zu zeigen. Unser Messias hat schon viele auf den richtigen Weg geführt", sagte J-Hope und ich riss sich los.

"Ihr meldet euch auf Seiten an, wo depressive Menschen Hilfe suchen und nutzt ihre Verzweiflung für eure Zwecke aus! Das ist das Hinterhältigste, das ich jemals gehört habe und es widert mich einfach nur an, wie ihr schwache Leute mit euren falschen Versprechen von Erlösung und Halt ködert, nur um sie dann vollkommen unter eure Kontrolle zu bringen!" 

Mit diesen Worten stand ich auf. "Jaden! Alles was wir wollen ist...", fing J-Hope an, doch ich fiel ihm ins Wort: "Meine Kohle. Ich weiß." Dann verließ ich die Bar.

Can you hold me? ---YoonminWhere stories live. Discover now