Teil 40- Calla

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Es war echt, sie war es, noch immer konnte ich es nicht glauben und schaut immer wieder ungläubig zu der Frau neben mir. Elegant rührte sie mit dem kleinen Holzlöffel in dem Pappbecher in ihrer Hand. Sie reicht ihn mir und lächelte. Ich fasste es nicht, sie war wirklich hier!
Weihnachten und Silvester lagen hinter uns, Tage, an die ich mich nur schwach erinnern konnte, alles lag unter einem Schleier, der alles bdeckte. Seitdem Eloise wieder da war, war alles irgendwie unwirklich geworden. So nebensächlich. Und dennoch war es intensiv, ein Rausch.
„Wann müssen wir da sein?"
Sie riss mich aus meinen Gedanken. „Äh, das ist eigentlich egal. Wann wir wollen schätze ich?"
„Wäre das nicht sehr unhöflich?" Fragte sie skeptisch nach.
„Und wenn schon." Den ganzen Tag führen wir schon diese Diskussion, so wie die drei Tage zuvor schon. Es war mir nicht gelungen Eloise davon zu überzeugen nicht zu den Weisen zu gehen. Sie hatte sich die Idee in den Kopf gesetzt und war nicht mehr davon abzubringen. Insgeheim verfluchte ich Damjan und Villads dafür, dass sie es ihr erzählt hatten. Ich traute den Weisen nicht und ganz besonders Semjon. Mir missfiel der Gedanke, dass wir wieder zu ihnen gehen sollten.
„Wollen wir das nicht verschieben? Morgen ist auch noch ein Tag." Schlug ich vor. „Oder in ein paar hundert Jahren."
Eloise legte ihre Hand auf meine Schulter. „Nein!"
mir lag es fern ihr zu Wiedersprechen, noch wollte ich ihr das Gefühl geben, ich würde es nicht ernst nehmen. Doch sie wusste nicht, was es für sie bedeuten würde, was es für uns bedeuten könnte, oder für mich. Natürlich wusste ich, dass es keinen Sinn machte sie von allem abzuschirmen, früher oder später würden wir zu ihnen gehen müssen. Doch wäre mir später lieber gewesen. Sehr viel später.

Wir gingen zu Fuß zu ihrem Quartier. Die Feiertage waren vorbei und mit ihnen war auch ein Großteil der Touristen aus der Stadt verschwunden. Eloise hat mir nicht erzählt, was sie gemacht hat als sie in Paris war. Meinen Fragen wisch sie aus, erzählt nur hier und da etwas. Und dennoch gab ich mich damit zufrieden. Ich hatte ihr Tagebuch und das reichte mir vollkommen. Auf unzähligen Seiten hat sie in grüner Tinte alles niedergeschrieben und es las sich wie ein Roman, ein Gedicht oder doch ein Traum? Sie sagte so viel mit nur einem niedergeschriebenen Wort. Und ich verstand sie. Verstand, warum sie so gewesen ist, verstand, wer sie vorgab zu sein, obgleich mir die wahre Eloise noch immer ein Rätsel war. Auch Damjan war eine deutliche Veränderung aufgefallen. Eloise wirkte gelassener und gleichzeitig furchtbar unruhig. Sie schien alles wissen zu wollen, jedes noch so winzige Detail. Sie fragte mich aus über mein Leben, über meine Fähigkeiten und vor allem über das was ich war. Eloise wollte wissen, was mich von den anderen Seelenwanderern unterschied und was uns verband. Doch es hörten nicht bei mir auf. Ich hatte zufällig mitbekommen wie sie auch Damjan mit Fragen löcherte, besonders hatte es ihr aber Villads und Adam angetan. Villads musste ihr alle möglichen Fragen über unsere Kindheit beantworten und obwohl er es nie zugeben würde, wusste ich, das er Eloise von Iruna erzählt hatte. An Silvester hatten sie zusammen gesessen, versunken in ihr Gespräch hatten beide nicht gemerkt, das ich hinter ihnen stand. Eigentlich zu weit weg um etwas zu hören, selbst für uns. Doch mein Gehörsinn war schon immer überdurchschnittlich gut gewesen und so lauschte ich mit rasendem Herz wie Villads mehr oder wenig freiwillig die Geschichte von Iruna erzählte. Zwar hatte Eloise sie schon gehört, doch Villads fand andere Worte, als die, die ich an seiner Stelle gewählt hatte. In seiner Geschichte war ich kein Monster und Iruna kein Opfer, wir waren beide einfach nur zwei Menschen, Menschen die wussten, dass ihre Liebe nicht funktionieren würde. Villads war überzeugt davon, das Iruna es wusste, es gar gewollt hatte. Und so sehr seine Worte auch meine Brust zuschnürten, so war es kein Vergleich zu dem, was ich gefühlt hatte, als Eloise damals den Pfeil in ihren Händen gehalten hatte. Zum ersten Mal verstand ich wie viel Iruna ihm bedeutet hat. Er hatte es versteck und erst jetzt, aus der Ferne, in der Rolle des Zuschauers, verstand ich es. Generell schien ich vieles erst jetzt wirklich zu verstehen.
Villads war auch derjenige, der vorgeschlagen hatte zu den Weisen zu gehen. Nicht um Eloise zu ihnen zu bringen, es ging auch um mich.

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