Teil 35 - Black Baccara

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Wir liefen stumm nebeneinander her, immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich auf unsere in Einader verschränkten Hände schaute. So etwas Banales, vermeintlich normales und doch fühlte sich dieser Moment so anders an. Speziell, wie der erste Kuss, die ersten zarten Berührungen. Kleine Dampfwolken umkreisten Eloises Gesicht, sobald sie ihren Mund leicht öffnete. Doch kein einziges Mal sagte sie etwas, ein zufriedenes Lächeln lag auf ihren Lippen, kaum sichtbar. Plötzlich ließ sie meine Hand los, unwillkürlich breite sich Kälte auf meiner nackten Hand aus, zog hinauf bis zu meiner Brust und drückte, nein schlug dagegen. „Entschuldigung, da sollte ich kurz ran gehen." Eloise hob ihre Hand aus der Jackentasche und deutete auf ihr leuchtendes Handy. Stumm nickte ich und ging einige Schritte voran, ließ ihr Raum und blendete so gut es ging ihre Stimme aus. Es ging mich nichts an mit wem sie sprach und worüber, für sie war ich kein Teil ihres Lebens mehr. Langsam schlenderte ich weiter, Eloise folgte mir, ihr Absätze übertönten meine Gedanken. Nach kurzer Zeit beendete sie das Telefonat, ohne das ich etwas mitgehört hatte. Eloises Blick ruhte auf mir. Ich konnte es in meinem Rücken fühlen. Ihr Blick brannte förmlich auf mir, diese Glut, lodernd, war fähig jegliche Kälte aus mir zu verbannen, ja mich in Flammen aufgehen zu lassen. Doch als ich mich vorsichtig zu ihr Umdrehte, stand nur eine Frau vor mir. Eine Frau mit goldenen Augen, so traurig und leer und doch so tief, so unerklärlich wie das ganze Universum. Ihre Haare flogen ihr immer wieder ins Gesicht, aufgelockert durch den Wind der um sie umwehte, sie einhüllte. Ohne ein Wort hob sie ihren Kopf, legte ihn in den Nacken und starrte zum Himmel. Wie in Zeitlupe rieselte eine einzige Schneeflocke herab und landete irgendwo in ihren Haaren. Zu ihr gesellte sich eine zweite und dritte. Innerhalb weniger Minuten durchbrachen sie den schwarzen Himmel und fielen friedlich zu Boden. Schnee, im Oktober. So was gab es einfach nicht, nicht hier! Doch als wollten sie mir das Gegenteil beweisen, wurden es immer mehr. Eloise stand noch immer regungslos da, starrte in den Himmel. Ich trat auf sie zu, streckte die Hand nach ihr aus und fing eine winzige Schneeflocke vor ihrem Gesicht ab, bevor sie auf ihre warme Haut treffen und schmelzen konnte.

Kleine, fast winzige Tropfen liefen ihr über die Haut. Ich beobachtete sie, wie sie über ihre Wange liefen und sich am Kragen ihres Mantels sammeln. Was war das? Eloise senkte ihren Kopf, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. „Wir sollten weiter gehen." „Ich würde gern wissen, woher der Schnee kommt." Antwortete ich. „Aus einer Wolke, soweit ich weiß." Meinte sie schroff. So standen wir da, wie zwei Fremde. Die Welt um uns verschwand hinter einem weißen Schleier. Wieder presste sie ihre Lippen zusammen und setzte sich in Bewegung. Ich folgte ihr bis wir vor der Bar ankamen. „Hatten Sie diese Lokalität im Sinn?" Sie schaute kritisch auf die Neonfassade an den leicht heruntergekommen Haus und griff nach der Karte, die vor der Tür an einer Schnur baumelte. „Lassen Sie sich nicht von der Fassade täuschen." Mit einem Ruck sprang die Tür auf und wir gingen hinein. Vorbei an bunten Lampions und unzähligen Bildern ging ich zu der Treppe vor, die in den untern Bereich führte. Leise drang uns die Musik entgegen und Eloise folgte mir zaghaft. Erst als wir an unserem Platz saßen, zudem uns die Kellnerin geführt hatte, ließ sie ihren Blick durch den Raum streifen. Hier war es dunkel, egal zu welcher Tageszeit. Kerzen, Lichterketten und Lampions waren die einzige Lichtquelle. Die Wände waren, überseht mit Zeichnungen, Bildern, Kitsch und Kram. Von der Decke hingen falsche Doller Scheine, Tausende von ihnen wippten im Wind der Lüftung. Noch immer skeptisch, aber auch neugierig schaute Eloise sich um. „Nun, damit hab ich nicht gerechnet." Sie lehnte sich in ihrem Plüschsessel zurück und griff nach der Karte vor ihr. Schmunzelnd tat ich es ihr gleich und versteckte mein Gesicht hinter der Karte. „Darf es schon was sein für die Ladys?" Die junge Frau von eben stand hinter mir und beugte sich vor zu uns. „Whisky Sour, bitte." Sie notierte sich lächelnd meine Bestellung. „Und für Sie?" Eloise blätterte noch in ihrer Karte, klappte sie zu und reichte sie ihr. Sie schaute mich an, dann die Kellnerin. „Sie nimmt das Gleiche." Fragend schaute die Frau Eloise an, wollte Anschein ihre Zustimmung haben, doch sie wurde von ihr ignoriert.

SEELENWANDERERWhere stories live. Discover now