Teil 16- Nachtviole

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Ihre Augen waren so dunkel, so wütend, sie verschoss förmlich Blitze in meine Richtung als sie ihre Arme überkreuzte und sich an die Wand am anderen Ende des Wohnzimmers stellte. „Siehst du mich so, Mira?" sie wiederholte ihre Frage, die sie mir vor einigen Minuten schon gestellt hatte. Ich merkte, dass sie sich beherrschte, um nicht zu schreien. Wütend fing sie an sich immer wieder durchs Haar zu fahren, bis es ihr wild vom Kopf anstand. „Was soll ich sonst denken?", ihr Verhalten war wie Tag und Nacht, es wechselte im Sekundentakt. „Verstehst du eigentlich was es für mich bedeutet? Wie es sich anfühlt, dich ständig sehen zu müssen? Ich habe keine Kraft mehr." die Wut verschwand aus ihren Augen und ich erkannte wie verletzt sie über meine Worte war. „Es tut mir leid.", mir fehlten die Worte. „Mir auch.", antworte sie leise. „Lass uns einfach darüber sprechen ok?" Sie steuerte das Sofa an und ich bewahrte meinen Abstand zu ihr, ich war mir nicht sicher, ob ich mich sonst beherrschen konnte.

So saßen uns jetzt gegenüber, keiner wollte den Anfang machen, die Stille durchbrechen. Ich beobachtete sie, prägte mir jeden Zug ihres Gesichts ein, ihre sonst so kühlen Augen, deren Blick jetzt wild durch den Raum flog. Ihre Sommersprossen, die kaum merklich um ihr Nase tanzten, wenn sie angestrengt auf ihrer Unterlippe kaute. Ihre graziösen Finger, die immer Beschäftigung brauchten, wenn sie nervös zu sein schien. Jeder noch so winzige Zug in ihrem Gesicht, ihren makellosen, athletischen Körper. Ich speicherte alles an ihr in meinem Gedächtnis ab, niemals wollte ich diesen Anblick vergessen. Es war mir nunmehr unmöglich mich dagegen zu wehren, ich konnte nicht vor ihr fliehen. Ihr Kuss. Es war wie ein Traum, einer den ich vergessen hatte zu träumen. Zu zerbrechlich war er, zu verlockend, ich wusste, ich würde daran verbrennen. Meine Gedanken schwebten davon als sie meinen Namen rief. Wie ein Seil das mich aus den Fluten meines Verderbens riss. Zu lange hatte ich nicht mehr zu gewagt es zu glauben, darauf zu hoffen, dass es wirklich passieren könnte. Konnte es sein? Liebte ich? Liebte ich tatsächlich nach all der Zeit wieder? Als ich die Augen aufschlug, saß ich noch immer an meinem Platz, sie war weg. War es nur ein Traum gewesen? Ein verlorener Traum. Und nach Ewigkeiten regte sich ein Gefühl in mir, das mich zerriss, ich wollte wieder träumen! Ich hatte Angst von Liebe zu sprechen, den Liebe war für mich schon immer das größte Unheil. Panisch suchte ich den Raum nach ihr ab, fing ihren Blick auf, fand keine Worte. „Ich verstehe das nicht." Ich war mir nicht sicher, ob sie mit mir redete, oder nur ihre eigenen Gedanken aussprach. „Ich verstehe das nicht Mira, was ist das zwischen uns?" ich konnte nicht mehr stumm bleiben. „Das wüsste ich auch gern!". Mein Leben lang hatte ich mit den Gedanken gelebt niemals wieder solche Gefühle entwickeln zu können, es zu dürfen. Musste es tatsächlich eine Antwort geben? „Es kann so nicht mehr weitergehen.", setzte sie sachlich nach. „Das stimmt.", immer wieder schaute sie weg, bis sie endlich weiter sprach. „Bist du in einer Beziehung!", ich hörte ihre Anspannung. „Nein." - „Nein?" erstaunt legte sie ihren Kopf schief. „Nein, ich führe keine Beziehungen.", antworte ich ihr wieder. „Du führst keine Beziehungen?", erst jetzt wurde mir die Doppeldeutigkeit meiner Worte bewusst. „Ja, ich führe keine Beziehungen, niemals!" verdeutlichte ich meine Worte. Sie dachte nach, schüttelte den Kopf „Warum nicht?" diese Frage bekam ich selten, die meisten akzeptierten es einfach. „Na ja, es hat sich für mich in der Regel nie die Frage gestellt." es entsprach der Wahrheit. „Das bedeutet du bist frei.", bohrte sie weiter nach. „Sieht so aus. Und du?" ich war mir nicht sicher, ob ich die Antwort überhaupt hören wollte. „Hmm.", sie starrte wieder den Boden an. „Und was bedeutet das?", es machte mich verrückt, wie sie sich um jede Antwort bitten ließ, wohl wissend dass ich das Gleiche tat. Wir tanzten um einander herum, immer bedacht nicht zu viel zu sagen. „Ich gehe seit einigen Wochen mit jemanden aus.", gestand sie. „Oh.", was erwidert man auf so etwas? „Es ist nichts wirklich Ernstes. Für mich zumindest." sie stockte. „Trotzdem darf es mit uns nicht sein..." Ich kannte ihre Beweggründe nicht, doch eigentlich sprach sie genau das aus, was ich schon längst wusste: „Ich weiß!", sie kam auf mich zu, ging wieder zurück und sank in einen Sessel. Sie zog ihre Beine an und legte ihren Kopf auf den Knien ab. Ich merkte wie ich nervös mit meinen Beinen zu wippen anfing. Sie überlegte, schien ihre Worte mit bedacht zu wählen. „Ich fühle mich von dir angezogen, auch wenn ich es nicht will. Es war für mich einfacher so zu tun als könnte ich dich nicht austehen, als meinen Gefühlen nachzugeben. Zudem reizt mich dein Verhalten sehr. Positiv und negativ." ich sah, die röte ihrer Wangen bei diesen Worten. „Was machen wir jetzt?" Ich hatte keine Antwort auf ihre Frage. „Müssen wir was machen?", es klang so naiv diese Frage überhaupt zu stellen, doch ich meinte es so. Ich wollte nichts machen, nichts zerstören. Ich war es leid immer alles zu überdenken, so gern wollte ich einfach nur Leben, meinen Drang nachgeben und einfach sein. Vielleicht durfte ich es endlich? Endlich frei sein, freier, keine Schuld mehr tragen, diese vergessen, vielleicht gab es doch so etwas wie Vergebung für mich. Zu schön ist allein der Gedanke daran. Meine Überlegung ließ mich Schmunzeln. Nein! Wem würde ich eine Lüge vormachen, mir? Ihr? Ich hielt mich an den Gedanken fest, nicht bereit ihn aufzugeben, nicht in der Lage mir einzugestehen das ich den Ausgang dieses Gesprächs schon kannte. Es wäre nicht fair ihr etwas vorzumachen. Sie würde niemals mit mir Glücklich werden könne. Ich würde sie verletzten, enttäuschen. Egoistisch wie ich war, war es mir egal. Ich wollte sie belügen, wollte mich belügen, uns beide mit berauschenden Wörtern zufrieden stellen. Doch ich blieb stumm. So sehr ich mir wünschte sie könnte mich vor dem unvermeidlichen Ruin retten, so genau wusste ich auch, dass ich sie nicht mit mir reißen wollte. Ich würde mich zurückziehen, aus ihrem Leben verschwinden. Nach einiger Zeit würde sie mich vergessen, könnte ein normales Leben führen ... Würde Glücklich sein. Vielleicht würde ich sie aus der Ferne beobachten, wohl Möglich könnte ich mich durch sie freuen? Könnte sie im Stillen beobachten? Es würde mir genügen, es musste einfach! „Mira, woran denkst du?" Mir blieb die Luft weg, nein, ich konnte nicht ohne sie sein. „Nichts.", presste ich hervor, nicht gewillt ihr die Wahrheit jemals zu sagen. „Du hast gestern gesagt wir sollen das hier und jetzt einfach das sein lassen, was es ist." Konnten wir es tatsächlich? „Vielleicht war das keine gute Idee.", entgegnete ich. „Und wenn wir nur diese paar Tage haben?", sie stand auf, ging wieder zum Fenster. Vielleicht hatte sie recht. Was wäre, wenn wir nur diese wenigen Tage hätten? Einige Momente der vollkommenen Freiheit. „Wie Ikarus der zur Sonne wollte.", murmelte ich.

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