Teil 11- Hyazinthen

736 53 4
                                    

Die Tür flog auf und dann wieder zu. Ich stand alleine in dem Zimmer und konnte meinen Blick nicht von dem Bett abwenden. Wütende wählte ich Lisas Nummer.
„Hi, bist du schon da?" Meldete sie sich nach dem zweiten Klingeln.
„Wir sind beide schon da, Lisa. Was soll der Scheiß?"
Es kam keine Antwort von ihr, nur ein lautes Schlucken war in der Leitung zu vernehmen, meine Tonlage war eisig.
„Ähm ja, hatte ich dir nicht gesagt hupsi. Du hattest dich doch so auf Kopenhagen gefreut, na ja und da hab ich gedacht ihr könnt euch ja so vielleicht ein bisschen besser kennenlernen. Ihr seid doch immer so blöd zueinander und, "
Ich unterbrach sie scharf. „Lisa verdammt, wir sind nicht blöd zueinander, wir können uns beide nicht ausstehen! Was denkst du dir dabei uns ein Doppelzimmer zu buchen?"
Wieder schwieg sie und atmete tief ein bevor sie weiter sprach. „Es gab keine Einzelzimmer mehr, ihr seid doch beide Frauen, da schaut ihr euch schon nichts weg."
Jetzt reichte es endgültig. „Wegschauen? Ist das dein voller Ernst? Wir können uns fröhlich die ganze verdammte Nacht anschauen."
Sie stutze. „Anschauen? Wieso anschauen?" Fragte sie irritiert.
„Weil ein riesiger Spiegel an der Decke hängt über dem Bett, Lisa! Obwohl, warte mal. Wahrscheinlich haben wir uns schon beim Duschen alles weggeschaut!" Schrie ich nun.
„Wieso habt ihr den die Honeymoonsuit bekommen? Die hatte ich doch extra nicht genommen, weil ich doch wusste, das ihr schon aufgrund des Doppelzimmers sicher nicht so glücklich sein würdet. Deswegen hab ich zwei Einzelbetten gebucht!"
Ich hörte wie sie mit den Zähnen knirschte.
„Eloise hat Theater gemacht. Die an der Rezeption hat mir ein größeres Zimmer gegeben und nicht erwähnt, dass es ein verdammtes Sexzimmer ist."
Sie prustete los und bekam sich gar nicht mehr ein. „Tja da müsst ihr wohl jetzt durch.", presste sie lachend hervor.
„Das werden wir ja noch sehen!"
Wütend legte ich auf und ließ mich auf das Bett fallen. Sofort spiegelte ich mich in der Decke und drehte mich angewidert auf die Seite.

Schnell gab ich meine Suchanfrage bei Google ein. Kein einziges verfügbares Zimmer wurde mir in Kopenhagen angezeigt. Ich setzte einen Hacken bei Jugendherbergen und Hostels, doch auch jetzt kamen Null Treffer. Vier Hotels rief ich an, doch alle sagten mir, das ganz Kopenhagen voll sei wegen der Messe und irgend einem Konzert.
Eine halbe Stunde suchte ich bereits, als die Tür aufgerissen wurde und Eloise mit hochrotem Kopf hereinstürmte.
„Die weigert sich uns ein anderes Zimmer zu geben. Angeblich sind jetzt auch dem Standard Zimmer weg. Ich weiß nicht, was Sie jetzt machen, aber ich suche mir ein anderes Hotel." Feuert sie mir entgegen.
Ich stütze mich auf meine Ellbogen. „Das wird nicht klappen. Ich habe in ganz Kopenhagen gesucht. Es ist kein einziges Zimmer frei."
Ihr Gesicht wurde schlagartig blass. „Was?" Stammelnd starte sie mich an.
„Ich habe schon alles durch, selbst Hostels."
Bei den Worten verzog sie angewidert das Gesicht.
„Das darf doch alles nicht wahr sein. Haben Sie das gewusst?" Sie funkelte mich an.
„Selbstverständlich, ich habe explizit gesagt, dass ich gern ein Zimmer hätte, bei dem meine Chefin mir beim Duschen zu sehen kann!" Entgegnete ich und funkelte zurück.
Sie schien tatsächlich darüber nachzudenken.
„Meine Güte, natürlich nicht. Keine Ahnung was sie sich dabei gedacht hat. Wahrscheinlich waren Sie so nett zu ihr, dass sie uns eine besondere Freude machen wollte." Warf ich ihr vor.
Mit offenem Mund stand sie noch immer mitten im Raum. Ich schnappte mir meine Jacke und ging an ihr vorbei. Ich musste hier raus.

Mit einer Zigarette in der Hand drängte ich mich an den Menschen im Hafen vorbei, die sich mit der Kamera im Anschlag um die kleine Meerjungfrau tummelten.
Zielsicher steuerte ich eine Bar in einer kleinen Seitenstraße an. Auch hier tummelten sich Menschenmassen. Alle machten sie Fotos von den alten Fachwerkhäusern, posierten fröhlich vor der Kamera und verrenkten sich unnatürlich.
Endlich erreichte ich die weit geöffnete Flügeltür und ging in die spärlich beleuchtete Bar. Die Wände waren geschmückt mit uralten Kerzenständern. Kleine Tische waren in dem Raum verteilt, der Boden darunter war mit Perserteppichen in den wildesten Farben bedeckt. Überall standen alte Weinpressen, Whiskyfässer und Krimskrams aus der ganzen Welt. Der Tresen der Bar war riesig und nahm den halben Raum ein. Regale platzen aus allen Nähten unter der Last von hunderten Flaschen, die durch Dimmer dezent beleuchtet wurden. Dahinter bedeckten Fresken die blanke Ziegelwand. Es war wie nach Hause kommen.
„Hey Adam, einen Absinth bitte!"
Der Barkeeper hob den Kopf und strahlte sie an. „Mira, was machst du den hier?" Er beugte sich über den Tresen und Umarmte mich herzlich.
„Ich bin beruflich hier." Antwortete ich ihm und sank auf einen der Barhocker.
„Hey Cam komm her! Achau, wer hier ist!" Seine tiefe Stimme donnerte durch den ganzen Raum. Die meisten anwesenden Gäste wanden ihren Kopf zu ihm. Er winkte wild in Richtung der Tische an der Wand. Es passte nicht zu einem so wild aussehenden Wikinger, fröhlich wie ein kleines Kind, durch den ganzen Raum zu winken. Doch sein Äußeres war nur Fassade. Er war zu gut für diese Welt.
„Ah ah ah! Niemals! Mira! Was sehen meine alten Augen da! Ah!" Cam stolziert auf mich zu und schmiss seine Arme um mich. Sofort war ich eingenebelt von Weihrauch und Orange. Ich hielt ihn fest an mich gepresst.
„Ich hab dich vermisst Cam. Ich hab euch vermisst!"
Sein Blick wanderte suchend durch den Raum.
„Cam, ich bin alleine hier!"
Sofort galt seine ganze Aufmerksamkeit mir.
„Ah wo denkst du hin Schätzchen, ich hab nur geschaut." Der Tonfall verriet ihn und er handelte sich einen Klaps von Adam ein. „Hey, ich hab ja nur geschaut!" Er verdrehte spielerisch die Augen und nahm den Absinth, den Adam ihm reichte.
„Auf die Familie!" Prostete Adam uns zu.
„Auf die Familie!", antworteten wir im Chor.
Wir waren Familie, durch unser Schicksal verwandt. Seit nun über 1000 Jahren kannte ich Cam. Er war mein ältester Freund, vor 300 Jahren hatte er Adam gefunden. Im Krieg hatten sie gegeneinander gekämpft, sich verliebt. Cam schuf ihn, als der Krieg vorbei war. Oft hab eich mit Cam darüber gesprochen, wie er lieben konnte, nachdem sein größtes Glück gestorben war, doch er widersprach mit stets. Adam wäre so viel mehr als sein größtes Glück, er wäre seine Seele, die Götter hätten einen Fehler gemacht als sie ihn schufen damals. Ich glaubte ihm, die Liebe zwischen den beiden war spürbar.
„Was treibt dich den wieder her, mein Schatz?" Elegant kreuzte er seine Beine auf seinem Stuhl und stütze sein Kinn in seiner Hand ab.

SEELENWANDERERWhere stories live. Discover now