Teil 4- Narzisse

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Lisa begrüßte mich mit den charmanten Worten: „Was hast du den da an? Montag ist doch dein Businesstag!" Als ich den Meetingraum betrat.
„Heute nicht." Presste ich nur hervor und ließ mich neben sie auf einen Stuhl fallen. Eloise hatte mir die Laune verdorben und ich hatte mich aus Trotz nicht umgezogen, es kümmerte doch eh keinen, alle hier in dem Raum kannten mich schon rund zwei Jahre und wussten, dass ich es eher etwas schlichter hielt. Ich beteiligte mich, wie so oft, nicht an den regen Diskussionen und hörte auch kaum hin. Lieber ließ ich meinen Blick immer wieder zu Eloise gleiten, die am anderen Ende des Tisches neben Torben saß und sich Notizen machte. Zum Ende hin ergriff Dirk, der Bauleiter für die meisten großen Projekte bei HUNTED, das Wort.
„Mira, also ich bin gleich vor Ort, sollen wir die Pläne noch besprechen, oder machen wir es so wie du es letztens gesagt hast?" Fragte er mich.
„Es bleibt dabei. Ich habe mit der Klinikleitung gesprochen und sie sind begeistert von unserer Idee mit dem Garten. Die Verträge liegen ihnen schon vor! " Antwortetet ich und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Dirk war mir hier in der Firma der liebste, mit seinen 57 Jahren, den kleinem Bierbauch und dem immer freundlichen Gesicht, hatte ich ihn schnell in mein Herz geschlossen. Er war wie ein Vater für viele hier und auch er mochte mich sehr gern. Manchmal brachte er mir Braten mit, den seine Frau ihn mitgeben hatte.
„Gut Liebes, dann setzten wir uns mal die Tage zusammen und machen dann endgültig Klarschiff. Die Jungs wollen endlich loslegen. Und für dich arbeiten die Burschen besonders gern, wa!" Lachte er und hielt sich dabei den Bauch.
„Nein, Mira hat die Leitung für das Projekt." Hörte ich Torben noch zu Eloise sagen, bevor wir alle um 11.00Uhr in den Tag entlassen wurden. Lisa warf mir einen vielsagenden Blick zu und hob den Daumen nach oben als wir uns verabschiedeten, ein Versuch mir Mut für mein Gespräch mit meiner „Chefin" zu machen.

Mich meinem Schicksal stellend, sammelte ich in meinem Büro alle herumfliegenden Zeichnungen ein und legte sie auf die Kommode unter der Pinnwand. Da ich nur einen Stuhl am Schreibtisch hatte, räumte ich sowohl die Ledercouch als auch den Sessel an der Wand leer, damit Madame sich gleich setzten konnte. Als ich fertig war betrachtete ich mein Werk und war zufrieden mit mir. Ich mochte mein Büro, es war ein Teil von mir. Da ich hier keinen Kundenkontakt hatte, hatte ich es ganz nach meinem Geschmack eingerichtet. Die Wände waren in einem warmen grau Ton gehalten und die Wand über dem Sofa überseht mit Bildern und Fotografien die ich über die Jahre angesammelt hatte- Allesamt in hübsche Rahmen gefasst und wild über die ganze Wand verteilt. Mein liebstes hing in der Mitte und wurde von den anderen eingerahmt, es zeigte mich und Damjan Anfang der 20er Jahre wie wir gerade den Charleston tanzten. Jeder der nicht wusste, dass es ein Original war, dachte, es wurde auf einer sehr getreuen Kostümparty aufgenommen. Es passte perfekt in den Raum. An den Fenstern hatte ich zudem Folien angebracht, die das Licht bei direkter Sonneneinstrahlung brachen und den Raum mit hunderten kleinen Regenbögen flutete. Kitschig, doch irgendwie war mir danach.

Um Punkt 11.30Uhr klopfte es an der Tür, immerhin stürmt sie nicht einfach hinein, dachte ich mir als ich sie hereinbat. Unerklärlicherweise war der kleine Rum sofort von ihrer Präsenz erfüllt, als sie eintrat und ihren Blick wandern ließ. Sie schaute sich offen um und blieb an den Bildern an der Wand hängen, in aller Ruhe schaute sich jedes an, besonders lange das Bild von Damjan und mir. Wie lange wollte sie da noch stehen bleiben? Ich räusperte mich leicht und sofort schien sie aus ihren Gedanken gerissen worden zu sein. Sie suchte einen Stuhl vor dem Tisch, fand ihn nicht und ließ sich auf dem Sessel nieder, ein Notizbuch auf dem Schoss ausgebreitet. Zu meinem Erstaunen sagte sie nichts, sondern schaute mich einfach an.
„Sie wollten etwas besprechen?" Fragte ich sie, ihr Blick, er verunsicherte mich fast.
„Ja, genau. Nun eigentlich wollte ich mit Ihnen Ihre Aufgaben durchgehen und ihnen meine erläutern." Fing sie an und zählte mir auf was sie alles übernehmen würde, ich nickte hier und da, es war nichts was mich betraf.
„Und ich möchte das Klinikprojekt." Beendete sie Ihre Rede.


„Was?" Entfuhr es mir.
„Ich möchte das Klinikprojekt. Es klingt nach einem guten Einstieg für mich hier. Außerdem", ihr Blick wurde wieder kalt, Ihre Stimme war nun herablassenden „halte ich es für keine gute Idee, wenn Sie das alleine machen. Die Objektivität könnte ein wenig auf der Strecke bleiben."
Was erlaubte sie sich? Am liebsten hätte ich ihr Vorgeführt wie objektiv meine Hand in ihrem Gesicht landen konnte, doch ich schaute sie nur an. Das Spiel beherrschte ich auch!
„Na gut, dann lasse ich Ihnen alles zu kommen, damit Sie Ihre Objektive Meinung dazu äußern können." Ich legte eine Pause ein und beugte mich leicht vor zu ihr, bevor ich weiter sprach. „Es ist allerdings bereist alles geklärt. Dirk hat eben den Vertrag mit der Klinikleitung unterzeichnet. Leider kann ich Ihnen in dem Punkt nicht entgegenkommen. In den Papieren bin ich als Projektleitung aufgeführt, das stellt doch sicher kein Problem dar, oder?" Fragte ich sie und ließ meine Stimme extra freundlich klingen. Ich erwartete Wut, Zorn, eine Zurechtweisung, im schlimmsten Fall eine Abmahnung, aber nicht das. Sie schaute mir zum ersten Mal direkt in die Augen, forschend und belustigt? Eloise saugte Ihre Unterlippe leicht ein und biss darauf, ihre Stimme war sanft als sie endlich sprach, fast so leise wie ein Flüstern.
„Nein, ich denke dass ich das akzeptieren muss." Ihre stechend grünen Augen, noch immer direkt auf mich gerichtet. Plötzlich klappte sie ihr Notizbuch zu, ein kleiner Regenbogen erschien auf dem braunen Leder. Es passte so gar nicht zu Ihrem forschenden Blick und den hochgezogenen Augenbrauen.
„Was ist das?" Fragte sie, als sie sah, dass der ganze Raum anfing zu glitzern.
„Eine spezielle Linsenfolie die das Licht bricht. Man sieht sie nicht, nur wenn Sonne darauf trifft. Es macht etwas Besonderes noch einzigartiger." Antworte ich ihr.
Wieder schaute sie mich an, zum ersten Mal seit langem, konnte ich einen Blick nicht deuten, ich wusste nicht was in ihr vorging. Nicht das ich Gedanken lesen könnte, aber Gefühle blieben mir selten verborgen. Menschen waren nicht sonderlich gut darin diese zu verbergen. „Einzigartig, wohl wahr." Sie stand auf und verkündete das wäre alles gewesen.

Als sie ging, hing ihr Duft noch in der Luft nach, süßlich und zart, so gar nicht wie sie- nach Lilien und Rosen. Einzigartig irgendwie. Ich verstand sie nicht, sie war kühl, so arrogant und unnahbar und dann, nur ganz kurz, für winzige Augenblicke hatte sie eine andere Eloise gezeigt. Und vor allem fragte ich mich, wo ihr Problem mit mir lag und warum sie mich so reizen konnte. So wie ich sie heute Morgen im Meeting erlebt hatte, war sie zu niemanden wirklich sehr freundlich, aber stets korrekt und sachlich.

Den restlichen Nachmittag beantwortete ich E-Mails und machte die Sachen fertig, die sich letzte Woche angesammelt hatten und schickte Eloise die Unterlagen zum Klinikprojekt. Gegen 17 Uhr machte ich mich auf den Weg in die Universität. Im kleinen Hörsaal waren noch viele Plätze frei und so ließ ich mich in der hinteren Reihe nieder und beschloss noch schnell rauchen zu gehen. Ich beobachtete mehrere Mädchen, die auf der Wiese vor dem Gebäude saßen und ihre Köpfe über mehreren Büchern zusammensteckten. Genervt fing eine von ihnen an ihre Sachen zusammenzuräumen und stampfte dann davon, in das innere der Universität. Wir schauten ihr alle nach und die anderen fingen an zu lachen. Eine von den vier schaute mich direkt an und zog die Schultern hoch, ich tat es ihr gleich. Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln und ich nickte ihr zu, als auch sie hineinging. Soweit ich mich erinnerte war sie ebenfalls in meinem Kurs. Kopfschüttelnd machte mich ebenfalls auf den Weg.

Der Raum war nun komplett gefüllt, knapp 80 Augenpaare waren nach vorne gerichtet zu dem Pult vor der großen, weißen Leinwand. Die neue Dozentin wühlte gerade, mit dem Rücken zu mir, auf den Boden hockend in ihrer Tasche. Möglichst unauffällig machte ich mich auf den Weg zu meinem Platz, die Blondine von eben saß tatsächlich in der ersten Reihe. „M. Jefferson? Beehrt uns M. Jefferson heute mit ihrer oder seiner Anwesenheit?"
Das war dann wohl ich, die Stimme kam aus einem Lautsprecher an der Wand. Ein Mikro? Ernsthaft?
„Ja! Ja, das bin ich! Sorry, ich hatte beruflich zu tun und", ich drehte mich mitten beim Besteigen der Treppe um und schaute in verwunderte malachitgrüne Augen.
Das „Fuck!" rutschte mir raus, noch bevor ich es denken konnte, unterstrichen von einem leisen Lachen von der Blondine vorne.
„Berufliche Gründe? Interessant." Die Frau vorne am Pult fixierte mich, Eloise Lumiere verschränkte ihre Arme vor der Brust. Ein komisches Knistern lag in Luft, keiner schien sich zu rühren, geschweige den zu sprechen.
„Dann beantworten Sie mir doch folgende Frage; Venus, Mars oder Amor? Was bevorzugen Sie?"

SEELENWANDERERHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin