20 - Einfach zu viel Wasser

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Ein hochgewachsener Mann mit einem deutlich breiteren Rücken als der von meinem Dad stand uns gegenüber und lächelte uns nacheinander breit an.

"Da seid ihr ja."

Mein Dad nickte dem Mann, der vielleicht Mitte vierzig alt zu sein schien, grinsend zu. Es war keine Spur mehr von seiner anfänglichen Nervösität zu merken, die er bis eben gerade noch während der Autofahrt mit sich herumgeschleppt hatte.

Deswegen ließ ich beruhigt von ihm ab und konzentrierte mich stattdessen auf seinen Freund aus früheren Zeiten.

Sein Gesicht war rundlich, trotzdem konnte ich erkennen, dass er früher bestimmt eine sehr definierte Kieferpartie gehabt hatte. Seine Haare waren erstaunlicherweise sehr hell, obwohl blond ja meistens im Alter nachdunkelte. Er hatte offenbar dieses goldene Braunblond behalten. Seine Augen, die pure Freundlichkeit ausstrahlten, blieben nun voller Interesse besonders bei mir stehen.

"Meine Herren, Adam. Hätte ich in der Schulzeit das Phantom deiner Tochter beschreiben sollen, hätte ich sie wirklich genau so beschrieben. Sie ist komplett die weibliche Form von dir", gab er vollkommen offen zu, während er mich weiter von Kopf bis Fuß musterte.

"Stimmt, du und deine Visionen", lachte Dad.

Der Mann stimmte mit ein und schließlich hatte er mich und Dad wohl lange genug verglichen, denn er streckte mir nun die Hand entgegen. "Ian", stellte er sich schmunzelnd vor.

Schnell, um ihn nicht unhöflicherweise zu lange warten zu lassen, ergriff ich seine große Hand und drückte sie kurz. "Iva."

"Iva", hörte ich ihn erstaunt murmeln, dann wandte er sich an Dad. "Ich hätte fast alles darauf verwettet, dass du ihr einen richtig langen Zungenbrechernamen gibst, dass du dich immer darüber amüsieren kannst, wie niemand mit der Aussprache zurechtkommt. Das würde dir und deinem Humor ähnlich sehen."

Fragend drehte ich den Kopf zu Dad, der als Reaktion darauf erneut leise in sich hineinlachte. "Tja. Ich dachte mir, warum auch immer alles kompliziert machen und der Name hatte mir sehr gefallen."

Ian grinste und wollte gerade etwas darauf erwidern, als ihn eine sanfte, dennoch energische Stimme davon abhielt.

"Mensch Ian, willst du die beiden nichtmal hineinlassen? Das Essen ist gleich fertig und außerdem überrumpelst du die beiden ja komplett mit deinem Redeschwall."

"So bin ich nunmal", rief er lachend zurück in das Innere dieses prunkvollen Hauses. Dann trat er einen Schritt zur Seite und streckte einladend den rechten Arm aus. "Na dann will ich euch nicht weiter aufhalten. Herein mit euch."

Mein Dad lachte - mal wieder - und ich musste zugeben, dass er das in letzter Zeit viel zu selten tat. Aber irgendwas schien dieser Ian bei ihm auszulösen, dass seine Anspannung und alles andere komplett von ihm abfiel.

Es war bemerkenswert.

Und auch ich musste sagen, dass ich ihn, obwohl ich ihn erst ein paar Sekunden kannte, ebenfalls total sympathisch fand.

Irgendwie hat er einen Hauch von kindlichem Sonnenschein im Körper eines Erwachsenen.

Als wir eintraten, empfing uns ein leckerer Geruch nach gebratenem Fleisch und Gemüse. Es war ein wahrliches Duftparadies und automatisch begann mein Magen zu knurren. Langsam lief ich hinter meinem Dad hinterher, da ich seine Rückendeckung nutzte, um mich in Ruhe umzugucken.

Es war alles so schön auf alt gemacht.

Der Flur war mit dunklen Fliesen in Holzoptik ausgestattet. Die Farbe passte perfekt zu der hölzernden Treppe, die sich gleich rechts von uns nach oben erstreckte. Die schöne Tapete und die stilvolle Deko dazu konnte ich nur aus den Augenwinkeln wahrnehmen, da mein Dad plötzlich schon fast in einem anderen Raum verschwunden ist - und ich stand noch immer wie eine Idiotin mit offenem Mund im Flur herum.

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