1 - Ankommen

9.5K 291 46
                                    

Von außen wirkte der Club recht unauffällig. Wie ein Laden mit einem großen Schaufenster, eingeklemmt zwischen anderen Läden, die tagsüber Kaffee und Kuchen anboten.

Ich zog die Stirn kraus und drehte meinen Kopf herüber zu meinem besten Freund, Tate. Der Typ beste Freund, der Urheber unseres nächtliches Ausfluges war und sich nun mit einem gefälschten Ausweis ganz selbstbewusst in die Schlange vor dem Eingang des Clubs reihte.

Laut Clubvorschriften durfte man hier erst mit zwanzig Jahren das Tanzbein schwingen oder mit einer gesonderten Ausnahme. Bisher hatten wir beide noch nicht den Grund herausgefunden, warum man hier erst 20 Jahre alt sein musste.

Wir waren beide regelmäßige Clubgänger und mit neunzehn Jahren kam man bestens überall herein, ohne Mami oder Papi um Erlaubnis zu bitten und ihre Unterschrift mit sich herumzutragen.

Mal davon abgesehen würde ich nur die Unterschrift meines Vaters in der Gegend umherschleppen und vorzeigen - doch auf sein Autogramm konnte ich lange warten.

Seine Aussage wäre Konzentriere dich erstmal darauf, auf welche Uni oder auf welches College du möchtest. Danach reden wir weiter über Unterschriften oder jegliche weitere Erlaubnisse.

Das Ding an der Sache war: Ja, ich war neunzehn. Ich konnte machen, was ich wollte und wo ich wollte.

Aber finanziell war ich leider noch ein Stück von ihm abhängig, denn mit meinem kleinen Nebenjob reichte es nicht für eine Wohnung. Und Wohnungen waren bei uns in der Gegend sowieso knapp.

Ansonsten war mein Vater ein relativ entspannter Mensch - so entspannt, dass er seit der Trennung mit meiner Mutter ständig wechselnde Partnerinnen hatte.

Alle blond.

Zum Glück bekam ich davon nicht immer alles mit. Er war viel als Mitglied in einer sehr guten und erfolgreichen Eishockeymannschaft unterwegs. So war ich viel auf mich allein gestellt und konnte auch in unserem Appartement anstellen, was ich wollte.

So wie auch heute, auf einem Mittwochabend.

Mein Vater hätte mich an der Schulter festgehalten und mich erstmal noch in ein Gespräch eingewickelt, welche Unis denn schon Rückmeldungen gegeben haben. Und ob ich schon eine weitere Bewerbung abgeschickt hätte.

Es war ätzend.

Jedenfalls hätte ich das mit dem Weggehen abends garantiert vergessen können.

Nun, da er aber heute und die nächsten zwei Tage nicht Zuhause sein würde, sondern irgendwo bei einem wichtigen Spiel in New York, stand ich hier mit Tate und freute mich wie ein gescheckter Igel auf den bevorstehenden Abend.

Mit Tate war es nie langweilig.

Seit dem wir auf der Highschool zusammen ein paar Kurse belegt hatten, freundeten wir uns an und schoben unser Level von Sitznachbar auf beste Freunde.

Unsere Abende, an denen wir weggehen, hatten öfter die ähnlichen Muster.

Entweder wir beide verbrachten den Abend komplett zusammen - oder wir ließen gleich von Anfang an unsere Blicke umherschweifen und suchten nach möglichen Tanzpartnern.

Ich liebte es mit Tate zu tanzen und ich wusste, dass er es auch mit mir liebte zu tanzen. Doch mehr als den Freundesfunken verspürten wir beide nicht - und sind wir mal ehrlich. Wer liebt es nicht mit etwas Funken von Verlangen und Lust seinen Spaß beim Tanzen zu haben?

Wenn es uns also nicht nach dem Freundesfunken stand, sahen wir uns um. Meist funktionierte es tatsächlich, dass jeder von uns jemanden fand. Natürlich versuchten wir uns nicht aus den Augen zu verlieren und auch das klappte bisher gut.

Doch die Betonung lag auf bisher.

Denn ich hatte keinen Schimmer, was mich diesen Abend erwarten würde.

Den Anfang machte der Türsteher, der uns nach weiteren fünf Minuten nun gegenüber stand. Tate strich sich durch die aschblonden Haare und zog ganz locker seinen "neuen" Ausweis aus dem Portmonnaie und präsentierte dem Schrank vor uns die kleine Karte mit einem verschmitzten Grinsen.

Dieser Schlingel.

Der Türsteher nickte, nachdem er einen ziemlich langen Blick auf die Karte geworfen hatte, zu mir herüber. "Und sie ist deine Begleitung?"

"Richtig", antwortete Tate und schwang einen seiner muskulösen Arme um meine Hüfte. "Ich habe gesehen, dass Leute über achtzehn und unter zwanzig in Begleitung eines Zwanzigjährigen den Club betreten dürfen."

Wow, ich hätte mich in dem Satz schon dreimal verhaspelt.

Der Türsteher entgegnete Tates freches Lächeln. Ich vermutete, dass er auch noch nicht viel älter als wir beide war. "Das ist korrekt. Dann wünsche ich euch beiden viel Spaß." Er winkte uns weiter hinein.

Nachdem wir eine Treppe nach unten gestiegen sind, betraten wir einen kleinen Vorraum und ein angenehmer, recht frischer Duft strömte mir entgegen. Für einen Club roch es hier ungewöhnlich süß und irgendwie... nach Strand. Blumen. Meer.

Außerdem erwartete man im Keller muffige und stickige Luft, keinen frischen Strandflair.

Ich schüttelte den Kopf.

Anscheinend hatte Tate die zwei Cocktails Zuhause zum Vorglühen doch schon etwas zu stark gemixt. Oder ich hatte mir heute im Park beim Lesen einen Sonnenstich eingefangen und erst jetzt traten die Folgen auf.

Eine zierliche Frau um die dreißig Jahre musterte uns kurz, dann zog sie einen Stempel aus ihrer kleinen schwarzen Bauchtasche hervor und drückte uns jeweils ein Symbol auf den Handrücken.

Im schwachen bläulichen Dämmerlicht konnte ich die Umrisse eines geschliffenen Diamantes ausmachen, die nun in schwarzen Linien über meine Haut liefen.

Danach wurden wir weitergewunken und das Übliche, die gute Taschenkontrolle, stand bevor. Als wir auch das hinter uns gebracht hatten, konnten wir endlich einen langen Flur entlanggehen.

An einer geschlossenen, doppelflügigen Tür kamen wir zum Stehen.

Ein weiterer Mann, der neben der Tür abgestellt wurde, warf einen Blick auf unsere Handrücken und ich war erstaunt, wie das hier alles offenbar organisiert wurde. Außerdem schien der unterirdische Bereich größer zu sein, als von außen vermutet.

Ich bemerkte eine kleinere Gruppe, die hinter uns vobei den Flur weiter hinunterging und um die nächste Ecke verschwand.

Was sich dort wohl verbarg? Gab es hier mehrere zugangsbewachte Floors oder wie sah das hier aus?

Bevor ich mir weiter darüber Gedanken machen konnte, griff Tate nach meiner Hand und zog mich durch die plötzlich geöffnete Tür in eine Welt voller Lichtspektakel.


Dark ClubWo Geschichten leben. Entdecke jetzt