54 - Das Leckerliemassaker

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"Wow, was ein Panzer aus Holz", waren die ersten Worte von Tate, als wir aus seinem neuen  - oder auch alten - roten Chevi ausstiegen und den Blick frei auf das Zuhause von Charon hatten.

Es war ein riesiges Holzhaus. Zu beiden Seiten war unendlich viel Platz zu den Nachbarn und ich bin mir sicher, auch der Garten wird riesig sein, der sich noch hinter dem Haus verbarg.

Kein Wunder, dass er die letzten Tage der warmen Jahreszeit in diesem Garten verbringen wollte.

"Ohja", stimmte ich ihm zu. "Aber es sieht schön aus."

Ich konnte verstehen, warum Easton laut Charon so oft bei ihm war. Jemand, der Geographie und gerade Landschaften so mochte, den zog es eher in den ländlichen Bereich als in ein Stadthaus mitten in Brokenville.

"Wie reich sind denn seine Eltern bitte?" Tate nahm immer noch staunend das Haus ins Visier. "Unglaublich. Und guten Geschmack haben sie auch."

Ich nickte. "Offentsichtlich." Am Gehweg parkten noch ein paar andere Autos, darunter auch ein goldgelber Sportwagen.

Das veranlasste mich dazu, einmal tief Luft zu holen.

Easton war auch schon da - ob Adriana heute auch zu dieser kleinen Runde kam? Immerhin war sie die Cousine von Charon und wer weiß, vielleicht hatten sich Easton und sie doch wieder vertragen.

Ein Wollknäuel nistete sich in meiner Magengegend ein.

Ich sollte nicht weiter über ungelegte Eier nachdenken.

Tate griff nach meinem Arm und zog mich über die Straße. Ich hatte mir ein Shirt angezogen, da es heute zur Überraschung recht mild für den Spätsommerabend war. Doch für den Fall der Fälle baumelte eine kuschelige Strickjacke um meine Hüfte vor sich hin.

"Komm", sagte mein bester Freund. "Lass uns endlich reingehen."

Gemeinsam näherten wir uns dem Haus, gingen an der großen breiten Garage vorbei und blieben schlussendlich vor der Haustür stehen. Tate übernahm die Initiative und drückte das Klingelschild, auf das schnörkelig der Name Fray prankte.

Wir brauchten nicht lange zu warten, da wurde uns auch schon die Tür aufgemacht.

Eine kleine Frau kam zum Vorschein, ihre blauen Augen stachen in einem schönen Kontrast zu ihren platinblonden schulterlangen Haaren hervor und ihr Lächeln wirkte so unfassbar freundlich und warm, dass es mich regelrecht selbst zum Lächeln ansteckte. "Hey ihr beiden. Iva und Tate, richtig?" Sie hielt erst mir die Hand hin, dann Tate. "Ich bin Cassie, Charons Mutter. Kommt gerne herein, die Schuhe könnt ihr anlassen. Die anderen warten auf euch im Garten - ach und wollt ihr etwas trinken?"

Wow, sie konnte ja auch wie ein Wasserfall plappern - aber komischerweise störte es mich nicht. Im Gegenteil, es machte sie gleich sympathischer.

Während Tate ihr sogleich antwortete und ein Gespräch mit ihr anfing, fixierte ich die strahlend weiße Katze an, die plötzlich auftauchte und sich um Cassies Beine schmiegte. Sie war wunderschön, obwohl ihr ein Ohr fehlte, stellte ich schockiert fest.

Charons Mutter bemerkte meinen Blick, als wir in den Flur eintraten. "Ach, du hast schon Robin Hood entdeckt, wie ich merke."

"Robin Hood?", wiederholte ich.

"Robin fehlt ein Ohr", entwich es nun auch Schnellchecker Tate, besorgt schaute er auf die Katze herunter.

Cassie bückte sich und hob den Kater an, der sich gleich darauf gemütlich in ihren Armen räkelte. "Ja, ihm fehlt ein Ohr, weil er es im Tierheim verloren hat. Dort hat er immer die anderen Katzen vor den bösen Katern beschützt. Ich habe mich gleich in ihn verliebt", liebevoll kraulte sie dem Tier hinter die Ohren. "Und mein Mann meinte darauf, er soll Robin Hood heißen. Der Helfer der Ärmeren auf eine andere Art und Weise."

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