Kapitel 57

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„Erzählen Sie mir, was Sie bedrückt.", sagte Professor McGonagall, als sie den kleinen schwarzhaarigen Jungen um elf Uhr abends in ihrem Büro bat. Sirius trat ein und setzte sich auf den Stuhl, der vor ihrem Schreibtisch stand. Sie war offensichtlich noch am Arbeiten, da sie, anders als Sirius, noch ihren Umhang trug und auf dem Schreibtisch ein großer Stapel Pergament lag.

Sirius zögerte. Er war es nicht gewohnt, seine Gefühle zu teilen. „Ich denke, dass ich ein Problem damit habe, mit meiner Wut richtig umzugehen.", sagte er leise und sah zu Boden. „Was genau meinen Sie?", fragte Professor McGonagall und schenkte ihm einen Tee ein. Er nahm die heiße Tasse in die Hand und wärmte seine kalten Finger.

„Manchmal, nun ja, da spüre ich so eine Wut in mir. Ich merke dann, wie ich alle anderen dann für meine Probleme verantwortlich mache und gemein zu ihnen werde.", sagte er zaghaft. Professor McGonagall nickte und sah ihm in die Augen. Er spürte, wie sie sich Gedanken um ihn machte, wie sie ihm aufmerksam zuhörte.

„Haben Sie eine konkrete Situation vor Augen, Mister Black?", fragte sie sanft. Sirius zögerte. Er wusste nicht recht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte, er hatte noch nie eine erwachsene Vertrauensperson gehabt.

„Neulich, als Schniefe- ich meine Severus Snape mich im Unterricht bloßgestellt hat und gesagt hat, dass meine Sonnenbrille unnötig sei, habe ich nur aus Trotz und Wut meine Sonnenbrille abgenommen. Das hat mich sehr gestört, weil ich niemandem das Auge zeigen wollte. Und vorhin ist eine Situation mit James passiert. Ich bin sehr wütend geworden, wegen etwas, das in keiner Weise etwas mit James zu tun hat, aber als er mich gefragt hat was los war, war ich gemein zu ihm.", erklärte Sirius. Er nippte am Tee, der noch immer sehr heiß war und vermied es so, seiner Lehrerin in die Augen zu schauen.

„Wissen Sie, aus welchem Grund Sie James verbal angegriffen haben? Was haben Sie gedacht, gesehen oder gefühlt, als das passiert ist?", fragte sie verständnisvoll. Sirius überlegte kurz. „Ich habe gedacht, dass James sich um nichts Sorgen macht. Dass ihm alles immer auf irgendeine Weise zufliegt, dass er sich keine Gedanken darum machen muss, wer ihn mag und wer nicht.", gab er zu. Seine Stimme war brüchig. Die erste Träne lief seine Wange hinab. Er war enttäuscht von sich selbst.

„Denken Sie das wirklich?", fragte sie sanft. Er zögerte. Seine Gedanken flogen zu den unzähligen Malen, als er ein riesiges Paket von seinen Eltern zugeschickt bekommen hatte, zu den Malen, in denen er die Klassenbeste Note in Verwandlung erhalten hatte, obwohl er selten seine Hausaufgaben machte, zu den Malen, in denen er einfach auf andere zugehen konnte und sie ihn sofort mochten. Er nickte. Endlich sah er seiner Lehrerin in die Augen.

„Das mag auf den ersten Blick in der Tat so wirken.", gestand sie. „Allerdings muss ich Ihnen eine Frage stellen: Denken Sie, dass James sich niemals Sorgen um Sie und Ihre Freunde macht?", fragte Professor McGonagall. Sirius Gedanken schweiften wieder ab. Er dachte an die vielen Male, in denen James ihm angeboten hatte, in seinem Bett zu schlafen, nachdem er von einem Albtraum aufgewacht war. Er dachte daran, wie James Remus jedes Mal etwas zu Essen brachte, wenn ein Vollmond bevorstand, da er wusste, dass er nichts gegessen hatte. Er dachte daran, wie James Peter beruhigt hatte, als er wütend wegen Sara Winsley gewesen war. Er dachte daran, wie James ständig nach einer Möglichkeit suchte, Remus bei Vollmonden zu helfen. Er dachte daran, dass James seine Hausaufgaben unter Remus Namen abgegeben hatte. Er dachte daran, wie hilfsbereit James war, als es um die Date-Vorbereitungen ging.

Sirius huschte ein Lächeln über die Lippen. „Er mag in einer liebevollen Familie sein und keine Probleme mit sich oder seinem Körper haben, doch auch er macht sich große Sorgen, glauben Sie mir.", lächelte sie und nickte.
Sirius fühlte sich geborgen. Hier konnte er jemandem von dem erzählen, was ihn bedrückte, er konnte sich sicher sein, dass sie niemandem von diesen Gesprächen erzählen würde. Er ging zurück in den Gryffindorturm und wollte sich in sein Bett legen, als er bemerkte, dass bereits jemand darin lag.

„James?", flüsterte er und musste grinsen. James hielt die Decke hoch und murmelte etwas Unverständliches. Sirius kroch zu seinem besten Freund und schlief sofort ein.

Die Rumtreiber - die ganze GeschichteWhere stories live. Discover now