Red Snow

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Faith schlug die Augen auf. Es war hell in ihrem Zimmer. Die Öllampen waren bereits entzündet worden. Und ihr Kopfweh war verschwunden. Wie spät war es? Sofort setzte sie sich auf und sah sich um. Sie fühlte sich viel frischer als letzte Nacht noch. Sie sah weder Elora noch Zoé, beide mussten wohl zur normalen Zeit aufgestanden sein. Vorsichtig setzte sich Faith auf die Bettkante. Ein Schmerz erinnerte sie daran, vor dem Schlafengehen nicht die Waffen abgelegt zu haben. Das Ninjato und die Dolche hatten unangenehm in ihre Seite gedrückt. Nun legte sie die Waffen ab und atmete tief durch. Ihr erster Gedanke: Aed. Ging es ihm gut? Hatten sie ihn schnell genug zu Heath gebracht? Schnell stand Faith auf und lief hinaus in den Gang. Sie sah sich um. Kein Novize stand im Gang. Wahrscheinlich war es noch Vormittag, denn dann trainierten die meisten. Mit leisen Schritten lief sie durch den Gang zur Treppe. Sobald sie sich im Zentrum wiederfand sah sie sich nach der richtigen Richtung um, die zu Heaths Behandlungszimmer führte. Mit genauso schnellen Schritten lief sie in den etwas dunkleren Gang, in dem es schon vor der Tür nach Kräutern duftete. Vorsichtig trat Faith ein. Im Raum herrschte nur gedämmtes Licht, es brannten kaum Öllampen, dafür aber einige Kerzen. Fast schon Trauerstimmung. Etwas beunruhigt lief Faith durch den Raum. Nach und nach gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht. In einer Ecke erkannte sie Heath. Die Ärztin rührte gerade ein paar Kräuter zusammen. Der Duft der Heilpflanzen erfüllte den ganzen Raum und trieb Faith Tränen in die Augen, so stark war er. "Bevor du fragst: Er lebt noch. Knapp, aber er lebt. Und er braucht Ruhe", ertönte Heaths gleichzeitig warnende und freundliche Stimme aus dem hinteren Teil des Raumes. Die Novizin sah sie kurz ruhig an und lief dann zu der Liege, auf der sie eine liegende Person erkannt hatte. Im düsteren Licht erkannte Faith Aeds helle Lockenhaare. Der Assassine lag auf dem Rücken und sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Aed trug ein frisches, weißes Hemd unter dem sich an der rechten Schulter ein Verband abzeichnete. "Da steht ein Stuhl", erwähnte die Ärztin beiläufig und brachte eine Schüssel zur Liege. Sie stellte das Gefäß neben Aeds Kopf ab, den das nicht zu stören schien, und holte eine Art Löffel aus einer Schublade. Mit einem klirrenden Geräusch legte sie den Löffel in die Schüssel und tippte Aed an. Faith setzte sich langsam auf den ihr zugewiesenen Stuhl und beobachtete Heath dabei, wie sie die Schüssel wieder nahm und Aed erneut anstupste. "Aufwachen, Assassine. Es gibt Essen." Im nächsten Moment sah Faith, wie er wirklich die Augen öffnete und die Ärztin zweifelnd ansah. "Ich weiß doch aus Erfahrung, dass es bei dir nie etwas Richtiges zu essen gibt." Mit einem schwachen Grinsen sah Aed Heath an und bemerkte dann Faith, die sich nun etwas fehl am Platz fühlte und sich unauffällig auf dem Sitz zusammenkauerte. Aed hob eine Augenbraue, lächelte aber gleich darauf freundlich. "Faith? Was... wieso bist du hier?" Er wirkte erstaunt. "Soll ich denn wieder gehen?" Faith hatte mit einer begeisterten Reaktion erwartet. Sein Erstaunen kränkte sie fast schon. Aed hob die Hand. "Nein, nein. Du kannst gern bleiben. Ich hätte nur erwartet dass dich Cade gleich abfängt..." Er schmunzelte leicht, dann lenkte Heath ihn aber wieder ab, indem sie ihm aufhalf und ihm die Schüssel in die Hände drückte. "Aufessen", wies sie ihren Patienten an und lief wieder zu ihrem 'Zubereitungstisch', wo sie noch einige Kräuter wegräumte. Aed seufzte und setzte einfach die Schüssel an den Mund um den Inhalt in einem Zug auszutrinken. Von wegen Essen. Er verzog kurz das Gesicht, stellte die Schüssel auf einem kleinen Tisch ab und sah wieder grinsend zu Faith. "Das Zeug schmeckt echt nicht gut. Ich rate dir: Lass dich niemals abstechen." Man hörte deutlich die Ironie, die er in seinen Ratschlag legte. Faith konnte nur schwach lächeln. "Habe ich nicht vor." Aed lehnte sich soweit zurück dass er sich mit den Ellenbögen abstützen konnte. Fragend musterte er Faith. "Und - wie geht es dir soweit?" Er sah vorsichtig zu Heath, aber die war immer noch beschäftigt mit ihren Heilmitteln. Faith fuhr sich seufzend durch die Haare. "Das Kopfweh ist weg und der Hand geht es schon seit Wochen wieder gut...", begann sie aber Aed unterbrach sie. "Nein, ich meine... mit deiner Mutter und so." Er kratzte sich am Kopf als sei ihm das unangenehm. Dabei musste er sein Körpergewicht auf einen Arm verlagern, wobei er das natürlich auf den linken Arm tat. Als er den rechten hob zuckte er kurz darauf zurück. Verdammt, wie konnte das nur so weh tun?! Trotzdem sah er Faith abwartend an. Die schwieg und sah betreten zu Boden. "Irgendwie ist das alles so... verwirrend", murmelte sie und spielte mit ihrem Ledergürtel herum. Sie sah Aed wieder an, wollte eigentlich lächeln aber brachte es nicht über sich. Ihre Mutter war Gefangene der Templer! Weiß Gott was die alles mit ihr anstellten! Und sie verstand einfach nichts... Nichts! Alles war in einen dichten Nebel gehüllt. Manchmal ragte etwas heraus und man konnte Schemen erkennen - doch die verschwanden schnell wieder oder ließen alles nur noch merkwürdiger aussehen... "Ich weiß jetzt, dass ich eine Schwester habe..." Aed unterbrach sie. "Was?!" Aber Faith fuhr ungerührt fort: "...ich weiß aber nicht, wieso ich nicht mit ihr zusammen aufgewachsen bin. Und dann ist da noch dieses Amulett..." Faith sah vorsichtig zu Heath. Bis jetzt wussten nur ihre engsten Freunde und natürlich Kadir davon. Okay, ihn zählte sie auch zu ihren Freunden. Heath lief zur Tür und sah die beiden kurz mit einem warnenden Blick an, als könnten sie irgendetwas Dummes anstellen. "Ich gehe kurz. Ihr rührt mir ja nichts an!" Dann verließ sie den Raum endgültig und Faith hörte nur noch, wie sich ihre leisen Schritte entfernten. Sie nutzte das, um einen Moment lang nicht zu Aed schauen zu müssen. Er hatte immer diesen 'in-die-Seele-blicken'-Blick drauf... Letztendlich drehte sie sich aber wieder zu ihm. An den beißenden Kräutergeruch hatte sie sich inzwischen gewöhnt. "Was ist eigentlich in letzter Zeit mit dir und Cade los?", wollte sie dann wissen und sah Aed mit einem durchbohrenden Blick an. Eine Strähne fiel ihr ins Gesicht, die sie einfach hinter ihr Ohr strich. Aed legte sich ächzend wieder auf den Rücken und sah dann Faith stirnrunzelnd an. "Er sagt ich sei ein Schleimer. Und ein Verräter... Und ich weiß nicht wieso, aber er will dich vor mir beschützen." Sein letztes Wort betonte er abfällig und verdrehte kurz die Augen. Faith seufzte. "Könnt ihr euch nicht ein Hobby suchen?", ließ sie ihrem Sarkasmus freien Lauf und stand auf. Aed wollte sie noch am Arm nehmen, um sie am Gehen zu hindern, zögerte aber. "Faith?" Die Novizin sah ihn ungeduldig an. "Hm?" Aed setzte ein charmantes Lächeln auf und murmelte: "Danke dass du mich besucht hast." Faith winkte ab. "Nicht der Rede wert..." Aed lächelte nur nochmal, verzog dann bei einer Bewegung das Gesicht und legte sich wieder brav hin. Faith zog sich schnell die Kapuze auf und verdrehte die Augen. Als Schauspieler könnte man ihn wirklich gut einsetzen, so theatralisch wie er das machte. Sie war gerade im Begriff, sich zur Tür zu drehen, als diese mit einem energischen Stoß geöffnet wurde und Kadir gefolgt von Heath hereinkamen. Der Großmeister hustete kurz leise - wahrscheinlich musste auch er sich erstmal an den starken Kräutergeruch gewöhnen - und sah dann zu Faith. Normal trug er seine Kapuze im Quartier nicht, doch diesmal bedeckte sie sein Gesicht mit Schatten. Faith sah ihn abwartend an und biss die Zähne zusammen. Irgendwas war passiert, nicht wahr? Heath wandte sich still wieder ihren normalen Tätigkeiten zu wobei sie einige Arzneimittel in einen Beutel packte. "Wir haben soeben erfahren, dass die Templer deine Tante ebenfalls gefangen genommen haben. Gerade war ein Milwyn hier und hat es uns berichtet." Faith sah ihn schockiert an, was er aber kaum erkennen konnte. "Hieß er Cyril?" Kadir nickte kurz und sah nebenbei zu Aed, der die Augen geschlossen hielt. Trotzdem merkte man, dass er angespannt lauschte. Faith setzte sich wieder auf den Stuhl. Perfekt. Wirklich perfekt. Ihr Vater und ihr Onkel waren tot und ihre Mutter und ihre Tante gefangen. Fehlte noch dass ihre Schwester damals bei dem Brand umgekommen war. Heath nahm den Beutel und hängte ihn sich beiläufig über die Schulter. "Meister?", fragte sie eher ungeduldig nach, behielt aber einen sachlichen Ton in der Stimme bei. Kadir sah kurz zu ihr und dann wieder zu Faith. "Was auch immer du herausgefunden hast, Faith, geh dem nach!" Er drehte sich zu Heath. "Wir müssen weg..." Und schon verschwand er durch die Tür nach draußen in den Flur. Die Ärztin folgte ihm. Faith sah ihnen kurz verwundert nach, dann drehte sie sich zu Aed. "Ich muss auch los...", setzte sie an und sah unsicher zu dem blonden Assassinen. Er wirkte nachdenklich. "Was hat Kadir mit dem 'Geh dem nach was du herausgefunden hast' gemeint?", fragte er dann mit ruhiger Stimme und sah Faith fragend an. Faith überlegte angestrengt, was sie nun antworten sollte. "Ach nichts... Das ist nichts was dich interessiert", murmelte sie leise und verschwand aus dem Raum. Sobald die Tür hinter ihr zufiel atmete sie erleichtert aus. Endlich, frischere Luft und kein Aed mehr. Manchmal war er schon merkwürdig. Aber das konnte auch an den Kräutern liegen... Nachdem Faith mehrmals tief Luft geholt hatte lief sie zurück zum Zentrum. Mann, jetzt hatte sie echt keine Ahnung was sie tun sollte. Erstmal musste sie Zoé und Elora finden. Und dazu musste sie wissen wie spät es war... Also beschloss sie, zuerst das Plateau aufzusuchen um zu sehen wie weit der Tag schon fortgeschritten war. Mit schnellen Schritten lief Faith die Treppe hinauf und durch den Tunnel. Sie hatte keine Fackel dabei und es war sehr dunkel hier drin. Nach und nach durchzog der Geruch von Nässe die Luft. Als sie den Ausgang sah mischte sich auch das Geräusch von Regen darunter. Durch den Regen wurde die Luft reingewaschen. Faith atmete nochmal tief durch und tastete sich an der Wand weiter nach vorn. Irgendwann hörte es sich so an als ob sie in einer Pfütze lief - und so war es auch. Im schwachen Licht erkannte sie schimmerndes Wasser auf dem Boden. Vorsichtig lief sie weiter um nicht auszurutschen. Am Eingang angekommen blieb sie stehen und lehnte sich an die Wand der Höhle. Regentropfen durchzogen wie graue Fäden die Luft, der Himmel war dunkel vor lauter Wolken und ab und zu wehte der Wind heftig und ließ die Baumkronen schwanken. Es war kalt doch in ihrer Montur spürte Faith es kaum. Wenn es so regnete trainierten die anderen Novizen sicher nicht draußen... oder? Eine Weile verharrte Faith dort und genoss das gleichmäßige Geräusch, dass die Tropfen im Laub der Bäume machten. Nach einiger Zeit lief sie dann aber zurück in die mit Fackeln warm erleuchteten Gänge des Hauptquartiers. Sie musste einfach jemanden fragen. Im Zentrum war momentan viel los, die meisten Leute bewegten sich zum großen Saal... Verwirrt sah Faith sich um. War etwas passiert? Zwischen den vielen Menschen erkannte sie Gyth, die mit durchnässten Klamotten herumstand und ein Gespräch mit Viola führte. Als die beiden Faith sahen stoppten sie die Diskussion und sahen die Novizin abwartend an. "Ehm..." Faith war überrascht dass die beiden wegen ihr aufhörten zu reden. "Ich wollte eigentlich fragen wo ich Elora und Zoé finde aber... Was ist denn los?" Eadgyth seufzte leise. "Eine Versammlung wurde einberufen. Die Milwyn haben sich in den letzten Tagen wieder neu zusammengetan und wollen sich nun wieder mit den Assassinen verbünden - und wenn du Glück hast findest du auch deine Mitbewohner dort." Faith nickte dankbar und machte sich auf zu dem Saal, in dem sie zur Novizin geworden war. Das weiße Quarz sprang ihr sofort ins Auge und sobald sie den Saal betrat fühlte sie sich wie in einer großen, weißen Sonne. Schon viele Assassinen hatten am großen Tisch Platz genommen. Faith sah sich nach Elora und Zoé um. Zuerst konnte sie niemanden sehen, dann entdeckte sie Zoé die mit einem Mädchen sprach, welches kein Assassine zu sein schien. Sofort gesellte sie sich zu den beiden. Als Zoé ihre Freundin erkannte begrüßte sie sie gleich freundlich. "Hey Faith. Das ist Donna. Donna, das ist Faith." Das Mädchen mit den blauen Augen und braunen, langen Haaren nickte ihr höflich zu. "Hallo Faith. Deine Tante hat mir von dir erzählt. Freut mich." Sie hielt Faith die Hand hin. Faith nahm sie, war aber etwas perplex. "Du hast meine Tante gekannt?", fragte sie nach. Donna nickte. "Sie ist das Herz der Milwyn." Faith öffnete den Mund um etwas zu sagen, als Kadir die Stimme erhob um um Ruhe zu bitten. Jetzt, als Faith sich genauer umsah erkannte sie mehrere Leute, die nicht wie Assassinen aussahen. Sie alle trugen keine gleiche Kleidung, manche kleideten sich edler, manche eher schlicht. Doch bei allen erkannte Faith einen Armreif, ebenfalls schlicht und nur mit einem symmetrischen Zeichen am Handgelenk, das aussah wie ein Soldatenhelm. "Ich habe eine Versammlung einberufen weil die Milwyn, unsere alten Verbündeten, ihren Bund wieder erneuern wollen. Einige ihrer wichtigen Mitglieder wurden von den Templern gefangen genommen. Wir können momentan nur vermuten, dass das alles mit einer Person und einem Gegenstand zusammenhängt. Genaueres kann und darf ich noch nicht sagen", ertönte Kadirs Stimme, die sich über die anderen Stimmen abhob. Nach diesem Satz wurde Gemurmel laut. Alle diskutierten wahrscheinlich, wer diese Person war. Faith wusste das nur zu gut. Faith war dabei, dass Amulett zu finden. Die Templer wussten das irgendwoher und versuchten jetzt, mögliche Kontaktpersonen aus dem Weg zu ziehen und sich selbst Informationen zu beschaffen. "Hab ich was verpasst?", flüsterte plötzlich eine leise Stimme neben Faith. Eloras blaue Augen funkelten interessiert. Faith schüttelte den Kopf. "Nur dass die Milwyn den Bund erneuern wollen, aber das wissen sowieso schon alle", antwortete sie genauso leise. Dann wandte sie sich wieder dem Geschehen zu. Eine ihr inzwischen bekannte Person trat zu Kadir auf die Erhöhung. Cyril. Die beiden gaben sich brüderlich die Hand. "Wir werden nun abstimmen, wer für die Erneuerung des Bundes ist", rief Kadir ruhig. "Wer ist dafür?" Faith sah sich unsicher um. Viele streckten, alle Milwyn und auch 95% der Assassinen. Faith selbst streckte auch. Doch einige hatten nicht die Hand gehoben. Hakim beispielsweise, oder einige Novizen die nur mit verschränkten Armen dastanden. Kadir nickte. "So wird der Bund erneuert. Cyril, tritt vor..." Faith sah in den Gesichtern der älteren Assassinen, dass sie schon wussten, was kam. Die Novizin sah dagegen wie einige andere Novizen gespannt nach vorn. Kadir nahm vom Tisch einen Gegenstand, der aussah wie einer der Kalksteine aus dem Berg. Nur war er in Form gebracht worden, sodass er quadratisch war und man auf dem oberen Teil Einkerbungen erkennen konnte. Doch genau sah man nicht was die Einkerbungen darstellen sollten. Nun reichte Kadir seinem Gegenüber einen reicht verzierten, golden schimmernden Dolch. "Möge das Blut unserer Leute wie eines sein. Und möge es im Sinne derselben Sache fließen." Mit diesen Worten schnitt Cyril sich so in die Hand, dass ein kleines Rinnsal Blut auf den Stein tropfte. Während es weitertropfte gab Cyril dem Großmeister den Dolch zurück, mit dem er sich ebenfalls in die Hand schnitt und Blut auf den Stein tropfen ließ. Der Kalk nahm die rote Flüssigkeit gut auf und in den Kerben sammelte es sich. Nach und nach bildete sich eine blutrote Form daraus. Das Assassinenzeichen mit dem Helm der Milwyn in der Mitte. Faith war erstaunt. Wieviel Arbeit dieser Stein wohl gemacht hatte? Und das alles nur für einen Anlass. Nachdem die Form ganz ausgegossen war - und dazu benötigte man nicht sehr viel Blut - wurden Kadir und Cyril Tücher gebracht, die sie um ihre Hände binden konnten. Der Dolch wurde weggebracht um ihn säubern und lagern zu können. Der Großmeister erklärte den Bund offiziell für erneuert und entließ die Versammelten. Faith wandte sich sofort an Elora und Zoé. "Wir müssen uns treffen. Am besten wieder irgendwo wo es niemand mitbekommt, ja?" Faith sah ihre Freundinnen eindringlich an. Donnas Augen leuchteten neugierig. "Darf ich mit?" Faith war erst unsicher und fühlte sich hin- und hergerissen. Doch dann entschied sie sich dafür, dass Verstärkung nicht schlecht wäre. "Ist gut. In einer Viertelstunde?" Alle drei nickten, dann teilten sie sich auf. Kurz bekam Faith wieder Kopfweh. Es pochte unangenehm an den Schläfen. Zu Heath wollte sie aber nicht, also überlegte sie, was sie sonst noch tun könnte. Sie entschloss, nachzusehen ob es noch regnete. Zuerst lief Faith zurück zu ihrem Zimmer. Langsam fühlte sie sich hier wie Zuhause. Mit geübten Griffen legte sie einige Waffen ab und nahm nur die Wurfmesser mit. Sie hatte genug Zeit und so machte Faith sich mit ruhigen Schritten auf nach oben. Am Ende des Tunnels, der nach draußen führte, hörte sie wieder das Wasser unter ihren Füßen. Und auch wenn es noch bewölkt zu sein schien regnete es wohl nicht mehr. Als sie gerade aus dem Gang heraustreten wollte erkannte sie eine Gestalt auf dem Plateau. Und wenn Cade Recht hatte und sich außer ihnen niemand hier hochtraute konnte das nur ihr Mentor höchstpersönlich sein. Er stand ganz vorn am Rand der Klippe und schien sie noch nicht bemerkt zu haben. Die weiße Kapuze trug er auf dem Kopf, den er nach vorn geneigt hatte. Er stand mit dem Rücken zu Faith und schien etwas in seiner Hand zu betrachten. Plötzlich holte er zum Wurf aus und Faith erkannte eine Art Kette, die in hohem Bogen über den Nadelwald segelte und dann zwischen den Baumkronen verschwand. Sie hatte nicht erkannt was es genau für eine Kette war. So trat sie nun endlich aus dem Gang. Cade wandte sich sofort in ihre Richtung und wirkte etwas... aufgeschreckt. "Ach, du bist es", murmelte er mehr oder weniger abfällig. Faith sah sich um und atmete die vom Regen reingewaschene Luft ein. Alles war nass und von den Ästen tropfte es noch. Faith antwortete nicht. Sie sah zum Himmel. Graue Wolken bedeckten ihn wie Watte, doch weit entfernt über den Feldern hatten die Sonnenstrahlen sich einen Weg durch die dichten Wolken gebahnt und strahlten vereinzelt die goldenen Pflanzen an. "Ich war bei Aed", fuhr Cade fort, als er Faiths Schweigen bemerkte. "Heath sagt, er wird bald wieder." Mit einem Seufzer legte er den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. "Gut", antwortete Faith nur knapp und musterte ihren Mentor distanziert. "Was habt Ihr da gerade weggeworfen?" Cade ließ seinen Kopf wieder sinken und sah zu seiner Schülerin. Im Schatten unter der Kapuze konnte sie nur leicht seine Augen schimmern sehen. "Ich denke nicht dass du das verstehen wirst", erwiderte er scharf und verzog den Mund zu einem Strich. Dann verschränkte er die Arme und sah wieder nach vorn. "Das kann man rausfinden", meinte Faith daraufhin frech, blickte aber ernst in Cades Richtung. Ohne eine Regung zu zeigen schwieg er. Eine lange Zeit. Doch Faith wartete. "Ich habe die Kette in Aeds Zimmer gefunden." Der Meisterassassine drehte sich nun ganz zu seiner Schülerin und sah ihr fest in die Augen. "Was denkst du dir, wenn du diesen Satz hörst?" Faith war überrascht. Was sollte sie sagen? Ihr erster Gedanke war gewesen, was Cade denn bitte in Aeds Zimmer verloren hatte. Ihr zweiter war, wieso er ein Stück von Aeds Besitz genommen und achtlos in den Wald geworfen hatte. Sie öffnete den Mund, fand aber keine Worte. "Dachte ich es mir doch", erklang Cades herablassende Stimme. Faith schloss zornig ihren Mund. Sie hatte darauf einfach keine passende Gegenwehr. Mit einem letzten wütenden Schnauben machte sie auf dem Absatz kehrt und lief zurück ins Hauptquartier. Cade war so ein Bastard. Manchmal dachte man, er war ganz akzeptabel und dann stellte sich heraus dass er noch schlimmer war. Als ihre Wut langsam abebbte merkte sie, dass ihr Kopfweh verschwunden war. Wenigstens etwas Gutes hatte die Sache also gehabt. Und jetzt musste sie erstmal zu Elora, Donna und Zoé.