.-* Epilog *-.

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Weit entfernt von Synva, an den Grenzen des Landes, wo der Winter noch kälter war als im milden Süden, gab es nun Aufruhr. Eine verspätete Nachricht war im Schloss eingegangen. Es war ein großes Schloss aus markantem, dunklem Gestein, das sich zwischen den spitzen Felsen des Vorgebirges erhob. Von außen wirkte es wie eine uneinnehmbare Festung mit dicken Mauern und gut geschützten Zinnen, mit mächtigen Türmen und tausenden von Verteidigungsmöglichkeiten. Auf den Dächern der Türme flatterten weiße Fahnen mit roten Kreuzen darauf. Hier herrschten fast ganzjährig niedrige Temperaturen, dementsprechend war auch das Wetter durchgängig rau und unangenehm. Doch das störte die Bewohner der Burg wenig. Es war ein hoch angesehener Templersitz. Und dazu noch die Heimat eines sehr hochrangigen und bekannten Templers. Und deswegen ging hier auch diese Nachricht ein. Sie wurde von einem der Templergeneräle höchstpersönlich überbracht. Er kam auf einem weißen Pferd angeritten und hatte sicher einen drei oder vier Tage langen Ritt hinter sich, denn er brachte Neuigkeiten aus der Hauptstadt Synva. Mit flatternder Mähne galoppierte das Ross heran, das angestrengte Schnauben hörte man bis hinauf zu den Wehrgängen, sodass einige Wachen hinabsahen, um den Neuankömmling zu mustern. Er wurde zum Tor hereingelassen da er sich als Templer ausweisen konnte. Im Vorhof stieg er ab und überließ sein Pferd den Stallburschen, die es sofort zum Stall führten. Der Mann sah seinem Reittier kurz hinterher, dann machte er sich auf den Weg zur Hauptfestung, die Hand mit dem Brief beschützend an die Brust gedrückt. Der Wind war auch hier im Hof kalt und rau. Das Gewicht des Kettenhemdes lastete schwer auf den Schultern des Kriegers; der einst weiße, inzwischen von Dreck überdeckte Stoff flatterte aufgeregt im Wind. Die Umgebung hier war grau und kahl, das einzige Farbige waren die Moose und Flechten, die ein sehr mattes Grün ausstrahlten. Ansonsten dominierten die Farben dunkelgrau und blaugrau die Natur, die Felsen leisteten einen großen Beitrag dazu. Die Festung lag an einem steilen Abhang, sodass sie schwer zu erreichen war. Der Weg des Templers führte steil bergauf und er musste aufpassen, nicht auf dem nassen Fels auszurutschen. Jedoch erreichte er ohne Komplikationen das Haupthaus und trat ein. Sobald sich das hölzerne Tor hinter ihm schloss sah er sich um. Innen empfing ihn direkt eine angenehme Wärme, wobei es hier drin vermutlich nicht einmal so warm war... doch im Vergleich zu draußen war es allemal angenehm. Nach einer kurzen Orientierung nahm er den Gang links von ihm und folgte den mit kunstvollen Teppichen ausgelegten Fluren bis zu einer bestimmten Tür. Er wusste nicht, wie seine Nachricht ankommen würde, doch er war sich sicher, dass es nichts Positives sein würde. Kurz aber laut klopfte er an die hölzerne Tür. Er lauschte. "Herein!", erklang die strenge, kühle Stimme des Großmeisters. Der General öffnete die Tür und trat ein. Hinter sich ließ er die Tür wieder mit einem leisen Klack ins Schloss fallen. Der Raum war größer als man von außen vermutet hätte. Einige Meter weit von der Tür entfernt stand ein großer, dunkler Tisch, hinter dem der Großmeister saß und den Neuankömmling finster musterte. Er wusste, dass es keine guten Nachrichten waren, vermutete der General. Andernfalls würde er nicht so ein Gesicht machen. Oder blickte er immer so düster drein? Der Templer merkte, wie seine Gedanken abschweiften. Dabei entging er absichtlich dem stechend kühlen Blick des Großmeisters, der hier vor nur wenigen Tagen die Festung erreicht hatte. Er hatte noch den Befehl gegeben, die geflohenen Assassinen, von denen man wusste, zu fangen und zu töten. Danach war er in seine Festung zurückgekehrt, mit der Hoffnung, dass seine Männer diesen Auftrag erfolgreich ausführen würden. Doch anscheinend brachten sie nichtmal das fertig... "Was habt Ihr zu berichten?", fragte er nun mit harscher Stimme. Der General zog den Brief hervor, lief zum Tisch des Meisters und übergab ihm das Blatt Papier demütig, dann ging er wieder ein paar Schritte zurück. Kurz überflog der Großmeister das Schreiben, dann gab er einen wütenden Schrei von sich, begleitet mit dem Zusammenknüllen des Papiers. Der zerknüllte Brief landete in einer Zimmerecke, nicht weit entfernt vom General. Der versuchte verzweifelt, die Schultern zu straffen und einen einigermaßen autoritären Eindruck zu machen. Jedoch begann er, leicht zu zittern. Seine Augen huschten nervös zum Großmeister. Der angesehene Meister beruhigte sich nach und nach wieder. "Also habt ihr sie nicht gefasst, ja?" Der Templer nickte beschämt und senkte den Kopf. Immerhin war es unter anderem seine Aufgabe gewesen. Und so schwierig sollte es ja nicht sein, ein paar einzelne Assassinen zu finden und zu töten. Doch seit der Flucht aus Synva hatte man sie nirgendwo mehr gesehen. "Ja, Sir. Sie sind wie vom Erdboden verschluckt." Der General sah auf und bemerkte, wie schwer es dem Großmeister fiel, keinen Wutanfall zu bekommen. "Ihr habt keinerlei Spuren gefunden?" Der General fühlte sich immer kleiner. "Nein, Sir."
"Das ist eine Schande. Wir haben alle Mittel, wie können sie sich unserem Auge entziehen?" Die Stimme des Großmeisters nahm wieder an Härte zu. Sein Gesicht wurde rot vor Anstrengung, seine Wut zurückzuhalten. Man sah ihm an, wie sehr er diese Assassinen hasste. "Wachen!" Der General zuckte zusammen. Wieso rief der Meister die Wachen? Er hatte nichts Verbotenes getan! Die zwei bewaffneten Templer betraten den Raum und postierten sich jeweils links und rechts neben dem General. "Werft ihn in den Kerker!", bellte der Großmeister erzürnt und deutete mit zitterndem Zeigefinger auf den General, der sein Gegenüber nun entsetzt ansah. "Was? Nein!" Doch da wurde er schon von den Wachen aus dem Raum geschleift. Der Berater, der eben draußen vorbeigekommen war und gesehen hatte, wie man den General weggeschleift hatte, betrat nun den Raum. "Sir? Wieso lasst Ihr einen General einsperren, wenn mir die Frage erlaubt ist?" Der Großmeister, der sich inzwischen wieder beruhigt hatte und auf seinem Stuhl entspannt zurücklehnte, sah auf. "Er hat bei einen wichtigen Auftrag, der diese Welt ein für alle Mal von den Assassinen reinwaschen würde, kläglich versagt", erklärte der Meister mit ruhiger Nüchternheit. Gedankenverloren sah er den Brief an. Dann hob er wieder den Blick. "Lloyd, schick ein paar Männer zu einem einsamen Haus im Süden. Eine leise Vermutung sagt mir, dass wir dort finden, was wir suchen." Der Berater sah den Großmeister kurz überrascht an, nickte dann aber unterwürfig. "Führt diese Mission selbst an. Ihr seid ein fähiger Mann, das weiß ich. Ich werdet erfolgreich sein."
"Danke, Sir, das werde ich." Mit einem weiteren, respektvollen Nicken verschwand der Berater aus dem Raum und machte sich bereit für seine Mission, die ihn in den milden Süden des Landes führte, in die Nähe Synvas, in die Nähe des geheimnisvollen, verschollenen Artefakts und der letzten verbliebenen Assassinen in diesem Land.

Red SnowWhere stories live. Discover now