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Die Sonne erschien am Horizont, was man jedoch nur erahnen konnte, da der Schneefall zunahm. Bald schon war sie hinter den dichten Schneewolken verschwunden. Cade hatte das Pferd in einen ebenso verlassenen Stall neben der Villa untergebracht. "Das wird ein langer Tag. Das Haus ist kalt, bis der Kamin an ist, und es gibt nichts zu essen. Bist du noch müde?" Cade warf dem Pferd etwas Heu in den Futtertrog, dann drehte er sich zu Faith. Sie nickte nur. Lang und gut hatte sie auf dem Pferderücken nicht gerade geschlafen. Cade seufzte und zog nun seine Kapuze wieder ab. Immerhin war das ein verlassener Ort, an dem die Kapuze überflüssig war. "Ich zeig dir, wo du schlafen kannst", meinte er nur und seine Stimme klang erschöpft. "Du brauchst aber auch Schlaf", bemerkte Faith kühl und hob die Augenbrauen. Cade warf ihr einen kurzen, missmutigen Blick zu, dann lief er auf eine Tür zu. "Dann wird es wohl kalt bleiben." Faith schüttelte nur den Kopf und folgte ihm durch die Tür ins Haus. Die Tür führte in einen Flur, der mit einem dunkelroten Teppich ausgelegt war. Die Wand war tapeziert, doch die Tapete war längst ausgeblichen. Die bunten Fenster waren verstaubt und die Gemälde an den Wänden mit Tüchern verhängt. Erst sah Faith sich staunend um, dann fiel ihr Blick auf Cade. Er schien sich ebenfalls umzusehen. Vermutlich war es merkwürdig, an den Ort der Kindheit zurückzukehren - nach so langer Zeit. Und das war wirklich so. In Cade stiegen Erinnerungen an die Dinge hoch, die er unter anderem in diesem Flur erlebt hatte. Viele gute Erinnerungen, die er mit Freude und Geborgenheit verband. Doch immer wieder schlichen sich auch Bruchteile einer anderen Erinnerung in seinen Geist. Und diese Erinnerung war es, die ihn hier weggezwungen hatte. Er wollte so etwas nie wiedererleben und sich auch nicht daran erinnern. Er unterdrückte letztendlich alle Erinnerungen und lief die Treppe, die parallel zum Flur verlief, nach oben. Die Bretter knarzten als die beiden in den ersten Stock liefen. Der Flur hier sah ähnlich aus, nur dass er sich in anderen Farbtönen hielt. Cade lief auf eines der Zimmer zu und drückte die Tür auf. Dahinter lag ein Schlafzimmer. "Hier. Ich werde den Kamin anmachen, damit es warm wird..." Bei Faiths mahnendem Blick verzog er keine Miene, ergänzte jedoch: "Danach kann ich mich vielleicht etwas ausruhen. Essen lässt sich sicher irgendwo finden." Faith nickte und trat in das Zimmer. Kurz sah sie sich um. Die Fenster waren groß und ließen viel Licht der aufgehenden Sonne herein. Cade verschwand aus dem Zimmer und schloss die Tür, Faith hörte wieder die Treppe knarzen. Sie zog die Vorhänge vor die Fenster, sodass es dunkel war, und legte sich in das Bett. Sie fragte sich, wer einmal hier geschlafen hatte. Das Zimmer hatte auf sie gewirkt wie das eines Mädchens. Doch viele Gedanken machte sie sich nicht mehr, denn kurz darauf schlief sie ein.

Cade lief wieder nach unten und fuhr sich müde übers Gesicht. Natürlich brauchte er Schlaf, die Frage war eher, ob er es sich leisten konnte. Denn die Templer wussten, dass jemand entkommen war. Und sie würden sie suchen. Wie lang würde es dauern, bis sie die Villa fanden? Er durfte nicht schlafen, er musste wachsam bleiben. Zurück im unteren Flur lief er in das große Wohnzimmer. Es war wirklich kalt im Haus, zum Glück lag noch Brennholz neben dem Feuerplatz. Er legte etwas davon in den Kamin und zündete es an, woraus nach und nach ein wärmendes Feuer entstand. Einige Zeit sah er in die Flammen. Er zwang sich dazu, nicht an die Bruderschaft zu denken. Denn er wusste, dass es wenig Chancen für jeden einzelnen von ihnen gab, zu überleben. Es war eine ganze Armee gegen sie gewesen, und ohne einen Anführer der Befehle geben konnte hatten die Assassinen vermutlich unkoordiniert gehandelt. Cade schloss die Augen und ließ den Kopf hängen. Er saß in der Hocke vor dem Feuer, sodass er dessen Wärme auf dem Gesicht spürte. Der Orden war sein Leben gewesen, seine Heimat und seine Familie. Diese Villa hier hatte in diesem Fall keine Bedeutung mehr für ihn. Es schien, als nähmen die Templer jedem von ihnen nach und nach alles, auch das nicht Materielle, was man zum Leben brauchte. Er hatte das früh erfahren müssen, und seitdem versuchte er, sich gegenüber solchen Dingen abzuschotten. Doch er konnte nicht leugnen, dass nun die Basis fehlte. Der Antrieb eines jeden Assassinen. Was bedeutete das Credo noch, wenn keiner von ihnen mehr übrig war? Irgendwann öffnete er die Augen wieder, stand auf und setzte sich aufs Sofa. Plötzlich kam es ihm viel kleiner vor. Natürlich, denn er war kein Kind mehr. Er war als jemand anderes hierher zurückgekehrt.

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