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Am nächsten Morgen wurde Faith unangenehm geweckt. Sie kniff die Augen zusammen. War es überhaupt schon hell? Sie öffnete die Augen. Naja. Es herrschte die sogenannte 'blaue Stunde'. Die Zeit, in der der Himmel eine königsblaue Färbung annahm. Eigentlich liebte Faith diesen Anblick - aber nicht morgens. Sie sah sich verschlafen um. Im blauen Dämmerlicht entdeckte sie Aed, der sie mit erschrockenem Blick ansah. Man hörte Rufe und - war das etwa das Klirren von Klingen? Kämpfte da jemand? Nun sah Faith ebenso erschrocken aus und sah Aed fragend an. Der legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen und stand lautlos auf. Faith rappelte sich auch auf, was aber nicht ganz so leise klang wie bei Aed. "Kannst du Waffen benutzen?", fragte Aed sie mit gerunzelter Stirn und musterte sie kritisch. Eigentlich nicht, aber bei seinem Blick wollte Faith ihm unbedingt beweisen, dass sie es konnte. Sie nickte automatisch. "Na sicher." Aed drückte ihr wortlos einen längeren, geraden Dolch in die Hand. "Gut. Wir müssen am Kampf vorbei zurück auf den Weg. Falls wir gesehen werden musst du kämpfen", flüsterte er mit eindringlichem Ton. Faith sah ihn nur mit großen Augen an, nickte aber. "Was ist mit Kadir? Und Cade? Kommen sie nicht mit?" Aed sah nervös in die Richtung der Kampfgeräusche und dann wieder zu Faith. "Das weiß ich nicht. Und jetzt komm." Er packte sie am Arm und zog sie hinter sich her. Die Geräusche wurden lauter. Faith bekam feuchte Hände und hoffte inständig, dass die Angreifer sie nicht bemerken würden. Das hier war kein Spiel. Es war Ernst. Es ging um Leben und Tod. Plötzlich wurden die Geräusche von Schreien unterbrochen. Jemand rief Befehle. Und kurze Zeit später sah Faith sie wieder. Die Männer mit dem Kreuz auf der Kleidung. Nur waren es nicht dieselben wie die, die sie gefangen genommen hatten. Aed stellte sich sofort schützend vor sie. Kurzerhand lief er auf die Männer zu. Flink und geschmeidig wie eine Raubkatze bewegte er sich und stach dem einen Mann eine Klinge in die Brust; der presste die Hände auf die Wunde und sank zu Boden, nicht ohne ein schmerzerfülltes Geräusch von sich zu geben. Dem zweiten schlitzte Aed die Kehle auf. Faith musste würgen. So viel Blut... Sie wusste ja nun, dass sie Assassinen waren - aber die Realität war eben doch nochmal härter. Besonders für ein Mädchen das sein Leben in einem geschützten Haus verbracht hatte. Aed kam zurück, die Klinge und die Hände voller Blut. Das half Faith nicht wirklich dabei, ihren Würgereiz zu unterdrücken. Trotzdem beherrschte sie sich. Aed wies in Richtung Weg. "Los! Sie wissen jetzt wahrscheinlich, dass du hier bist." Sie zögerte, während Aed nervös nach hinten sah und dann wieder zu ihr. "Mach schon! Ich bin direkt hinter dir!" Schließlich überwand sie ihre Zweifel und rannte los. Aed blieb wirklich hinter ihr. Von weiter hinten hörte man wieder klirrenden Stahl. Am Weg angekommen befahl Aed ihr sofort, weiterzulaufen. Faith ließ sich nicht gern etwas sagen aber momentan hielt sie es für das beste, auf Aed zu hören. Er schien zu wissen was er tat. Aed hatte immer noch seine Klinge in der Hand. Es war ein schmaler Säbel. Ohne nach hinten zu schauen rannte Faith weiter. Die Geräusche entfernten sich. Nur Aeds beinahe lautlose Schritte verfolgten sie weiterhin. Ihre Lunge brannte. Sie besaß nicht gerade viel Ausdauer. Wieso auch? Bisher hatte sie das nie gebraucht... Keuchend blieb sie stehen und schnappte nach Luft. Aed blieb ebenfalls stehen, schien aber kaum außer Puste zu sein. Trotzdem zwang er Faith nicht, weiterzulaufen. Vielleicht wusste er, dass sie ansonsten demnächst zusammenklappen würde. Nach einer viel zu kurzen Pause liefen sie weiter, dafür aber im Schritttempo. Beide schwiegen und lauschten. Sie warteten auf Anzeichen von Verfolgern. Oder von Kadir und Cade. Das Blau des Himmels wurde heller. Weit und breit keine Spur von dem Großmeister oder dem Assassinen. Faith wurde unruhig. Aed schien das zu bemerken. "Keine Sorge. Die beiden haben schon viele Kämpfe überlebt." Faith nickte stumm. Trotzdem blieb sie nervös. Viele - aber wer garantierte für alle? Kurz danach bekam sie Durst. Wann hatte sie eigentlich das letzte mal etwas getrunken? Sie sprach Aed darauf an, der runzelte nachdenklich die Stirn. Dann deutete er an, sie sollte ihm folgen. Das tat Faith auch. Sie kamen zu einem kleinen Bach - er war kaum einen halben Meter breit, plätscherte jedoch klar über die hellen Kieselsteine, die seinen Lauf bestimmten. Die Sonne färbte den Himmel nun dunkelrot, sodass auch der Bach leicht in dieser Farbe schimmerte. Faith erschauderte bei dem Gedanken an das Blut, das Aed vergossen hatte. Trotzdem kniete sie sich neben den Wasserlauf und schöpfte mit den Händen Wasser, um es zu trinken und letztendlich auch um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu waschen. Aed trank ebenfalls etwas, nutzte das Wasser aber auch um sich das Blut von den Händen zu waschen und seinen Säbel zu reinigen. Faith beobachtete ihn dabei und hatte wohl einen zweifelnden Blick aufgesetzt, denn als er ihren Blick bemerkte erwiderte er ihn misstrauisch - soweit Faith das in der Dämmerung unter seiner Kapuze erkennen konnte - und stand dann auf. "Wir sollten weiter." Kurz sah er sich um. Das Rot verfärbte sich langsam zu einem Orange. Faith nickte und erhob sich. Mit Aed lief sie zurück zum Weg. Doch dort standen schon zwei Männer und sahen aus als ob sie auf etwas warteten. Zwei Gestalten, im Licht des Sonnenaufgangs kaum zu erkennen. Trugen sie etwa Kapuzen? Aber das musste nichts heißen. Vielleicht hatten die Angreifer ihre Kleidung gestohlen. Aed zückte ein Messer und trat auf den Weg. Das Messer hielt er bedeckt. "Wohin des Weges, mein Herr?", wollte er wissen. Der größere der beiden wandte sich Aed zu. "In eine bessere Welt", erwiderte die Person mit ernstem Ton und Faith erkannte die Stimme. Es war Kadir. Dann musste der andere Cade sein. Sie hatten überlebt! Auf dem Gesicht von Aed bildete sich ein erfreutes Lächeln. "Meister!" Kadir nickte knapp und sah sich um. "Lasst uns weitergehen. Selbst auf den dreckigsten Trampelpfaden sind wir vor den Templern nicht sicher", knurrte Kadir finster und lief sofort los. Cade folgte nur schweigend und Aed und Faith liefen neben Kadir her. "Sie wissen nun, dass wir seine Tochter haben", erläuterte Aed und Kadir nickte, was bei ihm irgendwie weise wirkte. Die Sonne sandte ihre ersten goldenen Strahlen über die Baumwipfel des Waldes. Die wenigen Lichtstrahlen, die den Weg durch das Blätterdach fanden, malten helle Sprenkel auf den Weg. Nach einer kurzen Zeit ergriff Faith das Wort. "Was sind das für Männer, die uns verfolgen? Ihr erwähnt die ganze Zeit die 'Templer'. Wer ist das?" Kadir wechselte kurz einen Blick mit Aed und seufzte dann leise. "Die Templer ähneln uns Assassinen - und wir haben dasselbe Ziel. Den Frieden in dieser Welt. Jedoch sind wir für die Freiheit jedes einzelnen. Die Templer wollen den Frieden durch Unterwerfung herbeiführen. Wir Assassinen haben geschworen, ihre Pläne zu vereiteln und die Menschen und ihren freien Willen zu beschützen." Faith schwieg. Die Menschen beschützen? Aber die Menschen dachten doch schlecht von ihnen... Und sie hatte das früher auch geglaubt. Immerhin töteten Assassinen. Und das war nunmal eine Sünde. "Da du nun entschieden hast, uns beizutreten, sollte ich dich mit unserem Credo vertraut machen." Kadir sah in ihre Richtung und Faith hatte das Gefühl, als würde er sie ausgiebig und ernst mustern. Sie schluckte. Das hatte dieses 'mit uns gehen' bedeutet! Sie würde den Assassinen beitreten! Wusste ihre Tante das auch? Faith wurde sofort unsicher. Das durfte ja wohl nicht wahr sein... Sie konnte weder töten noch mochte sie die Dunkelheit. Außerdem konnte sie kaum kämpfen... Dabei fiel ihr ein, dass sie noch Aeds Dolch hatte. Sie hatte ihn in ihren Gürtel gesteckt. Den konnte sie ihm ja später zurückgeben... Faith nickte nur zögernd. Die Lichtpunkte wurden heller. Mehr und mehr konnte man wieder Farben erkennen - und umso mehr konnte man die Kapuzen erkennen. "Wenn ich das tue bist zu zum Schweigen verpflichtet. Es ist schon unvorsichtig genug, es hier auf der offenen Straße zu erzählen... Aber wir haben es eilig." Wenn Faith sich nicht täuschte, machte er ein Gesicht, als sei ihm nicht wohl bei der Sache. Trotzdem - direkt eine 'offene Straße' war das hier nicht... Faith holte tief Luft. Was würden sie machen wenn sie irgendwann später nicht mehr bei den Assassinen mitmachen wollte? Sie töten? Oder war man bis in den Tod an sie gebunden? Oh Mann... Sie sah Kadir einfach nur erwartungsvoll aber unsicher an. Er überwand irgendwann seine Zweifel und erklärte: "Zuerst musst du wissen: Es ist verboten, Unschuldige zu töten..." Faith unterbrach ihn daraufhin sofort. "Aber was war damals mit den Wachen auf der Stadtmauer? Waren die nicht unschuldig?" Kadir gab ein belustigtes Geräusch von sich. "Die Templer haben die Wachen geschickt um dich abzufangen falls du versuchen würdest, über die Stadtmauer zu fliehen. Templer töten jeden, der ihnen in die Quere kommt. Wir Assassinen töten nur gezielt. Deswegen sind wir auch mit den Templern verfeindet...", erwiderte er nur mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, das gegen Ende des Satzes aber erstarb. "Außerdem ist es Pflicht, unerkannt zu bleiben. Wie gesagt - wir arbeiten im Dunkeln, um dem Licht zu dienen. Wir dürfen bei unseren Attentaten nicht erkannt werden. Deshalb auch die Kapuzen." Er tippte sich an seine Kapuze. Faith nickte nur stumm. Das erklärte die speziellen Kleidungsstücke natürlich. "Der letzte Punkt - den ich persönlich am wichtigsten finde - sagt aus, dass man den Orden niemals gefährden darf. Jeder Assassine würde eher sterben als Informationen über den Orden preiszugeben." Faith schluckte. Die Assassinen waren umgeben vom Tod. Sie war sich langsam wirklich nicht mehr sicher, ob sie das alles durchziehen konnte. An sich hatte sie es ja auch nie vorgehabt... Nachdem Kadir ihr das erzählt hatte zählte sie sich im Stillen immer wieder die drei Punkte auf. Sie bemerkte kaum, wie der Wald sich langsam lichtete und sie irgendwann nur noch von weiten Feldern umgeben waren. Erst als die nun schon vollständig aufgegangene Sonne ihre hellen Strahlen auf die kleine Gruppe warf sah Faith auf. Die letzten Bäume des Waldes lagen einige Meter zurück. Rechts und links von ihnen befanden sich nun weite Felder, deren Pflanzen im Sonnenlicht gold-gelb strahlten. Die Sonne, die vorne rechts von ihnen aufging, stand nun schon über dem Horizont und warf weißes Licht über dieses friedliche Landschaftsbild. Der Weg war ein kleiner Kiesweg, der sich fast schnurgerade durch die Felder zog. Hoch am Himmel zogen Bussarde ihre Kreise auf der Suche nach Beute. Vorne sah man einige sanfte Hügel, hinter denen im leichten Nebel am Horizont ein kleines Dorf erkennbar war. Noch war es kühl, aber der Morgen versprach einen warmen Tag.

Red SnowWhere stories live. Discover now