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Der Treffpunkt war wie ausgemacht ein Ort an dem sie ungestört reden konnten. Faith schlängelte sich durch die vielen Leute im Zentrum. Sie erkannte, dass nun auch mehrere Grüppchen von Milwyn hier herumstanden. Wahrscheinlich gab es etwas, was sie aus ihren Häusern und in den Schutz des Hauptquartiers getrieben hatte. Waren es die Templer gewesen? Doch Faith konnte sich nun keine Gedanken deswegen machen. Sie musste zu den anderen. Der Weg hinunter zu den Novizenräumen war ihr inzwischen mehr als nur gut bekannt und so stand sie kurze Zeit später in ihrem Schlafraum. Die Schuhe zog sie schnell aus, denn an ihnen klebte noch ein Gemisch aus Erde und Wasser, das sie draußen auf dem Plateau aufgesammelt haben musste. Sie stellte die weichen Lederstiefeln an den Rand und setzte sich auf ihr Bett. Da das Zimmer für vier Leute bestimmt war und sie bis jetzt nur drei Mädchen gewesen waren hatte Donna es sich auf dem vierten Bett gemütlich gemacht. Die Öllampen flackerten leicht als sie der Luftzug erreichte, den die schließende Tür erzeugt hatte. Es war still im Raum, jeder saß auf seinem Bett und Zoé, Elora und Donna sahen abwartend zu Faith. Sie musste erstmal ihre Gedanken sortieren. Dann atmete sie tief durch. "Ich habe euch hergerufen, weil ich meine Schwester suchen gehen will...", begann sie, und sofort fragte Zoé laut: "Was? Schwester? Wieso hast du uns nie davon erzählt?" Gerade öffnete Faith den Mund, als Elora erwiderte: "Ist das nicht offensichtlich?" Zoé starrte Elora erst wütend, dann aber wieder ruhig an. Elora änderte sich eben nie. "Nein, ist es nicht. Erläutere uns deine weitaus 'intelligenteren' Gedankengänge", mischte sich nun Donna mit einem feinen Lächeln ein. Sie hatte die Knie angezogen und ihre Arme darumgelegt. Ihr Kinn lag auf ihren Knien. Sie bedachte Elora mit einem undeutbaren Blick. Elora musterte die Neue kurz distanziert, dann nickte sie knapp. "Sie wusste nicht, dass sie eine Schwester hat." Faith verblüffte inzwischen gar nichts mehr. Im letzten Monat hatte sie Elora gar nicht anders kennengelernt. "Woran hast du das erkannt?" Elora zuckte mit den Schultern und lehnte sich an die Steinwand neben ihrem Bett. "Geraten." Faith suchte in Eloras Blick nach einer Erklärung, aber als ihre Freundin nur amüsiert lächelte grinste Faith ebenfalls leicht. Natürlich hatte sie nicht geraten. Aber anscheinend interessierte Elora nun mehr die Folgen, die sich aus dem neuen Wissen schlossen. "Um zurück zum Thema zu kommen: Meine Mutter wurde von den Templern gefangen genommen..." Zoé sog hörbar die Luft ein. "...aber davor konnte sie mir noch sagen, wo das Dorf lag, in dem sie sie versteckt hat." Sie zog die Karte hervor und deutete auf das Kohlekreuz. Donna runzelte die Stirn. "Dort liegt kein Dorf mehr", erläuterte sie mit finsterer Stimme. Elora sah das Milwyn-Mädchen forschend an. Sie mochte es nicht, wenn jemand mehr wusste als sie. "Wie, 'nicht mehr'?", hakte Zoé nach und lehnte sich, auf die Hände stützend, etwas vor. "Dort befand sich einst Iljás, das Dorf mit dem besten Waffenschmied. Doch inzwischen ist es nur noch Asche..." Sie blickte Faith in die hellen Augen. "Was gedenkst du, dort zu finden? Falls deine Schwester noch lebt - und die Wahrscheinlichkeit ist gering - wird sie wohl kaum dort geblieben sein." Faith ließ sich nicht umstimmen. "Es ist mein einziger Anhaltspunkt." Elora beäugte die Karte ein zweites Mal. "Ist das nicht zu weit weg?", fragte sie mit kritischem Blick. Faith seufzte. "Es sind sicher einige Tage - wenn wir Pferde nehmen..." Zoé grinste zuversichtlich. "Die Pferde werde ich organisieren. Keine Sorge. Trotzdem... Wie sollen wir die Erlaubnis bekommen, für mehrere Tage fortzubleiben?" Alle schwiegen. Niemand hatte eine Idee. "Wir müssen noch einen Tag warten, vielleicht ergibt sich ja noch eine Chance...", schlug Elora vor. Sie sah fragend in die Runde. Gut, fragend konnte man es nicht nennen - sie wartete eher darauf, dass man ihr zustimmte. Und da niemand eine bessere Idee hatte und es sicher schon spät war legten sie sich schlafen. Donna hatte eine der Schlafkleidungen aus Leinen bekommen, und kurze Zeit später war es im Zimmer dunkel und ruhig. Faith hörte den gleichmäßigen Atem von Zoé. Sie schlief seelenruhig. Bei Elora und Donna konnte sie das nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Novizin ging ihren Gedanken nach. Ihr Zeitgefühl war vollkommen durcheinander geraten. Wieviel Uhr? Welcher Tag? Sie wusste nur, dass es später Herbst war. Sie atmete tief durch und dachte ihre letzten Erlebnisse durch. Das Treffen mit ihrer Mutter hatte sie gedanklich noch gar nicht verarbeiten können. Der getötete Templer... Niemand wusste davon. Niemand außer ihr und wahrscheinlich den Templern, wenn sie bemerkten, dass ihr Mann nicht mehr zurückkehrte. Aber wer bewies ihr, dass er tot war? Die Wahrscheinlichkeit war hoch, aber manche Menschen besaßen genug Glück und Willenskraft, um so etwas zu überleben. Faiths Gedanken wanderten weiter. Ihr Atem stockte. Die Montur ihres Vaters - die Ríona ihr geschenkt hatte - lag immer noch in ihrem Haus! Was war mit dem Dolch? Hoffentlich hatte sie ihn nicht verloren! Sofort tastete sie nach ihrem Waffengürtel. Ihre Dolche, der Beutel mit den Shuriken, das Ninjato... Gut. Da war der Dolch. Kurz passte sie nicht auf und schnitt sich an der scharfen Klinge. Sie zuckte zurück. "Verdammt...", fluchte sie leise. Wie konnte die Waffe nach so langer Zeit noch so scharf sein? Nachdem sie das Blut abgewischt hatte und der Blutfluss schnell stoppte, griff sie erneut nach dem Dolch und zog ihn aus dem Gürtel. Im Dunkeln sah sie nichts, spürte aber das kühle, glatte Metall und das raue Leder. Eine einfache Waffe, könnte man annehmen, aber so edel geschmiedet. Ehrfürchtig legte sie die Waffe zurück zum Gürtel. Wenigstens ihn hatte sie noch. Als sie an Ríonas Geschichte dachte, bildete sich ein dicker Kloß in ihrem Hals. Sie hatte Gavin nie gekannt. Aber er war ihr Vater und... Sie schluckte und vertrieb die Gedanken. Sie musste sich um andere Dinge Sorgen machen. Ihre Mutter war von den Templern gefangen genommen worden. Ihre Tante auch. Sie musste ihre Schwester suchen was ihr unmöglich erschien. Aed war verletzt und Cade... Naja. Ihr Mentor führte irgendwas im Schilde. Das sah man doch sofort. Zusätzlich hatte irgendetwas die Milwyn beunruhigt und Faith war sich sicher, dass diese Gruppe genug Kontakte hatte um zu erfahren, ob Gerüchte wahr waren oder nicht. Woran genau es lag konnte niemand sagen. Nach einer Ewigkeit schlief selbst Faith ein.

Red SnowTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon