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Die Reiter erreichten Synva wenige Tage später. Die meiste Zeit hatte Faith kein Wort gesprochen. Sie hatte auch nicht versucht zu fliehen, denn sie hatte keine Ahnung wohin sie sollte. Immerhin hatten ihr die Templer sofort alle Waffen abgenommen, auch beide versteckte Klingen. Und lieber noch eine Chance auf Leben als den sicheren Tod. Sie hatte die letzten Tage gedanklich abgeschaltet. Sie wollte nicht über die Möglichkeiten nachdenken, über das 'was wäre, wenn...'. Als die Gruppe auf Synva zuhielt herrschte dämmriges Zwielicht, verursacht durch den Sonnenaufgang und die dicken, dunklen Wolken, aus denen vereinzelt Schneeflocken herabfielen. Sie passierten das Stadttor ohne Probleme. Faith saß immer noch mit gefesselten Händen auf einem der Pferde. Inzwischen hatte man ihre Wunde am Arm verbunden und ihr die Hände vorn zusammengebunden und nicht mehr hinter dem Rücken, sodass sie sich etwas am Sattel festhalten konnte. Die Zügel hatte immer noch der Templer vor ihr. Sie starrte mit leerem Blick vor sich auf die Mähne des Pferdes. An ihrem rechten Wangenknochen spürte sie noch die Schmerzen der Wunde, die die mit Rüstung geschützte Faust des Templers hinterlassen hatte, als sie sich gewehrt hatte, erneut auf das Pferd zu steigen. Während sie durch die Straßen der Hauptstadt ritten hob Faith irgendwann den Kopf. Ihre Kapuze durfte sie nicht mehr tragen. Sie sah sich um, die Straßen waren nicht mehr ganz leer, da einige schon aufgestanden waren, Wasser holten und begannen, ihre Arbeit fortzuführen. Jeder machte den Pferden der Templer Platz. Eine Frau, die die Assassine zwischen ihnen erkannte, lief vorbei und warf Faith Schimpfwörter an den Kopf. Faith sah der Frau lang entsetzt hinterher, doch sie sollte nicht die einzige bleiben. Die Menschen akzeptierten die Assassinen nicht mehr mit stiller Furcht, sie hassten sie öffentlich. Und das erschreckte Faith. Wie hatten die Templer das allgemeine Volk auf ihre Seite gezogen? Vermutlich so wie immer, mit Angst und Drohungen. Und auf sowas sprangen die Leute erstaunlich schnell an. Faith ließ niedergeschlagen den Kopf hängen. Sie hätte, als sie den Assassinen beigetreten war, so eine Niederlage niemals erwartet. Aber was hatte sie dann erwartet? Dass es immer so weitergehen würde wie es damals war?
Irgendwann erreichte der Reitertrupp sein Ziel. Und was Faith sah, als sie den Kopf hob, gefiel ihr gar nicht. Vor ihr erhoben sich die dunklen Mauern der Sharra. Gleichzeitig sah sie vor ihrem inneren Auge die Erlebnisse der Mission damals. Sie wollte nicht eine dieser zusammengesunkenen, verlorenen Gestalten darin werden. Aber wo sollten die Templer sie auch sonst hinbringen? Im nächsten Moment hielten die Templer vor den Wachen am Tor. Sicher, es waren wieder neue da. Faith schluckte. Ihre geistige Abwesenheit verschwand langsam und machte Furcht Platz. Sie wollte nicht herausfinden, was sie hinter diesem Tor erwartete. Sie wusste natürlich, wie es innen aussah, doch was die Templer tun würden, wusste sie nicht. Ein kurzer Ruck und ihr Pferd lief weiter. Es war ein gemächlicher Schritt. Im Hof angekommen wurde Faith vom Pferd gezerrt und sofort von Wachen umringt. Ihr Blick war düster, Strähnen hingen ihr ins Gesicht und die Wunde an der Wange stach hervor, genauso wie die finsteren, hellblauen Augen. Ein Templer packte sie an den Schultern und schob sie durch einen Torbogen in die Gänge des Gefängnisses hinein. Sie liefen durch die Gänge der Sharra, während einige Wachen sie eskortierten. Faiths Blick hing am schmutzigen, dunklen Boden des Gangs. Sie war nicht in der Lage, den Kopf zu heben. Es ging einige Treppen, die sich in einer Spirale nach unten wanden, hinunter. Dann liefen sie durch eine Tür, die Faith bekannt hätte vorkommen können, wenn sie sich umgesehen hätte. Denn die Holztüre hatte die unbarmherzigen Schläge einer Axt aushalten müssen. Doch erst als die Templer eine weitere Tür im Gang aufschlossen und Faith hineinstießen bemerkte sie, dass das einer der Räume war, in die sie auch Kadir eingesperrt hatten. Sie sah sich kurz um. Sie war erschöpft. Und ihre Zukunft sah auch nicht blendend aus, genauso wenig wie ihre Vergangenheit. Der Templer nahm ihr endlich die unangenehmen Fesseln ab und verließ den Raum. Faith hörte die Geräusche, die der Schlüssel im Schloss machte. Dann legte sie sich auf die Pritsche am Rand des Raums und, obwohl eine Fackel die Zelle leicht erleuchtete und die Pritsche hart war, schlief schnell ein.

Red SnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt