1 - Ich lerne Leute kennen und versaue schon mal sämtliche erste Eindrücke

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𝕀 𝕕𝕠𝕟'𝕥 𝕜𝕟𝕠𝕨 𝕨𝕙𝕖𝕣𝕖 𝕀 𝕒𝕞 𝕘𝕠𝕚𝕟𝕘, 𝕓𝕦𝕥 𝕀 𝕒𝕞 𝕠𝕟 𝕞𝕪 𝕨𝕒𝕪

Schön. Jetzt war ich also hier. Am Bahnhof King's Cross. Nur wo zur Hölle sollte ich jetzt Gleis 9 3/4 finden?! Also echt, als ob das zu viel verlangt wäre, so etwas ordentlich zu beschildern! Aber nein, nichts da! Nur alle möglichen anderen Gleise. Da war Gleis 9, Gleis 10... von einem Gleis 9 3/4 weit und breit keine Spur.

Schön langsam fragte ich mich ja, ob dieser ganze Hogwarts-Brief und die Winkelgasse einfach nur inszeniert worden waren, um mich lächerlich zu machen. Mit einer Versteckte-Kamera-Show oder so. Andererseits, so viel Mühe würden sich selbst die nicht geben! Wobei es auch irgendwie ein cooler Streich wäre...

Gerade als ich überlegte, ob es besser wäre, wieder ins Waisenhaus zurückzukehren oder doch lieber einfach abzuhauen, liefen zwei rothaarige Jungs, die sich glichen wie ein Ei dem anderen, an mir vorbei. Aber nicht nur an mir vorbei, nein! Sie rannten doch tatsächlich direkt auf die Wand zwischen Gleis 9 und 10 zu, ohne auch nur ein bisschen langsamer zu werden, im Gegenteil! Waren die irre?! Und wieso hielt die rothaarige Frau, die ich für ihre Mutter hielt, sie nicht auf? Das war ja lebensgefährlich!

Dann passierte es. In dem Moment, in dem sie eigentlich mit voller Wucht gegen die Mauer knallen sollten, waren sie plötzlich verschwunden. Einfach weg. Puff. Von einem Moment auf den anderen. Ich starrte wohl ziemlich belämmert drein, aber ich hatte mich noch gar nicht richtig von meinem Schock erholt, als plötzlich noch zwei Jungs, ein Rothaariger und ein Schwarzhaariger, hinterherliefen. Was zur Hölle...?

Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass ich ja nichts zu verlieren hatte und auf gut Glück lief ich auf die Absperrung zu. Kurz vor dem unweigerlichen Zusammenstoß kniff ich die Augen fest zu, ich war jetzt so schnell, dass ich eine Bekanntschaft mit der Wand sowieso nicht mehr verhindern könnte. Ich machte mich auf den Aufprall gefasst - doch er kam nicht.

Stattdessen blinzelte ich ins Sonnenlicht eines völlig überfüllten Gleises, wo sich massenhaft Menschen in komischen Umhängen tummelten. Gleis 9 3/4, wie mir ein Schild verriet. Mit offenem Mund schaute ich mich um. Es stimmte also. Zauberei existierte. Wie sonst hätte ich durch eine definitiv massive Wand gelangen sollen? Immer noch staunend betrat ich den Hogwarts Express.

Drinnen sah ich mich erst einmal nach einem Sitzplatz um. Immerhin hatte ich so gar kein Interesse daran, eine stundenlange Zugfahrt überstehen zu müssen! Mittlerweile hatte sich der Zug in Bewegung gesetzt und ich war in einem nahezu leeren Abteil angelangt. Darin befanden sich einzig und allein der rothaarige und der schwarzhaarige Junge von vorhin. "Hi! Ich bin Evelina Green! Kann ich hier noch sitzen?", erkundigte ich mich.

Der rothaarige Junge ergriff das Wort: "Ich bin Ron Weasley!" Ich lächelte ihm freundlich zu.

"Und ich bin Harry, Harry Potter!", stellte sich da auch der andere Junge vor. Mir blieb fast das Herz stehen vor Schreck. Hilfe!

Fakt war, dass er mein Zwillingsbruder war. Aber das wusste niemand. Ich wusste nicht einmal, ob er es überhaupt wusste. Und ich hatte keine Ahnung, wie man so ein Gespräch am besten beginnen sollte. Hi, ich bin Evelina, ach übrigens, ich bin deine Zwillingsschwester von deren Existenz du bisher noch nichts wusstest! Das ging ja wohl gar nicht!

Als ich merkte, dass ich ihn immer noch anstarrte, ging mir auf, dass ich das sicher keine ganze Zugfahrt aushalten würde. Eilig schob ich hinterher: "Genau genommen muss ich jetzt los, schön euch kennengelernt zu haben, tschüss!"

Während ich fluchtartig das Abteil verließ, konnte ich Ron noch sagen hören: "Okay... Das war komisch..."

Auf meiner, naja, irgendwie passte das Wort "Flucht" schon ganz gut, lief ich versehentlich in jemanden hinein. Dieser Jemand war darüber nicht so ganz erfreut, zumindest schnauzte er mich gleich an: "Ey, pass doch auf wo du hinläufst!"

Ich schaute auf und blickte in zwei wütende graue Augen. Der blonde Junge, dem die Augen gehörten, funkelte mich zornig an. Eigentlich hätte ich mich entschuldigt, ich hatte ja wirklich nicht hingesehen, aber in diesem Fall... Nein danke!

Jetzt sahen mich auch noch zwei andere Jungs böse an, die auf mich wie Schläger wirkten. Na toll. Tatsache war jedoch, dass ich jetzt sauer war, der arrogante Blick des Jungen trieb mich zur Weißglut. Und ich wusste gerne, auf wen ich da eigentlich genau sauer war, also hakte ich genervt nach: "Wer bist du überhaupt?"

"Ich bin Draco Malfoy, meine Familie ist schon seit Generationen in Slytherin und wir sind alle Reinblüter. Und wer bist du?", erwiderte der blonde Junge herablassend.

Am liebsten hätte ich ihm sein Grinsen aus dem Gesicht gewischt. Ich kannte ihn zwar erst seit ein paar Sekunden, die mir zugegeben wie eine halbe Ewigkeit vorkamen, und man sollte ja keine Vorurteile haben und so, aber... Er war mir einfach unsympathisch. Selten hatte ich jemanden von vornherein so wenig leiden können. Ich wollte einfach nur weg von diesem Idioten. Ansonsten könnte es passieren, dass ich ihm eine scheuern würde, und vermutlich würde das nicht den besten ersten Eindruck vermitteln.

"Ich bin Evelina Green und mehr musst du nicht wissen!", fuhr ich ihn an, riss die nächste Abteiltür auf, rauschte hinein und schlug sie hinter mir wieder zu.

Draußen konnte ich dumpf die Stimme von Draco hören: "Ich mag sie nicht. Absolut kein Respekt!"

Mit geballten Fäusten und ohne mich überhaupt richtig umzusehen, fragte ich nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag: "Kann ich hier noch sitzen?"

Einer der beiden rothaarigen Jungen vom Bahnsteig meldete sich zu Wort: "Sicher..."

"Aber wer bist du überhaupt?", beendete sein Zwillingsbruder den Satz für ihn.

Ups. Das hatte ich in der ganzen Aufregung wohl irgendwie vergessen. "Tut mir leid, ich bin Evelina Green, und ihr?", schob ich schnell hinterher. So viel zu meinem ersten Eindruck...

The girl who lived - Alles dreht sich um einen SteinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt