56.) Der Raum der Wünsche

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Die Verbindung der Zauberstäbe. Immer wieder ging Severus die Geschichte durch den Kopf, während er Ginny folgte, die die Gruppe quer durch das Schloss lotste. Die Möglichkeit, einen Menschen zu schützen, wenn beide echte Zuneigung zueinander empfanden. Er blickte zu Beth, die vor ihm ging. Ihre Haare hatte sie lose zusammengebunden und jetzt wippten die sich gelösten Strähnen bei jeder ihrer Bewegungen. So wie einige der anderen hatte sie schon länger damit aufgehört, ihre Lehrerumhänge zu tragen. Stattdessen bestand ihre Kleidung inzwischen aus Jeans und Pullover, denn im Schloss war es immer noch kalt, trotz des Frühlings, der sich draußen immer weiter ausbreitete. Er betrachtete ihre Silhouette und wie so oft in den letzten Wochen wusste er nicht mehr, was seine Gefühle ihm sagten. Er wusste nicht, was er für diese Frau empfand. Sie war eine Kollegin, seine Laborpartnerin, aber war das alles? Wenn er ehrlich zu sich war, dann musste er das verneinen. Sie war auch die erste Person seit langer Zeit, die er näher an sich herangelassen hatte als irgendjemand sonst. Sie kannte einige seiner tieferen Geheimnisse und Empfindungen. Und war das alleine nicht ein Hinweis darauf, dass sie mehr für ihn war? Severus war nicht völlig blind, schon vor der Situation, in der sie alle jetzt steckten, war ihm klar geworden, dass er Beth zumindest auf einer körperlichen Ebene anziehend fand, ihre Berührungen genoss, ihre Umarmungen, ihre freundschaftliche Zuneigung, die sie so offen zeigte. Viel zu oft war er aus Träumen aufgewacht, in denen sie eine Rolle gespielt hatte. Aber er war nicht dumm. Zu viele Momente hatte es gegeben, in denen sie ihm nicht nur mit Worten gezeigt hatte, dass es für sie nur einen Mann gab. Einen, den sie nie würde vergessen können, den sie auf ein Podest gestellt hatte. Ihm schoss der Gedanke an Lily durch den Kopf. Es war seiner eigenen Trauer durch die Jahrzehnte hinweg nicht unähnlich, wie er plötzlich erkannte. Es war so einfach, eine geliebte Person, die man verloren hatte, besser zu machen, als sie wirklich war, jeden, den man traf, mit ihr zu vergleichen. Deswegen war sich Severus sicher, selbst wenn sie die gleiche körperliche Anziehung spüren würde, würde sie ihr nie nachgeben. Und er würde es nicht wollen. Er würde nicht mit einem Toten verglichen werden wollen, kein Ersatz für ihn sein. Er wollte nicht, dass sie ihre Augen schloss und sich statt ihm ihren toten Mann vorstellte.

Es war untypisch für ihn, aber er gab sich mit dem zufrieden, was sie ihm anbot. Ihre Freundschaft. Eine tiefe Freundschaft, die ihn immer noch erstaunte.

Das hatte er gedacht, bis Tonks ihn heute auf ihre Zauberstäbe aufmerksam gemacht hatte. Eine echte Zuneigung. Von beiden Seiten. Konnte das mehr bedeuten als Freundschaft? Und wenn ja, belog er sich die ganze Zeit selber?

„Wir sind da!", sagte Ginny und blieb stehen. Severus blickte auf und erkannte sofort, wo sie waren. Am liebsten wäre er zur Wand gegangen und hätte seinen Kopf dagegen geschlagen. Da musste eine Weasley kommen, eine Göre, kaum erwachsen, um ihm zu sagen, wie er sich in Hogwarts Informationen beschaffen konnte. Eine Schande. Und nichtsdestotrotz brillant von ihr, das musste er widerwillig zugeben. Sie alle hatten sich anscheinend viel zu tief in die Sache verstrickt, um sie noch von außen betrachten zu können.

„Würden sie weitermachen?", sagte er ungeduldig, nachdem Ginny einige Minuten das Wechselspiel der Mienen beobachtet hatte.

Sie grinste ihn an, ihn, ihren ehemaligen Lehrer! Dann begann sie, vor der Wand auf und ab zu gehen und etwas zu murmeln.

„Wir benötigen Informationen darüber, was in Hogwarts geschehen ist, als die Menschen hier begannen, ihre Erinnerungen zu verlieren. Wir müssen wissen, was passiert ist", begann sie aufzusagen.

Dann erschien eine Tür. Sie blieb stehen, verbeugte sich vor der Gruppe und sagte: „Meine Damen und Herren, willkommen im Raum der Wünsche."

„Jaja, ist ja schon gut, wir hätten selbst drauf kommen sollen", grummelte Harry, trat aber trotzdem neben sie und gab ihr einen kurzen Kuss.

Um den Liebsten zu schützenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt