20.) Die Heulende Hütte

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Beth erwachte am nächsten Morgen und lag noch einige Minuten still in ihrem Bett. In ihrem Kopf zogen die Bilder vom letzten Abend vorbei. Als sie so darüber nachdachte, verwirrte sie das Verhalten von Professor Snape. Severus, korrigierte sie sich innerlich. Irgendwie schien es, als ob der Abend sie nicht, wie vielleicht erwartet, auseinandergetrieben, sondern eher eine Art Verbundenheit geschaffen hatte, die sie noch nicht ganz verstand. Sie hätte es verstanden, wenn Severus wütend auf sie gewesen wäre, sie rausgeschmissen und alles Minerva erzählt hätte, nachdem sie ihn immerhin angegriffen hatte. Aber er hatte nichts davon getan. Im Gegenteil, er hatte ihr Trost gegeben, wo sie ihn so dringend gebraucht hatte. Und das verstand sie am wenigsten. Aus Hermiones Briefen, aus Erzählungen anderer und auch nach ihrem persönlichen Eindruck war Severus Snape kein Mensch, der sich etwas aus den Gefühlen anderer machte. Im Gegenteil, er schien auf seine Umwelt immer nur wie ein eigenbrötlerischer, schlecht gelaunter, sarkastischer und manchmal bösartiger Mann zu wirken. Das genaue Gegenteil von dem, was Beth gestern Abend in ihm hatte aufflackern sehen. Dort, im Labor, war er ein Mann gewesen, der zwar immer noch ruppig und sarkastisch war, aber er hatte auch genug Größe gezeigt, um sie um Verzeihung zu bitten. Er hatte genug Feingefühl gehabt, sie nicht rauszuschmeißen. Und er hatte einen feinen Sinn für Humor offenbart. Ob Severus der Welt wirklich eine Maske zeigte? Ein Bild von sich, das er die ganzen Jahre gebraucht hatte, um zu überleben? Und das inzwischen so sehr zu ihm gehörte, dass er vielleicht selbst nicht mehr wusste, wer genau er war? Sie fragte sich, ob es der Mann war, den sie gestern Abend kurz gesehen hatte, der Albus Dumbledore damals gezeigt hatte, dass Severus Snape kein schlechter Mensch war, sondern jemand, dem man vertrauen konnte. Während sie so grübelte, nahm sie sich vor, den ehemaligen Schulleiter in nächster Zeit dazu zu befragen.

Dann stand sie auf, denn inzwischen war es schon halb acht und sie wollte genug Zeit zum Frühstücken haben. Sie würde heute den ersten Tag vollen Unterricht geben, alle vier Doppelstunden, und war schon gespannt, wie anstrengend der Tag werden würde. Und da Beth nicht Beth wäre, wenn sie sich nicht schon darauf freuen würde, machte sie sich fix fertig und ging beschwingt und mit guter Laue zur Halle. Je mehr Zeit sie vor dem Unterricht hätte, je weniger könnte sie mit ihrer Chaosneigung anstellen.

Erstaunlicherweise waren alle anderen Lehrer schon anwesend. Innerlich ermahnte sich Beth, dass sie wohl einen anderen Rhythmus brauchen würde, wenn sie die alt eingesessenen Lehrer so sah, die anscheinend schon viel früher immer unterwegs waren. Sie wusste nicht, wie diese das schafften. Immerhin musste abends ja auch Patrouille gegangen werden, die Unterrichtsvorbereitung und Korrekturen von Arbeiten standen an. Und irgendwo musste ja auch noch Zeit sein für anderes, denn schließlich forschte Severus noch nebenbei. Die Lehrer in Hogwarts schienen wohl nicht zu schlafen?

Sie seufzte. Ob das wirklich der richtige Job für sie war, wo sie schon früher kaum mit ihrer Zeit zurechtgekommen war?

Sie ging auf den Lehrertisch zu, grüßte in die Runde und setzte sich zwischen Minerva und Hermione. Ihre Freundin sah sie etwas besorgt an und sagte: „Guten Morgen. Ist alles OK mit dir?"

Sie lächelte nur und nickte. Es war schön, so eine super Freundin zu haben.

Minerva runzelte über die Frage die Stirn, sagte aber nichts.

Als Beth mit ihrem Frühstück halb durch war, wandte sie sich an die Schulleiterin: „Minerva, ich habe eine Bitte."

Diese drehte sich erwartungsvoll zu ihr um und sah sie fragend an. „Was denn, meine Liebe?"

„Nun, ich würde den Schülern gerne vorführen, wie ein richtiges Duell zweier Magier aussehen kann, welches Potenzial und welche Gefahren hier bestehen können. Daher möchte ich fragen, ob du eine solche Vorstellung genehmigen würdest. Vielleicht könnten wir diese in der Großen Halle durchführen. Oder vielleicht auf dem Quidditchplatz?", führte Beth ihre Idee aus.

Um den Liebsten zu schützenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt