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Inhaltswarnung: Flashback (Orientierungslosigkeit)

Am nächsten Tag apparierte Remus zu seiner alten, beziehungsweise eigentlich seiner eigenen Wohnung. Alles war ziemlich staubig, an der Tür stapelte sich Post - nichts Wichtiges, nur Werbung, alles andere bekam er ja per Eule praktischerweise immer zu seinem aktuellen Standort - und die Müslischüssel, die er am Morgen des 18. Juni stehen gelassen hatte, um sie später abzuwaschen, hatte einen pelzigen grünen Überzug, den er angewidert mit einem Schwung seines Zauberstabs verschwinden ließ. 

Der Tag im Ministerium war inzwischen fast einen Monat her und somit auch das letzte Mal, das Remus sich hier länger aufgehalten hat, als es dauerte, einige Sachen zu greifen. Auch heute war er nicht hier, um zu bleiben - er hatte ein ganz genaues Ziel und das war unter seinem Bett. 

Er stieg über einige Kleidungsstücke auf dem Fußboden des kleinen Zimmers. Normalerweise war er sehr ordentlich (Sirius' Lieblingseigenschaft an ihm und auch die ihm meist verhasste, je nachdem ob ihm Remus' Ordnung gerade in den Kram passte oder nicht), aber in seiner Hast, als er sich das Erstbeste gegriffen hatte, hatte er nicht die Geduld gehabt, die nicht gewählten Sachen wieder zusammenzufalten. 

Er bückte sich, um die große Pappkiste unter dem Bett hervorzuziehen. Die Staubschicht auf ihr war noch dicker als die über dem Rest der Wohnung, aber trotzdem strich er sie nur hastig mit den Händen weg, bevor er den Karton öffnete. 

Obenauf lag eine rot-goldene Gryffindor-Krawatte. Es war das einzige Stück Schuluniform, was Remus behalten hatte - alles andere  ̶w̶a̶s̶ ̶n̶o̶c̶h̶ ̶n̶i̶c̶h̶t̶ ̶a̶u̶s̶e̶i̶n̶a̶n̶d̶e̶r̶g̶e̶f̶a̶l̶l̶e̶n̶ ̶w̶a̶r̶ hatte er jüngeren Schülern gegeben. Diese eine Krawatte hatte er noch, als Andenken  ̶o̶d̶e̶r̶ ̶v̶i̶e̶l̶l̶e̶i̶c̶h̶t̶,̶ ̶w̶e̶i̶l̶ ̶e̶s̶ ̶d̶i̶e̶ ̶e̶r̶s̶t̶e̶ ̶l̶a̶n̶g̶e̶ ̶H̶e̶r̶r̶e̶n̶k̶r̶a̶w̶a̶t̶t̶e̶ ̶w̶a̶r̶,̶ ̶d̶i̶e̶ ̶e̶r̶ ̶s̶i̶c̶h̶ ̶i̶m̶ ̶S̶o̶m̶m̶e̶r̶ ̶v̶o̶r̶ ̶d̶e̶r̶ ̶s̶i̶e̶b̶t̶e̶n̶ ̶K̶l̶a̶s̶s̶e̶ ̶g̶e̶k̶a̶u̶f̶t̶ ̶h̶a̶t̶t̶e̶.

Unter der Krawatte lag sein Abschlusszeugnis, eine Vorlage für Bewerbungen, die nur an die entsprechende Stelle angepasst werden musste, ein Empfehlungsschreiben von Professor McGonagall und alle Grußkarten, die ihm die anderen zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschickt hatten. Und darunter...Fotos. Stapelweise Fotos aus Hogwarts, aus der Zeit danach, aus den Sommerferien, mit den Rumtreibern, mit den Mädchen, mit dem Orden, ein paar sogar mit seinen Eltern. Alles, in sorgfältiger Kleinarbeit, über die Sirius sich damals köstlich amüsiert hatte, geordnet und thematisch mit Bindfäden zu kleinen Päckchen verknotet. 

Wenn Remus die Augen schloss, konnte er es vor sich sehen - er selbst auf dem Fußboden ihrer kleinen Wohnung, überall um ihn herum verstreut Bilder, Sirius auf dem Schaukelstuhl, den er auf dem Flohmarkt gefunden und gekauft hatte, "weil man einen Schaukelstuhl braucht, Moony", mit einer riesigen Tasse heißer Schokolade, die Remus gemacht hatte, weil Sirius' Herstellung davon ein Verrat an Schokolade war (er benutzte Instant-Kakaopulver, bei Merlins Bart!). 

"Wozu zur Hölle sortierst du das alles?", hatte er gefragt, während er derartig doll mit dem Stuhl geschaukelt hatte, dass Remus schon beim Zuschauen schlecht geworden war. 

"Wenn du irgendwann etwas suchst, wirst du es mir danken", hatte er geantwortet und seinem Mann vorgeschlagen, sich in einen Hund zu verwandeln und mit den Nachbarskindern zu spielen, wenn ihm so langweilig war, was der dann auch prompt gemacht hatte. 

Remus sah aus dem Fenster hinüber auf die andere Straßenseite, wo das Mietshaus war, in dem sie damals gewohnt hatten. Es war Zufall gewesen, dass er ausgerechnet hier wieder gelandet war.  ̶A̶l̶s̶o̶ ̶e̶i̶g̶e̶n̶t̶l̶i̶c̶h̶ ̶n̶i̶c̶h̶t̶,̶ ̶e̶i̶g̶e̶n̶t̶l̶i̶c̶h̶ ̶h̶a̶t̶t̶e̶ ̶e̶r̶ ̶e̶x̶p̶l̶i̶z̶i̶t̶ ̶n̶a̶c̶h̶ ̶e̶i̶n̶e̶m̶ ̶Z̶i̶m̶m̶e̶r̶ ̶h̶i̶e̶r̶ ̶g̶e̶s̶u̶c̶h̶t̶,̶ ̶v̶e̶r̶m̶u̶t̶l̶i̶c̶h̶ ̶u̶m̶ ̶s̶i̶c̶h̶ ̶s̶e̶l̶b̶s̶t̶ ̶z̶u̶ ̶q̶u̶ä̶l̶e̶n̶.̶ Die älteren Damen in der Nachbarschaft, die auch fünfzehn Jahre später noch hier wohnten, hatten sich nach seiner Rückkehr auf ihn gestürzt wie die Geier und er hatte sie gelassen, vor allem, weil er alle Nase lang zum Essen eingeladen wurde  ̶u̶n̶d̶ ̶e̶s̶ ̶g̶r̶o̶ß̶a̶r̶t̶i̶g̶ ̶w̶a̶r̶,̶ ̶e̶i̶n̶m̶a̶l̶ ̶w̶i̶r̶k̶l̶i̶c̶h̶ ̶s̶a̶t̶t̶ ̶z̶u̶ ̶w̶e̶r̶d̶e̶n̶. Sie hatten allerdings auch jede Menge unangenehme Fragen gestellt, was mit den ganzen anderen jungen Leuten war, die damals hier ein und aus gegangen waren und Remus hatte es nicht übers Herz gebracht, ihnen zu sagen, dass sie alle gestorben waren  ̶o̶d̶e̶r̶ ̶w̶e̶g̶e̶n̶ ̶d̶e̶s ̶M̶o̶r̶d̶es ̶a̶n̶ ̶i̶h̶n̶e̶n̶ ̶i̶m̶ ̶G̶e̶f̶ä̶n̶g̶n̶i̶s̶. 

Remus & Sirius: PuzzleteileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt