zehn

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"Tonks sagt, du hast Fotos mitgebracht." 

Remus schreckte von den Briefen auf, die er gerade geschrieben hatte. Es war drei Tage her, dass sie Sirius oben in Regulus' Zimmer gefunden hatten. 

Remus war zuvor nicht wirklich bewusst gewesen, dass Sirius zwar Kindheitserinnerungen gehabt hatte, aber Regulus als Person in ihnen stets nur eine namenlose, schemenhafte Gestalt gewesen war. Die letzten beiden Tage hatte er viel in einem meditativen Zustand verbracht (den niemand "meditativ" nennen durfte, ohne von Sirius mit dem nächstbesten herumliegenden Kleidungsstück beworfen zu werden), um die frisch erhaltenen Informationen darüber, dass er einen jüngeren Bruder gehabt hatte, zu verarbeiten und mit dem Rest zu sortieren. 

Jetzt schien er damit halbwegs fertig zu sein - er wirkte auffällig gut gelaunt, also nahm Remus an, dass ihm, wie auch bei ihren Freunden, noch die wesentliche Information fehlte, dass Regulus nicht mehr am Leben war. Und vermutlich auch, dass er ein Todesser gewesen war. 

"Jup", beantwortete er die Frage, die Sirius ihm gestellt hatte, der jetzt im Türrahmen des Salons stand und ihn musterte. "Aus unserer Schulzeit, hauptsächlich." 

"Kann ich sie sehen?"

Remus zögerte kurz, unsicher, ob er damit einen weiteren Schub Erinnerungen auslösen konnte. Aber andererseits, selbst wenn, dann war es früher oder später so oder so nötig, dass Sirius bestimmte Erinnerungen zurück bekam. Er nickte. 

"Dafür habe ich sie geholt." Er schob seinen Stuhl zurück, der auf dem Parkettboden fies quietschte, stand auf und ging, von Sirius gefolgt, über den Flur zu dem Gästezimmer, das über die letzten Wochen immer mehr zu seinem geworden war, wo der Stapel, immer noch sorgfältig mit einem Bindfaden verschnürt, auf der Kommode lag. Er griff danach und drehte sich wieder zu Sirius um, der für einen kurzen Moment erstarrte und dann einige Male schnell blinzelte. 

"Alles gut?", fragte Remus vorsichtig. Sirius nickte. 

"Ich war nur kurz...ich hatte..." Er zögerte. "Kennst du das, wenn man eine gewisse Assoziation bekommt und dann auf einmal eine ganz bestimmte Situation vor Augen hat, von der man nicht mehr so genau wusste, dass man sich daran erinnert?" Er lachte ein wenig hilflos in sich hinein. "Warte, das war eine dumme Frage, du hast alle deine Erinnerungen, natürlich weißt du nicht..."

"Ich weiß, was du meinst", unterbrach Remus ihn sanft. Sirius atmete erleichtert auf. "Meine Erinnerungen sind auch kein Fotoalbum, durch das ich beliebig blättern kann. Manche Sachen sind vergraben und tauchen in den seltsamsten Momenten wieder auf." Er legte den Kopf schräg. "Was war die Erinnerung, die du hattest?"

Sirius lächelte leicht. 

"Ich hatte plötzlich dich vor Augen. Wie du in einem kleinen Zimmer auf dem Fußboden sitzt. Um dich herum hunderte Fotos in kleinen Haufen. Und du hast die Haufen sorgfältig zusammengeschoben und mit Bindfäden verknotet." 

Remus nickte. 

"Du hast in deinem Schaukelstuhl gesessen und dich über mich lustig gemacht, wie unnötig das ganze ist", erzählte er. Sirius grinste. 

"Und ich hatte recht", erklärte er triumphierend. "Wer braucht schon sortierte Fotos? Ein wilder Mix ist doch viel besser!" 

Remus beschloss, darauf nicht zu antworten, deutete lediglich auf die Tür. 

"Ist Tonks da?"

Sirius schüttelte den Kopf. 

"Wollte in die Winkelgasse, um Besorgungen zu machen." 

Remus runzelte die Stirn. 

"Das hört sich gefährlich an." 

Sirius grinste nur und ließ sich auf die Couch fallen. Remus setzte sich neben ihn, unsicher, wie nah sie aneinander sitzen sollten. Bisher hatte er immer versucht, auf einem anderen Sessel zu sitzen, aber wenn sie sich gemeinsam Fotos anschauen wollten, ging das natürlich nicht. 

Remus & Sirius: PuzzleteileWhere stories live. Discover now