Erster Kuss

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Es ist Mitte Oktober und die Blätter haben einen wunderschönen Goldton in der Abendsonne. Sirius war nie bewusst, dass er es mag, spazieren zu gehen. Es passt nicht richtig ins Punkrock-Thema, was er in seinem Leben durchzusetzen versucht. 

Aber Ilia geht gerne spazieren. Also geht er mit. Gestern waren es genau zehn Wochen, seit ihre Mutter gestorben ist. Es ist hart, aber es wird besser. Sirius denkt gerne, dass er etwas damit zu tun hat. Nicht, dass er egoistisch genug ist, zu glauben, dass er allein Ilia durch den Tod ihrer Mutter und die Entfremdung von ihrem Vater geholfen hat. Nein, das hat vermutlich vor allem die Zeit. Und auch ihre anderen Freunde. James und Peter geben sich große Mühe. Aber sie verstehen nicht, wie es ist, wenn ein Elternteil vor den eigenen Augen zu einem Fremden wird. 

Zugegeben, das ist nur der eine Teil. Sirius kann auch nicht nachempfinden, wie es ist, wenn ein Elternteil stirbt. Er gibt sich viel, viel Mühe, dass kein "leider" in diesen Satz schlüpft. Der Sommer war hart, er weiß nicht, wie er noch zwei davon überstehen soll. Er sagt überstehen, weil er das andere Wort nicht denken will. Der Gedanke macht ihm zu viel Angst. Aber unterbewusst ist es da. Das große, fette Überleben. 

Aber jetzt ist er erstmal wieder in Hogwarts. Es ist gerade mal Oktober, bis zum nächsten Sommer ist viel Zeit. Zeit für Schule, Zeit für Streiche, Zeit für Spaziergänge mit Ilia. 

Ilia, die sein Herz höher schlagen lässt. Er überlegt seit Wochen, ob er sie mal darauf anspricht. Irgendwie hat er das Gefühl, dass sie mit ihm eine andere Dynamik hat als mit James oder Peter. Er kann nicht gut einschätzen, ob das bedeutet, dass sie ihn vielleicht auch mag. Aber er würde es nicht ausschließen. 

"Ich glaube, wenn James Lily noch einmal nach einem Date fragt, frisst sie ihn", meint Ilia jetzt gerade. Sie schmunzelt, das macht sie wieder häufiger in letzter Zeit und es schockiert Sirius, wie warm ihn dieses Schmunzeln werden lässt. Er grinst. 

"Ehrlich?", fragt er. "Mit Haut und Haaren und allem drum und dran?"

"Ziemlich sicher." 

"Was ist mit seinen Klamotten?"

"Hm, ich glaube, unsere Schuluniformen schmecken nicht besonders." Ilia lacht leise. "Und sie wäre wahnsinnig, wenn sie James' Socken auch nur in die Nähe ihres Gesichts kommen ließe." 

Sirius zuckt mit den Schultern. 

"Dann wird er glücklich sterben, wenn sie ihn zumindest einmal nackt gesehen hat", sagt er trocken. 

Ilia verzieht angeekelt das Gesicht. 

"Sirius, du bist widerlich", erklärt sie. 

"Ich weiß", antwortet er. "Es ist Teil meines Charmes." 

Sie schaut ihn nur zweifelnd an. 

"Kannst du ihm nicht mal hilfreiche Tipps geben, wie er sie rum bekommt?", bittet Sirius. "Du als weiblicher Einfluss könntest uns alle von seinen Jammereien erlösen." 

Für den Kommentar mit dem weiblichen Einfluss bekommt er einen bösen Blick, wie immer, wenn einer von ihnen Ilia irgendwie daran erinnert, dass sie ein Mädchen ist. 

"Mein weiblicher Einfluss"- sie malt Gänsefüßchen in die Luft - "ist folgender: er soll sie einfach zivilisiert und höflich fragen und wenn sie nein sagt, aufgeben. Dann hat sie ihre Ruhe, wir unsere und James behält seine Würde. Zudem würden seine Chancen dann vermutlich deutlich steigen." Sie zögert kurz. "Oder naja, wären gestiegen, wenn er es jetzt nicht mit den letzten drei Aktionen schon in den Sand gesetzt hätte." 

Remus & Sirius: PuzzleteileOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz