Kapitel 2

18.6K 447 4
                                    

»Ich glaube nicht, dass ich das möchte«, antwortete ich so ruhig, wie ich konnte, und löste endlich meinen Blick von ihrem tanzenden Körper. Ohne auf seine Reaktion zu warten, bewegte ich mich Richtung Bar und bestellte ein Mojito. Mein Vorhaben war zwar, nichts zu trinken, aber dieser Typ machte mich wahnsinnig. So auch dieses Mal, als er an meiner Seite auftauchte und ohne ein Wort für mich bezahlte.

»Was soll das? Ich kann mich gut selbst verpflegen«, meckerte ich und schenkte dem Barkeeper ein dankbares Lächeln. Schnell nahm ich einen großen Schluck und genoss das Brennen im Hals, als sich der Alkohol darin ausbreitete. Erst dann rührte ich seelenruhig darin, um den Zucker zu verteilen und den Cocktail abzuschwächen. Dieser erste Schluck beruhigte meine Nerven, die zum Zerreißen gespannt waren. Nur konnte ich mir überhaupt nicht erklären, wieso. Ich kannte Philipp nicht, er war unfreundlich und undurchsichtig in seinem Handeln. Er gab komische Antworten oder sagte Dinge, die nicht angemessen waren. Wieso prickelte meine Haut dennoch immer stärker, je länger er bei mir war?

Ich hatte keine Lust auf Spielchen und drehte mich wieder zu der tanzenden Menge. Schnell entdeckte ich Julia und Theo, die ausgelassen zu Titanium. Ihre Körper bewegten sich gemeinsam, als wäre es immer ihr Zweck gewesen mit dem anderen zu tanzen und wieder musste ich lächeln.

»Normalerweise bin ich ganz zahm«, sprach Philipp schon wieder, dieses Mal ganz nah an meinem Ohr. Ein Schauer überlief meinen Rücken und versuchte unbemerkt von ihm abzurücken. Doch dadurch stieß ich nur gegen seine Hand, die sich auf meiner anderen Seite befand, da er seinen Arm um mich gelegt hatte. Zwar berührte er mich nicht, aber die Geste war eindeutig.

»Was willst du von mir?«, keifte ich, denn so langsam wurde es mir wirklich zu viel. Ich trank einen weiteren großen Schluck, spürte, wie sich der Alkohol in meinem Körper verteilte, und genoss das Gefühl der eintretenden Leichtigkeit. Wirklich viel vertrug ich nicht, aber in diesem Moment war alles besser, als Philipps Anwesenheit voll wahrzunehmen.

»Ich habe keine Ahnung«, gab er leise zu, so dass ich ihn kaum verstand über der Lautstärke der Musik. Augenrollend trank ich meinen Cocktail aus, stellte das Glas auf der Theke hinter mir ab und drehte mich zu ihm. Sein Gesicht betrachtete ich jetzt das erste Mal aus dieser Nähe, erkannte die hellen Sprenkel auf seiner Iris, die feinen Sommersprossen auf seiner hellen Haut und die Fülle seiner Lippen, die so weich wirkten, dass ich sie küssen wollte. Der Gedanke kam so schnell, dass ich ihn nicht aufhalten konnte, und riss über mich selbst erschrocken die Augen auf. Mein Gegenüber legte den Kopf ein wenig schief, als ich nichts weiter sagte, und hob fragend eine Augenbraue. Nervös wischte ich meine Hände an meiner Bluse ab und hoffte, dass er nicht sah, wie durcheinander ich war. Wegen ihm. Einem wildfremden Mann, von dem ich nichts wusste, der wirklich nicht nett zu mir war und nicht mehr von meiner Seite zu weichen schien. Es ergab keinen Sinn, wo ich doch so dringend einen benötigte, um mich zu beruhigen. Männer waren nicht an mir interessiert. Sie wollten Julia oder alle anderen Frauen in meiner Umgebung. Ich war nur die Freundin und das war gut so gewesen. Aber unter Philipps prüfendem Blick zerging ich beinahe und wollte das erste Mal, dass er mich ansah. Und nicht alle anderen. Wieder war ich über meine eigenen Gedanken erstaunt, so dass ich mich endlich von seinem Blick löste, der mich gefangen zu halten schien, und marschierte los. Egal wohin. Hauptsache nur weg von ihm.

Die Leute sahen mich genervt an, als ich mich an ihnen vorbei schob und ein oder zwei Mal meine Ellenbogen einsetzen musste. Mein Ziel waren die Toiletten, denn dorthin konnte mir Philipp nicht folgen. Zumindest hoffte ich, dass er sich daran hielt. Endlich dort angekommen drängelte ich mich vor, wurde erneut angemeckert, was jedoch endete, als ich mich einfach nur gegen eines der Waschbecken lehnte und tief durchatmete. Mir rauschte das Blut in den Ohren, als ich daran dachte, wie Philipp mich musterte und wie nackt ich mich unter seinem Blick fühlte. Was war nur los mit mir? Kein Mann hatte mich bisher so aus der Ruhe gebracht. Und das binnen so kurzer Zeit. Julia versuchte schon lange mich zu verkuppeln, damit ich endlich in den Genuss der Erfüllung kam, aber ich wollte nicht. Nicht, seitdem ich erlebt hatte, was Lust und Verlangen aus einem Menschen machen konnten. Es machte mir Angst, und heute war es seit langem wieder schlimm. Ich sehnte mich danach, nach Hause zu kommen und mich einfach zu verstecken. Dann konnte ich vielleicht die Bilder dieser Nacht vergessen und wie nutzlos ich mich danach fühlte. Aber statt nach Hause zu gehen und diesen Abend einfach abzuhaken, blieb ich stehen, und starrte mein Spiegelbild an.

LESEPROBE - UnvergessenWhere stories live. Discover now