Kapitel 16

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»Was ist das mit Ginny?«, wollte ich viel später von ihm erfahren. Wir lagen in meinem Bett, die leeren Pizzakartons neben uns auf dem Boden und Philipp spielte mit meinen Fingern. Er lehnte gegen die Wand, ich lag mit meinem Kopf in seinem Schoss und betrachtete sein schönes Gesicht von hier unten.

Seit geklärt war, dass wir beide an dieser Situation schuld waren und nur abwarten konnten, sprachen wir über alles Mögliche. Ich erfuhr, dass er als Kind liebend gern Gitarre gespielt hatte und das er gerne las, wenn die Zeit es erlaubte. Im Gegenzug erzählte ich ihm, dass ich Weihnachten liebte, da es die einzigen Tage im Jahr waren, wo meine Eltern sich nicht stritten. Oder mein Vater betrunken war. Ich konnte ihm nicht erklären, warum sie sich gerade da zusammenrissen, aber ich redete mir gern ein, dass es wegen mir gewesen war.

Seit ich jedoch abgehauen war und studiert hatte, mied ich Feiertage. Julia hatte mehr als einmal versucht, mich mit zu ihren Eltern zu schleppen. Aber ich wehrte mich jedes Jahr aufs Neue dagegen, auch wenn ich die Geste gut verstand. Ich lernte an diesen Tagen oder verkroch mich im Bett.

Hauptsache ich musste nicht an mein zu Hause denken, dass keines mehr war, weil ich einfach weggerannt war, anstatt zu helfen.

"Das ist gar nichts mehr. Ich habe dir doch gesagt, dass sie sich selbst eingeladen hatte. Ich wollte diesen Tag mit meinem besten Freund, seiner Liebsten und dir verbringen", wiederholte er seine Erklärung von zuvor, aber das wollte ich gar nicht wissen.

"Was ist das mit ihr? Die Aktion war nicht in deinem Sinne, aber liebst du sie noch? Gibt es für euch eine Chance? Wohin soll das alles führen?"

Die Fragen schossen nur so aus meinem Mund und ich wusste, dass ich kein Recht darauf hatte, dass er mir Antworten gab. Vielleicht verband uns etwas, auf einer Ebene, die nicht jugendfrei war. Aber konnten wir diese Verbindung auch in die normale Welt übertragen? Bisher waren wir uns eigentlich nur an die Gurgel gegangen, hatten gestritten. Nur dieser eine Nachmittag hier war vollkommen entspannt gewesen. Ohne Sex und ohne Streit. Ich vertraute dieser Ruhe aber nicht, denn wir rieben uns zu sehr aneinander.

Wir waren so verschieden, wollten unterschiedliche Dinge und hatten andere Erfahrungen gemacht.

"Ich weiß es nicht. Aber sie ist nicht die Liebe meines Lebens. So wie du es vorhin genannt hast. Ja, ich habe sie geliebt und diese Liebe war groß. So groß, dass ich nie gedacht hatte, sie könnte zerbrechen. Aber das ist sie. Und ich will auch gar nicht über sie nachdenken, wenn ich bei dir bin. Dann sollten nur du und ich zählen."

Seine letzten Worte wärmten mein Herz, aber sie beruhigten mich nicht.

"Und wenn wir nicht zusammen sind? Was passiert dann?", sprach ich meine Zweifel aus und laß in Philipps Gesicht, dass er darauf keine Antwort hatte, die mich zufrieden stellen würde.

Ich trat mir selbst in den Hintern, dass ich ihn in eine solche Situation brachte. Ich wollte es doch gar nicht. Es sollte locker laufen, wir waren Freunde, die Sex hatten, und lernten uns immer noch kennen. Nur ließ es nicht so. Die Schmetterlinge in meinem Bauch sprangen Salti als Philipp mit einem Finger über meine Wange strich, oder mich mit diesem liebevollen Blick bedachte.

Ich steckte bereits viel zu tief in dieser Sache drin und noch viel tiefer in der Scheiße. Denn meine überzogene Reaktion heute zeigte eindeutig, dass ich eifersüchtig war und es nicht kontrollieren konnte. Philipp war der erste Mann den ich an mich ranließ, der meine Welt aus den Fugen hob und mich durcheinander brachte.

"Ich weiß was du von mir hören willst. Wirklich. Aber ich kann dir nichts versprechen. Außer, dass wenn wir zusammen sind, nichts anderes für mich zählt. Lass uns schauen, was die Zeit bringt."

LESEPROBE - UnvergessenWhere stories live. Discover now